Kurzbericht 

Schöner als die Oberbärglinadel...


Publiziert von lorenzo , 15. Mai 2019 um 07:56.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum: 3 August 2008
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2535 m
Abstieg: 2535 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Zermatt
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Arbenbiwak SAC
Kartennummer:LK 2515 Zermatt-Gornergrat; H. Biner, Hochtouren im Wallis, SAC 1994; D. Silbernagel und S. Wullschleger, Walliser Alpen, topo.verlag 2010

Auf dem Weg von der Spitzi Flue über Under- und Oberbärgli zum Sigriswiler Rothorn war ich schon wiederholt an der Oberbärglinadel, einer laut M. Brandt "hässlichen Felsnadel von ca. 10m Höhe...nördlich P. 1787"  vorbeigekommen, die 1943 von seinen langjährigen SeilgefährtInnen Adrien und Rose Voillat und einem Begleiter zum ersten Mal und ohne Haken bestiegen worden sei (V, SS). Vom Weg in der Ansicht von Westen aus wirkte die alleinstehende und mehrfach geknickte, senkrecht emporragende und schlanke Nadel auf mich zunächst aber eher anziehend als hässlich. Trotzdem konnte ich mich erst nach Jahren im Herbst 2017 dazu entschliessen, mein Glück auch einmal zu versuchen

Von Willeralmi stieg ich zum Aufwärmen zuerst auf die Spitzi Flue und wanderte dann auf dem weiss-rot markierten Bergweg Richtung Oberbärgli, den ich nach etwa zwei Dritteln Richtung Osten verliess. Schon bald erreichte ich über mit Alpenrosen- und Wacholderstauden bedeckte Karren die Nadel, die sich beim ersten Rundgang vielmehr als aufgestelltes und mehrfach gefaltetes, von einem Tännchen gekröntes Blatt aus brüchigem Fels erwies, das bei der leisesten Berührung zusammenzukrachen drohte. Langsam dämmerte mir, was M. Brandt zu seinem wenig schmeichelhaften Urteil veranlasst habe mochte...

Sowohl durch die S- wie durch die N-Wand - beide stellenweise überhängend - waren mehrere ältere und neuere Routen mit Haken und Bohrhaken eingerichtet. Ich probierte es zuerst links in der N-Wand, gab aber nach ca. 1/3 unter einem instabil aussehenden überhängenden Block, in den der entscheidende Spit eingebohrt war, auf und seilte mich ab. Die weiter rechts hinaufziehenden Routen schienen noch schwerer, aber nicht vertrauenerweckender zu sein. Auch in der S-Wand schien der Fels nicht robuster zu sein, zudem war die angepeilte Route im linken Wandteil so schwer, dass ich nach wenigen Metern auch hier das Handtuch warf. 
Schade, denn vom Tännchen hätte ich mich sicher elegant abseilen können...

"Mourir pour Oberbärglinadel?" Ich hielt mich an meinen Grundsatz, dass bei einer für mich schwierigen Route der Fels solide und gute Sicherungsmöglichkeiten vorhanden sein müssen, oder umgekehrt bei brüchigem Fels und schlechten Sicherungsmöglichkeiten die Route nicht allzu schwierig sein darf. Es schien sich einmal mehr um eine von M. Brandt klassisch bewertete Route zu handeln, die sich im Nachhinein als eigentliches Sportkletterproblem, hier dazu noch in brüchigem Fels, erwies. Mir blieb aber schleierhaft, wie die ErstbegeherInnen hier ohne Haken hinauf gekommen sind. So deponierte ich meine Kletterausrüstung beim Oberbärgli und machte eine schöne Spätherbstwanderung über das Sigriswiler Rothorn und die Merra.

Zum Glück gibt es nicht nur mehr oder weniger hässliche Felsnadeln, sondern richtig und rundum schöne Berge wie das Ober Gabelhorn! Wie ein kleiner Gasherbrum steht es als niedrigster Viertausender - abgesehen vom Dirruhorn - in der Couronne Impériale rund um Zermatt und bietet ambitionierten AlpinistInnen alles, was ihr Herz begehrt: eine makellose N-Wand aus Eis und Firn, eine erstklassige S-Wand aus bestem Fels, und vier interessante Fels- und Firngrate, die sich für verschiedene Überschreitungen eignen. Bei günstigen Firnverhältnissen ist die bis zu 55 Grad steile N-Wand sogar bei Extremskifahrern beliebt.

