Täschhorn, 4491m


Publiziert von Linard03 , 30. August 2018 um 06:49.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:23 August 2018
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2326 m
Abstieg: 2326 m
Strecke:Täschalp - Mischabelbiwak - Täschhorn - Täschalp
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW bis Täschalp

Eigentlich hatte ich mich bereits damit abgefunden, dass die diesjährige Hochsaison ohne mich stattfinden würde – trotz wochenlangem stabilen Wetter und besten Verhältnissen. Doch dann sollte die eine, provisorisch vereinbarte Tour doch noch stattfinden können. Das Täschhorn hatten wir letztes Jahr schon auf dem Programm, fiel jedoch dem Wetter zum Opfer.
 
Eines vorweg: am Tourentag herrschten perfekte Bedingungen: trockene Felsen, kein Wind, keine vorangegangen Niederschläge. Die für beide Tage prognostizierten Gewitter (ab jeweils 14 Uhr) blieben glücklicherweise aus – die Wettergötter waren uns gut gesinnt.
 
Alles perfekt also? Nicht ganz – zumindest, was die Vorbereitung anbelangt. Als Akklimatisation war eine Woche zuvor eine andere Hochtour fest eingeplant gewesen. Diese fiel dann allerdings einer weiteren Geschäftsreise zum Opfer. Ich hatte deshalb doch einigen Bammel, auf über 3800m zu übernachten; quasi von 0 auf 100 … Andererseits sollten die Bedingungen derart gut sein, dass ich einfach nicht absagen konnte …
 
Grundsätzlich gibt es mehrere Aufstiegsmöglichkeiten – alle sind jedoch lang. Von der Kienhütte wäre eine Variante gewesen, aber der Gletscher ist zu fest ausgeapert (wäre ev. 2 Wochen früher noch machbar gewesen). Ebenso der Zustieg von der Längflueh: Gletscher zu fest ausgeapert. Und von der Täschhütte aus ist die Tour einfach zu lang.
 
Somit blieb also noch das Mischabeljoch-Biwak mit dem Aufstieg von der Täschalp aus. Wieder einmal mit dem BF meines Vertrauens sowie Urs unterwegs. Das bewährte Team, welches bereits am Weisshorn erfolgreich war.
Mit BF’s Auto durften wir noch bis zur Täschalp (2205m) hinauffahren; das erspart doch immerhin zusätzliche ca. 600Hm.
 
Zum Glück hatte ich vorgängig noch WoPo1961‘s Bericht gelesen: wenn der damalige Jungspund schon 6 Std. für den Hüttenaufstieg benötigte, würde ich wohl mind. 7 brauchen. Und dass auch er im Aufstieg gelitten hat, nahm ich gerne zur Kenntnis … ;-))
 
Da es gleich steil hinaufgeht, nahmen wir zum Einlaufen die Forststrasse, welche bis zu P.2537 hinaufgeht. Danach beginnt der Aufstieg auf der Moräne. Und diese Moräne ist eeeendlos lang – und steil … Schliesslich gelangten wir zum Weingartensee (3056m) – oder was davon noch übrig ist. Im Moment ist das lediglich ein kümmerlicher Tümpel.
 
Um auf den Weingartengletscherzu gelangen, muss zuerst noch ein Felsriegel überwunden werden. Dieser plattige Abschnitt oberhalb des Weingartensee’s sollte nicht unterschätzt werden. Der Weingartengletscher ist im unteren Abschnitt zerrissen, flacht dann aber schnell ab. Trotzdem zog sich die Strecke bis zum Mischabeljochbiwak (3853m) ziemlich in die Länge …
 
Für mich war es die erste Übernachtung in einer Biwakschachtel. Ich war überrascht, wie gut die Einrichtung ist: Küche mit drei Esstischen, 24 Betten im SAC-Stil. Bei der Maximal-Belegung wird es jedoch schnell mal eng. Wir waren heute nur zu sechst und nicht unglücklich darüber …
Der Tarif beträgt lächerliche CHF 22.-- für Mitglieder und ebenso lächerliche CHF 32.-- für Nichtmitglieder. Aber das scheint für einige immer noch zu viel zu sein; zumindest ein Anwesender (Nationalität lasse ich hier mal aus political correctness weg …) outete sich jedenfalls als Schmarotzer und hat sich weder im Hüttenbuch eingetragen noch den Obolus bezahlt …
 
