Rappenköpfle (Kleiner Rappenkopf) - Überschreitung Südgrat-Nordwestflanke


Publiziert von quacamozza , 1. September 2018 um 11:51.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:29 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 540 m
Abstieg: 1730 m
Strecke:Rappenseehütte-Rappensee-Scharte P.2231-Rappenköpfle-Schafalpe-Rappenseehütte-Eselweg-Schwarze Hütte-P Fellhornbahn (14 km)
Unterkunftmöglichkeiten:Rappenseehütte (2091m)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 2 1:25 000 Kleinwalsertal Hoher Ifen, Widderstein

Das Rappenköpfle (offiziell: Kleiner Rappenkopf) ist der anspruchsvollste und am seltensten bestiegene Gipfel rund um die Rappenseehütte. Es ist ein typischer Vertreter der Allgäuer Steilgrasgipfel. Einfache Routen auf den Gipfel gibt es nicht. Lediglich den Anstieg durch die Nordwestflanke kann man noch als moderat bezeichnen. Als Aufstiegsroute ist diese Flanke allerdings recht eintönig und mühsam zu begehen. Der Zugang von der Rappenseehütte ist dagegen sehr interessant und für Übernachtungsgäste auch kurz, so dass sich eine Überschreitung des Berges von der hochgelegenen Hütte aufdrängt. Dabei werden aber ungleich höhere Anforderungen an die Aspiranten gestellt. Auf Wikipedia wird der Zugang zutreffend mit den mittelschweren Höfatsanstiegen verglichen.

Nachdem ich den Berg bereits mehrfach überschritten habe, weiß ich, was mich erwartet. Das heißt zunächst einmal, nicht allzu früh zu starten, damit das Gras in den ersten Tagesstunden noch etwas abtrocknen kann. Heute sind die Verhältnisse allerdings zumindest im Aufstieg sofort recht gut, erstaunlich in Anbetracht des Neuschnees der letzten Tage. In der Nordwestflanke dagegen ist der obere Teil noch ziemlich rutschig, so dass ich mich am Gipfel entscheide, die Steigeisen anzulegen. Das bedeutet in der bis zu 60 Grad steilen Flanke mehr Sicherheit und Schnelligkeit, auch wenn man in den Mergelpassagen sehr aufpassen muss, dass sich keine Steine in den Eisen verkeilen. Es hat eben alles seine Vor- und Nachteile. Ausrutscher und Stolperer sind so oder so in diesem Gelände tabu.

Für den Schlussaufstieg aus dem Sattel P.2231 auf den Gipfel gibt es mehrere Möglichkeiten:

a) Da wäre zunächst die wohl einfachste Route, bei der man sich stets etwas rechts des Südgrates hält und durch sehr steiles Schrofengelände, aber nach AVF "gut gestuft", den Gipfelgrat erreicht. Diese Linie wird am häufigsten gewählt und allgemein mit T 6 und II bewertet. Ich bin sie aber noch nie gegangen.

b) Eine weitere Möglichkeit besteht laut altem AVF im Durchklettern der "sehr brüchigen Steilrinne links" des Südgrates. Diese ist allerdings sehr plattig und damit überaus heikel, ein strenges T 6, und endet zudem oben in schwieriger Bruchkletterei, meiner Meinung nach eine nicht empfehlenswerte Hardcore-Variante.

c) Bleibt noch die Alternative, die ich auch heute bevorzuge, nämlich möglichst direkt auf dem Südgrat hochzuklettern. Das ist klettertechnisch anspruchsvoll (die Kletterei bewegt sich, wie im AVF genannt, tatsächlich im III.Grad) und aufgrund des teilweise senkrechten, sehr brüchigen Felses auch heikel, aber man kommt doch recht schnell wieder in einfacheres Gelände und hat zudem einen guten Überblick.

Vor einem Abstieg über diese Route, wie es in einem Tourenbericht vorgeschlagen wurde, muss aber nachdrücklich gewarnt werden. Das ist für Normalbergsteiger ohne Sicherung einfach zu gefährlich. Deshalb am besten über die Steilschrofen neben dem Grat abklettern, wenn es unbedingt über die Rappenseeseite zurück gehen soll.

Zum Vergleich und als ernstzunehmender Hinweis: Der Südgrat ist kurz, aber technisch und psychisch deutlich fordernder als etwa die Höfats-Überschreitung. Wer im brüchigen III er-Gelände nicht mehr über entsprechende zusätzliche Reserven verfügt, dem muss von dieser Variante in aller Klarheit abgeraten werden. In jedem Fall sollten Griffe und Tritte vor Belastung auf ihre Eignung getestet werden.



Zur Schwierigkeit:

bis zum Sattel P.2231: Steilgras unten T 3-4, dann zunehmende Schwierigkeit bis T 5+

Rappenköpfle Südgrat: zuerst T 5, dann kurz T 6 bis zum Einstieg, eine halbe Seillänge III, oben I-II, zum Schluss Steilgras T 5, Gipfelgrat unschwierig

Rappenköpfle Nordwestflanke: Steilgras und Steilmergel bis T 5+, oft T 5, ab der Mergelpassage deutlich einfacher


Zum Zeitbedarf:

Rappenseehütte-Rappensee: 5-10 min
Rappensee-Sattel P.2231: 25 min
Sattel P.2231-Rappenköpfle: 20-25 min
Rappenköpfle-Schafalpe: 50 min
Schafalpe-Rappenseehütte: 45 min

