Val di Dalun und Dos di Dalun (2680 m; Versuch) - totale Einsamkeit in der Brenta


Publiziert von gero , 24. August 2018 um 18:35.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:15 August 2018
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 14:00
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:Rist. Dolomiti - Rif. Cacciatore - Forcolotta di Noghera - Dos di Dalun (Versuch) - Val di Dalun - (Malga Ben) - Rist. Dolomiti (22,7 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Aus dem Etschtal hinauf nach SAN LORENZO in BANALE; dort der Beschilderung ins Val d'Ambiez folgen, sie führt durch abenteuerlich enge Gassen durch den Ort und weiterhin sehr schmal zum RISTORANTE DOLOMITI. Dort gebührenfreier, geräumiger Parkplatz.
Kartennummer:Tabacco Blatt 53 (Dolomiti di Brenta 1:25.000); Freytag & Berndt WKS 11 (Brenta - Madonna di Campiglio - Presanella)

Mit dem Dos di Dalun möchte ich einen weiteren Berg in der Brenta vorstellen, den man als Normalbergsteiger gerade eben noch besteigen kann - wenn man steilem, ausgesetztem Schrofengelände des ersten Grades mühelos gewachsen ist. Indem ich dies schreibe, lehne ich mich ungebührlich weit aus dem Fenster: wenn ich auch in technischer Hinsicht dem Einsergelände des Gipfelaufbaus gewachsen bin, so hat mich doch die Ausgesetztheit in Verbindung mit der totalen Einsamkeit daran gehindert, den Gipfel zu erreichen; davon später mehr.

Der Dos di Dalun liegt der 30 m  höheren Cima di Ghez nordseitig gegenüber; die beiden sind durch das tief eingeschnittene Val di Dalun voneinander getrennt. Selbiges habe ich bei dieser Gelegenheit erforscht und möchte es deshalb beschreiben. Dabei laufe ich keineswegs Gefahr, als Initiator einer Massenwanderung zu fungieren: sowohl der Berg als auch das Tal sind derart weltabgeschieden, daß sich hier herauf nur wenige Interessenten "verirren" werden.

Und: wie schon bei der benachbarten Cima_di_Ghez erläutert, stammt der Name vermutlich aus dem Keltischen: er könnte entweder ein Erz beschreiben, welches hier früher gewonnen wurde, oder für die Felsmauern und Tälchen im Innern des Massives stehen.


Teil 1: Anstieg durch das Val d'Ambiez zur Forcolotta di Noghera

Heute ist der 15. August und damit Ferragosto / Maria Himmelfahrt, halb Italien ist unterwegs. Ich merke dies gleich früh um 5:30 Uhr, als ich (wie schon mehrfach zuvor) vom Ristorante Dolomiti di Brenta (860 m; auch: Baese) am Beginn des engen Val d'Ambiez starte: zeitgleich mit mir startet von hier aus das erste vollbelegte Hüttentaxi Richtung Rif. Cacciatore. Jawohl, man kann sich im Talort San Lorenzo in Banale telefonisch ein Hüttentaxi bestellen, das einem die 1000 Hm Hüttenanstieg abnimmt. Während ich natürlich brav zu Fuß aufsteige, schnurren den ganzen Tag über die Geländewagen unablässig rauf und runter und schaufeln Dutzende, wenn nicht Hunderte Bergsteiger hinauf zum Rif. Cacciatore. Wenig motivierend, wenn man alle 20 Minute zur Seite treten muß, um auf der teils sehr engen, ständig steilen Forststraße das nächste derartige Fahrzeug vorbei zu lassen. Naja, das habe ich aber vorher gewußt ..... selber schuld.

Nach 3 1/2 Std. habe ich das Rif. Cacciatore (1821 m) erreicht. Die Tische sind gedeckt, man hat sich hier bereits auf den Massenansturm der Tagesgäste vorbereitet. Nach einem Frühstücks-Capuccino vor der Hütte geht es hinter dieser weiter, zunächst auf dem breiten Weg Richtung Agostini-Hütte. Nach etwa 20 Minuten zweigt beschildert ein Abkürzer hinauf zur Forcella di Noghera ab - steil geht es hier bergan, bis auf etwa 2300 m der Höhenweg Nr. 320 (Sent. Palmieri) zur besagten Scharte erreicht wird. Auch er ist heute sehr stark frequentiert: scharenweise wandern Bergsteiger jeglicher Alters- und Könnensstufen von der Agostini- zur Pedrottihütte und stören mit ihrem Geschrei (man verzeihe mir die etwas intolerant klingende Wortwahl) die normalerweise hier herrschende Ruhe der Brenta. Gegen 12 Uhr habe ich die Forcolotta di Noghera (2423 m) erreicht, und hier kann ich mich von den sonstigen Bergsteigermassen absentieren.

Teil 2: Versuch des Dos di Dalun

An dieser Scharte stehe ich meinem heutigen Ziel direkt gegenüber: steil wächst der Dos di Dalun jenseits der Mulde des Val Noghera in den Himmel. Von der Scharte führt zwar ein Felskamm direkt zum Dalun hinüber, doch ist dieser Grat zu schwierig, um als Direktzustieg in Frage zu kommen. Man muß auf Steig Nr. 345 in die oberste Mulde des Val Noghera absteigen und steht hier ziemlich unmittelbar unter der Nordwand des Dalun; während Steig Nr. 345 weiter abwärts und dann viel später durch das Val San Lorenzo wieder zum Passo Rossati hinauf führt, vermittelt eine sehr steile Schrofenwiese den Zugang zum Ansatz des Normalweges auf den Dos di Dalun.