Gleichzeitig mit uns trafen zwei weitere Bergsteiger ein, welche vom Alphubel abgestiegen waren. Der Sologänger war bereits da, hatte aber offensichtlich kein Interesse an Feuer machen oder Schnee schmelzen … Nun denn, unser BF bereitete uns eine währschafte Suppe zu, welche zum richtigen Zeitpunkt kam. Denn plötzlich wurde mir etwas schwindlig und Übelkeit kam auf – mangelnde Akklimatisation halt …
 
Nach der Suppe und einigen Salznüssen ging’s schnell wieder besser. Später kochte uns der BF noch eine wunderbare Pasta mit Tomatensauce, Kapern, etc. – die übrigen Gäste staunten nur so … Inzwischen war es gesichert, dass keine Niederschläge erfolgen würden und somit einer Besteigung nichts im Wege stehen sollte.
 
Gipfeltag
Um 4.45 Uhr wurden wir geweckt. Ich hatte kaum geschlafen, hatte immer wieder mal Kopfschmerzen (trotzdem war ich zu faul um aufzustehen und ein Aspirin zu nehmen …). Übelkeit gesellte sich am Frühstückstisch dazu, sodass ich kaum einen Bissen runterbrachte. Während Urs genüsslich Brot & Käse verspeiste überlegte ich mir, ob ich mich übergeben sollte …
 
Wir brachen um ca. 5.20 Uhr auf, noch in der Dunkelheit. Kurz nach uns folgte der bereits erwähnte Sologänger. Er hatte also auch noch die Frechheit, sich im Aufstieg an uns anzuhängen. Ein klares no-go, sich „gratis“ an einen Bergführer zu hängen, weil man sich keinen BF leisten will und der eigene Orientierungssinn wohl doch nicht so gut ist …
 
Der Mischabelgrat zieht sich ganz schön in die Länge. Ich musste zwar kräftig schnaufen, insgesamt ging es jedoch viel besser als ich hätte befürchten müssen. Über weite Strecken war der Fels erstaunlich solide und zahlreiche Rippen/Schuppen waren willkommene Aufstiegshilfen.
Am ganzen Grat hatten wir keine einzige Schneeberührung, derzeit ist alles aper - von wegen Wechten, welche man auf den Fotos immer sieht .... Die IIIer-Stellen nahm ich nicht als solche wahr – was ich mal gerne als technischen Fortschritt registriere.
 
Die letzten 150Hm musste ich nochmals kämpfen, um 8.45 Uhr erreichten wir den Gipfel des Täschhorn (4491m). Was für eine Freude! Windstill auch hier oben, ein wundervolles Panorama zeigte sich uns; was will man mehr? Der Verbindungsgrat zum Dom hinüber wäre heute wohl ideal zu begehen gewesen; für uns jedoch kein Thema. In Anbetracht des langen Rückweges machten wir uns nach wenigen Minuten wieder auf den Abstieg.
 
Nach ca. 1 Std. Abklettern war bei mir die Luft draussen; keine Energie mehr. Ich fühlte mich schwach, kletterte nicht mehr so geschmeidig und war etwas unsicher auf den Beinen. Ich keuchte wie eine Dampflok und benötigte immer wieder mal eine kurze Verschnaufpause.
 
Natürlich spürte ich eine gewisse Ungeduld des BF’s (ganz auszuschliessen war ein mögliches Gewitter noch nicht), aber es ging einfach nicht schneller. Schliesslich rutschte ich auch noch unglücklich auf einem Felsen aus und fiel auf Hüfte und Arm; ziemlich schmerzhaft. Die Unkonzentriertheit war natürlich der Müdigkeit zuzuschreiben.
 
Es half alles nichts; ich musste irgendwie runter. Und „irgendwie“ hiess dann beinahe in Trance. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam das Biwak in Sichtweite, war jedoch noch weit entfernt. Aber irgendwann war der Sattel und somit das Mischabeljochbiwak wieder erreicht – ich war erleichtert.
 