Rappenseehütte-Schwarze Hütte: 55 min
Schwarze Hütte-P Fellhornbahn: 20-25 min radeln


Ausrüstung: Pickel, Helm, evtl. Steigeisen 



Im Einzelnen:

Von der Rappenseehütte (2091m) entweder über den Seebichel oder knapp unterhalb auf Wegspuren sanft hinunter zum Rappensee (2047m). Am nördlichen Ufer über die Mauer. Durch zunächst welliges Gelände, sich immer etwas links haltend, zum Beginn der (längsten) Graszunge, die vom südlichen Ende der Scharte P.2231 herunterkommt. Zunächst leicht, im Mittelteil noch gut gestuft, oben steiler, anspruchsvoller und weniger komfortabel, hinauf in die langgestreckte Scharte zwischen Hochrappenkopf und Rappenköpfle. In leichter Wanderung ohne Höhengewinn an den Gipfelaufbau des Rappenköpfle.

Jetzt wird's ziemlich schnell amtlich. Entweder über Schrofen (sicherer, wenn das Gras passabel trocken ist) oder in Gratnähe durch unangenehmen Steilmergel an den Beginn der senkrecht abbrechenden Südgratfelsen. 
Über den senkrechten Aufschwung direkt oder die ersten Meter in der heiklen Rinne links davon und dann sofort rechts hinaus auf den senkrechten Grat (beide Varianten durchgehend III, Vorsicht: sehr brüchiger Fels mit hervorstehenden Steinen, die sich oft wie eine Schublade herausziehen lassen).
Auf dem zunächst noch sehr steilen Grat (bis II) mit toller Flora weiter hoch, bis er wieder komplett grasig wird. Das abschließende T 5-Gelände empfindet man nach diesem Adrenalin-Kick als Wellnessprogramm. Gerade hier sollte man sich aber nochmals zusammenreißen.
Am Ende des Grates ist die westliche Gipfelkuppe erreicht. Über den Gipfelgrat nach Osten zum höchsten Punkt.


Leider ist das GB komplett durchnässt und nicht mehr zu beschreiben. Die Box ist zerbrochen, steht unter Wasser und ist mit Steinbockkot gefüllt. Auch das Gipfelkreuz von Adrian und Co. existiert nicht mehr. Wer noch weiße GK sehen will muss aufs Himmelhorn. Auf dem Rappenköpfle sind nur noch die untersten fünf Zentimeter vorhanden. Ich habe das GB oben gelassen und den Sachverhalt dem Hüttenpersonal mitgeteilt. Letztes Jahr im Juli waren die Zustände noch einigermaßen okay. Schade, dass nun so viel Müll entstanden ist.
Da sich oben nur wenige Steine befinden, die Steinböcke aber ziemlich neugierig sind, dürfte das sichere Verstauen eines neuen Buches eine Herausforderung sein. Vielleicht bringt ja mal jemand eine Gamelle hinauf und stellt ein gescheites Kreuz auf. Das Rappenköpfle hätte es verdient. 




Für den Abstieg benutzt man am besten diejenige Grasrippe, an deren unteren Ende die Schafalpe steht. Es ist die einzige Rippe, auf der man von unangenehmem Erlenkampf verschont bleibt. Die Route wurde bereits von Kauk in Aufstiegsrichtung *hier bestens beschrieben. Deshalb an dieser Stelle nur noch eine Kurzversion:

Vom Gipfel über den steilen Grashang 30 Höhenmeter nach Norden absteigen, bis man links zu den untersten Felsen des Westgipfels hinüberqueren kann. Kurz vor der westlichen Abbruchkante (toller Tiefblick in den Mutzentobel) rechts hinunter, zuerst ein kurzes Stück abklettern (I+), dann über Steilgras abwärts. Am Ende des Hanges, wo er sehr steil wird (auf 10 Metern 55-60 Grad, passabel gestuft, T 5+), direkt weiter hinunter, und dann dort, wo sich die Rippe teilt, rechts hinüber auf den rechten Ast mit der auffallenden Mergelpassage. Auch wenn man gerne auf dem linken, grasigen Ast bleiben möchte - es geht raus aus dem Komfortbereich und in den unangenehmsten Teil des Abstiegs. Wenn dann allerdings die ersten 20 Höhenmeter Steilmergel überwunden sind (T 5+), ist das Schlimmste geschafft. Über den weiter mergeligen, aber nunmehr flachen Grat geht es zu einem gutmütigen Grashang. Spätestens hier kann der Pickel gegen die Wanderstöcke getauscht werden. Am unteren Ende des Hangs beginnen ausgetretene Viehspuren. Das hohe Kraut kann somit immer umgangen werden. Vor allem wird man von Erlenkontakt und seifigem Untergrund verschont (anders als auf den beiden östlichen Parallelrippen). Bald ist der Wanderweg zwischen der Mindelheimer Hütte und der Rappenseehütte direkt an der Schafalpe (1790m) erreicht.
Auf dem guten Weg in einer knappen Dreiviertelstunde hinauf zur Rappenseehütte. 







Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (2)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 1. September 2018 um 13:52
Schöne Tour/ren. Schade dass ich keine Zeit hatte. Vielleicht geht im September/Oktober noch was.

Gruß Nico

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. September 2018 um 16:14
Hallo Nico,

bin mir sicher, dass im Herbst noch die eine oder andere Tour drin ist, gerne wieder zusammen.

Grüßle
Ulf


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