Diese steile Schrofenwiese ist besser zu begehen, als es aussieht. Steigspuren führen hinauf, es ist zwar anstrengend, aber (bei Trockenheit) vollkommen unschwierig. An ihrem oberen Ende erreiche ich einen kleinsplittrigen Zackenkamm, der vermittels eines Pfades ganz gut begehbar ist, aber der ausgesetzte Charakter des Weiterweges kommt hier bereits zur Geltung: auf beiden Seiten geht es steil hinab, nordseitig in die Mulde des Val Noghera, südwestseitig ins Val d'Ambiez.

Ich stehe jetzt am Ende dieses kurzen Zackenkammes und damit unmittelbar am Einstieg des Normalweges auf den Dos di Dalun: die hier ansetzende Schrofenflanke ist zwar auch weiterhin durch Steigspuren erschlossen, aber ziemlich ausgesetzt. Mit zugegebenermaßen bangem Herzen mühe ich mich etwa 10 Minuten hinauf, dann folgt ein horizontaler, schmaler Felskamm, welcher die Verbindung zum nächsten Abschnitt der Bergflanke darstellt. Ich gebe gerne zu: dieses Gelände übersteigt zwar nicht meine technischen Fähigkeiten (der erste Grad wird hier erreicht), wohl aber nagen Ausgesetztheit und Einsamkeit schwer an meiner Moral. Ich beschließe, mich auf keine Experimente einzulassen (zumal ich ja nicht weiß, wie es später weitergeht und ich auch alles wieder hinunter muß), und kehre an dieser Stelle um.

Es folgen der Wiederabstieg zur Mulde des Val Noghera, wieder hinauf zur Forcolotta di Noghera und jenseits hinab Richtung Rif. Cacciatore. Kurz vor der Hütte erreiche ich das Wegkreuz Busa dei Malgani (1960 m), an dieser Stelle zweigt der Steig Nr. 351 unter anderem Richtung Malga Ben ab. Ich folge ihm, denn er führt unterhalb des Val di Dalun vorbei, und selbiges möchte ich, wenn ich schon den gleichnamigen Dos nicht erreicht habe, unbedingt erkunden. Und richtig: nach etwa 20 Minuten gabelt sich das Weglein, rechts geht es markiert auf Steig Nr. 351 zur Malga Ben, links aufwärts ohne jegliche Markierung auf das Val di Dalun zu (s. Foto).

Mein Steig quert nun unterhalb der Westflanke des Dos di Dalun dahin, immer mit Blick auf den bereits erkennbaren Eingang zum Val di Dalun. Zuletzt wird eine Platte gequert - und dann stehe ich am Eingang zur schweigenden Einsamkeit dieses Tales.

Teil 3: Unterwegs im Val di Dalun

Wie man aus der Ferne, z.B. von der Crona aus, erkennen kann, zieht das Val di Dalun über drei deutliche Geländestufen aufwärts in Richtung auf den langen Sattel zwischen Dos di Dalun und Cima di Ghez. Man kann die Topologie des Tales recht gut an Hand der Tabacco-Landkarte verfolgen (dort mit Dalum bezeichnet; verschiedene Schreibweisen).

Ich steige zunächst immer orographisch rechts (also im Aufstiegssinne links) an, hier finden sich noch einige Zeit lang Steigspuren. Sie enden in der wilden Trümmerhalde der ersten Geländestufe (ca. 2050 m), ab jetzt muß ich mir meinen Weiterweg selbst suchen. In diesem Bereich heißt es besonders gut aufpassen, zwischen den mächtigen Blöcken finden sich viele, von Alpenrosen überwachsene und deshalb verdeckte Gesteinsspalten.

Die nachfolgende zweite Geländestufe (ca. 2200 m) ist vom großen Geröllfeld geprägt, welches das Tal bis in seine obersten Bereiche durchzieht. Auch hier gibt es gelegentliche Steigspuren, die das Kar im Zick-Zack erschließen. Es finden sich sogar ein Steinmann und eine verblaßte rote Markierung, doch ist man auf diese bei der Wegfindung nicht angewiesen.

Die dritte Geländestufe (ca. 2300 m) besteht noch ein letztes Mal aus schrofigem Grün, sie leitet über in den letzten und hintersten Teil des Tales, die Busa di Dalun (ca. 2400 m), jenes Amphitheater, dessen Wände und Grate die Verbindung zwischen dem Dos di Dalun und der Cima di Ghez darstellen. Man könnte wohl mit gewissen Schwierigkeiten auch von hier aus beide Berge besteigen, doch endet für mich hier der Aufstieg. Ich sitze in der Weltabgeschiedenheit des Tales - wieder einmal ein Beispiel dafür, daß man sich in einem eigentlich überlaufenen Gebirge wie der Brentagruppe etwas abseits der Hauptpfade in völliger Einsamkeit befindet.

Der Rückweg erfolgt dann auf gleichem Steig das Val di Dalun hinab, drunten auf Steig Nr. 351 bis fast zur Malga Ben und schließlich von dort wieder auf wohl gebahnten Wegen zum Ristorante Dolomiti di Brenta am Eingang des Val d'Ambiez.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 41469.gpx Dos di Dalun (Versuch)

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Kommentare (1)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 30. August 2018 um 17:24
auch ohne Gipfel - eine herrlich fantastische, "weltabgelegene", Tour!

lg Felix


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