Mir wurde das Privileg zuteil, ca. 10 Min. Pause zu machen, während mir der BF netterweise mein zurückgelassenes Material runterbrachte. Steigeisen montieren und los ging der Gletscherwaggel.
Auch im Abstieg über den Gletscher hängte sich der Sologänger wieder an uns dran. Als wir kurz pausieren mussten, ging er an uns vorbei – und verrannte sich prompt im Gletscher-Labyrinth …
 
Wir kamen gut durch den Gletscherabbruch und gelangten bald zum Ausstieg. Allerdings blieben wir noch angeseilt, um den Abstieg durch die plattigen Felsen zu bewältigen. Danach hielten wir die erste (und einzige) grössere Rast des heutigen Tages.
Im Anschluss stiegen die beiden anderen zügig weiter ab bis zum Weingartensee, während ich das Tempo nicht mehr mitgehen konnte.
 
Sie warteten nochmals auf mich, stiegen dann die lange Moräne wieder in ihrem Tempo ab, während ich das meinige beibehielt. So klaffte dann bald mal eine grosse Distanz zwischen uns, spielte jedoch keine Rolle. Während die anderen eine Abkürzung nahmen, ging ich wiederum dem Forstweg entlang; etwas länger, jedoch angenehmer im Abstieg. Die Achillessehne machte weitgehend mit, die Knie hatten dann die letzten 150Hm die Schnauze voll. Es kam der Zeitpunkt, wo einfach nur noch alles schmerzte …
 
Dann endlich, nach 4 Std., erreichte ich die Täschalp (den Abstieg vom Biwak nach Täschalp kann man sicher locker auch in 3 ½ Std. oder weniger absolvieren), wo ich die beiden anderen (wie vermutet) im Restaurant wieder traf. Ein grosses Cola war dann der Lebensgeister erweckender Retter bzw. der grosse Zuckerschub half mir wieder auf die Beine.
 
Mit dem PW ging’s zurück nach Täsch und weiter nach Visp. Während der langen Zugfahrt konnte ich runterfahren und Revue passieren lassen.
Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass mir die nächsten Tage wieder mal sämtliche Knochen schmerzten …
 
Fazit:
eine grandiose Tour bei allerbesten Verhältnissen! Wenn nicht jetzt, wann dann? Dass die Besteigung trotz suboptimaler Vorbereitung ein Erfolg wurde, ist alles andere als selbstverständlich - ich bin einfach nur dankbar dafür. Interessanterweise hatte ich das Täschhorn nie weit vorne in meiner Projektliste; im Gegenteil …
 
Bemerkungen:
An dieser Stelle noch etwas in eigener Sache: auch wenn es nur eine Zahl ist; ja, die Schweizer 4000er sind für mich (wie für viele andere auch) nach wie vor ein Magnet; das kann ich nicht leugnen. Aber ich „muss“ deswegen nicht alle besteigen. Was geht, ist ok – was nicht, ist auch ok; das sehe ich total entspannt.

"Machbar" sind alle. Die letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass geplante Touren oftmals infolge instabilen Wetters oder unpassenden Bedingungen nicht durchgeführt werden können.
Für mich selbst hatte ich ursprünglich mal ein "Projekt-Ziel" notiert, welches "30 CH-4000er" hiess. Das habe ich bereits übertroffen. Also kein Problem für mich, sollten aus irgendwelchen Gründen keine weiteren 4000er-Gipfel dazu stossen. Zudem muss ich ja niemandem irgendetwas beweisen …
 
Zeiten (inkl. Pausen):
Täschalp – Mischabeljochbiwak: 5 Std.
Biwak – Täschhorn: 3 Std. 25 Min.
Täschhorn – Biwak: 3 ¼ Std.
Biwak – Täschalp: 4 Std.

Tourengänger: Linard03


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Geodaten
 41627.gpx Täschalp-Biwak
 41628.gpx Biwak-Täschhorn

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Kommentare (12)


Kommentar hinzufügen

garaventa hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 30. August 2018 um 07:20
zur erfolgreichen Besteigung des Täschhorns.

Außerdem zolle ich Dir meinen Repekt für Deine so ehrliche und offene Berichterstattung, denn es ist wahrhaftig nicht so einfach, einen Berg von solcher Grösse und Anspruch mal eben von "Null auf Einhundert" zu besteigen.

Mit dem Finger auf der Landkarte scheint alles machbar. Doch vor Ort erleben wir dann recht häufig, dass der Körper den alpinen Gegebenheiten eben nicht ohne entsprechende Anpassung widerstehen kann.

Hochachtung, dass Du diese lange Tour dennoch würdig und erfolgreich beenden konntest, was gewiss auch einem sehr guten und einfühlsamen Bergfüher zu verdanken ist.

Ich wünsche Dir für zukünftige Projekte viel Erfolg!

Gruss garaventa

Linard03 hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 30. August 2018 um 17:18
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Es gehört zu meinem Bericht-Stil, dass ich nichts beschönige und so erzähle, wie ich die Tour erlebt habe.

Du weisst ja selbst, was es zu einer solchen Tour braucht; Du bist ja wohl inzwischen auf allen (?) 4000er gestanden ...
Jedenfalls kann ich bejahen, dass der BF einfühlsam ist - bei einem mir unbekannten BF wäre das Ganze wohl nicht so harmonisch verlaufen ...

Dir wünsche ich ebenfalls weiterhin erlebnisreiche Touren und viel Erfolg!
Gruss aus dem Unterland ;-)

Laura. hat gesagt: Congratulazioni!
Gesendet am 30. August 2018 um 11:48
Bellissima cima.

Linard03 hat gesagt: RE:Congratulazioni!
Gesendet am 30. August 2018 um 17:21
Appunto! Grazie ...

Felix hat gesagt: châpeau!
Gesendet am 31. August 2018 um 07:02
gut gemacht, beschrieben und fotografiert!

Linard03 hat gesagt: RE:châpeau!
Gesendet am 1. September 2018 um 08:19
Danke Dir, Felix!

roger_h hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2018 um 11:30
Hoi Richard

Gratuliere zum Täschhorn, ein 4000er, der mir auch noch fehlt und mich zudem noch sehr reizt.

Weiterhin schöne Touren und Erlebnisse und Gruss
Roger

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. September 2018 um 08:22
Hoi Roger,

merci; Du hast ja kürzlich auch ein paar tolle Touren gemacht! Für Dich wird das Täschhorn zur Genusstour, da bin ich mir sicher …

Auch Dir weiterhin erlebnisreiche Touren!
Gruss, Richard

gero hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2018 um 16:37
Hi Richard,

ich schließe mich meinen Vorrednern an: schlichtwegs großartig in Stil, Wort und Bild !!!

Weiter so und alles gute, der gero

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. September 2018 um 08:24
Servus Georg,

vielen Dank für Deine Rückmeldung und die netten Worte!

Beste Grüsse, Richard

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 31. August 2018 um 18:32
Mann...Immer komm ich zu spät zum "als Erster gratulieren"!!! Und dann muss man immer so viel nachdenken, um nicht dasselbe zu schreiben.. Wie die Herren vor mir.
Ein dickes Kompliment also, für deinen tollen Bericht. Ich mag bekanntermaßen ehrliche und ungeschönte Tourenerlebnisse. Da kann ich mitfühlen.. Dinge wieder erkennen, die selbst schon erlebt wurden. Der persönliche Kampf mit dem eigenen inneren Schweinehund, und schwachen Momenten, wo vermeintlich nix mehr geht!
Super beschrieben, toll gekämpft und damit einen fetten "Schweizhut-in-die-Luft-werfen" vor Begeisterung verdient.
Hoffe, man sieht sich vielleicht 2019?!
Grüße aus dem Norden, WoPo

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. September 2018 um 08:30
Es ist definitiv nie zu spät zu gratulieren! Und man "muss" ja auch nicht als Erster gratulieren … ;-)

Jedenfalls herzlichen Dank für Deine netten Worte und den fetten "Schweizhut-in-die-Luft-werfen" … ;-))
Deine Berichte helfen immer wieder mal als moralische Unterstützung, wenn ich feststellen darf, dass sich selbst der Schweizhutträger dann und wann mal schwer getan hat und eben auch nicht so "locker-flockig" mal eben ein 4000er bestiegen wurde …

Ich würde mich tatsächlich sehr über ein Wiedersehen freuen; wenn nicht dieses Jahr, dann 2019!

Beste Grüsse aus dem CH-Flachland, Richard


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