Ich hörte erstmals im Sommer 1978 bei einem der abendlichen Freitagshöcks im SAC-Lokal an der Brunngasse in Bern den vielversprechenden Namen, als zwei JO-ler gefragt wurden: "Was machet dir am Wuchenänd?" "Z'Ober Gabu" lautete die lakonische Antwort. Ober Gabu? Nie gehört, denn für mich bedeutete damals etwa der Klassiker Trotzigplangg-Wichelplangg von der Sustlihütte aus am Seil eines versierten Tourenleiters das Höchste der Gefühle...Ober Gagu wäre mir schon vertrauter gewesen, da ich damals den Kack sowieso schon immer zuoberst in der Hose hatte...Erst als ich knapp dreissig Jahre später den schönen Bericht von Cyrill las, dachte ich: das kann ich auch! Und so machte ich mich ein weiteres knappes Jahr später bei bestem Spätsommerwetter auf den Weg.

Auf dem eindrücklichen Hüttenweg gegenüber der imposanten Matterhorn N-Wand traf ich Godi Just mit Gast Andreas, und mit ihnen und dem noch anwesenden Hüttenwart verbrachte ich einen gemütlichen Nachmittag vor dem Arbenbiwak, das sich erst nach und nach mit weiteren Ankömmlingen füllte. Am nächsten Morgen ging ich mit der Stirnlampe los, hatte aber trotz - oder villeicht wegen? - Spuren Mühe, den Aufstieg zum Pfeiler und zur Rampe  zu finden, so dass ich etwas suchen musste. Die Rampe war z.T. ausgeapert, was die Sache auch nicht gerade einfacher machte. Trotzdem gelangte ich zügig auf den Arbengrat, wo ich mit Godi und Andreas wieder zusammen traf. Von den anderen Seilschaften war weit und breit noch nichts zu sehen, was bis zum Gipfel so bleiben sollte. Beim kleinen Gendarmen sicherte ich mich mit Schlingen und den grossen Gendarmen umging ich nordwestlich auf Platten und Firn. Beim Gipfelaufschwung suchte ich zuerst zu weit nordwestlich, bevor ich den Einstiegskamin fand, nach dem bis zum Gipfel nur noch schönste Genusskletterei folgte.

Ein Gipfelfoto von Godi und Andreas und schon machte ich mich an den Abstieg über den ENE-Grat. Über den kombinierten Abschnitt seilte ich mich mit meinem 50m 7,5mm Seil bei einigem Gegenverkehr mehrmals ab, und auf einer guten Firnspur ging es, nur unterbrochen von den Fixseilen am 
dazwischenliegende Kluckerturm weiter zur Wellenkuppe. Deren ENE-Grat liess sich gut ohne Seil abklettern und schon bald erreichte ich auf einer guten Spur über den Triftgletscher die Rothornhütte, wo ich mir zur Stärkung für den weiteren Abstieg nach Zermatt ein Stück Apfelkuchen und ein Cola genehmigte. Ich verabschiedete mich von Godi und Andreas, die nach einer weiteren Übernachtung, diesmal in der Rothornhütte, Richtung Schaligrat weiterziehen wollten.

Zermatt-Arbenbiwak
Von Zermatt (1616m) auf dem markierten Wanderweg nach Zmutt (1937m) und auf dem weiss-rot markierten Bergweg entlang dem Zmuttbach über Chalbermatten (2105m) und am Arbenfall vorbei zur Abzweigung vor P. 2355. Auf dem Hüttenweg W des Arbenbachs bis 2480m, nach E über eine Brücke zu P. 2500 und auf der Arbengandegge (E Moräne des Arbengletschers) bis P. 2892. Weiter auf dem Weg bis ca. 3000m, dann nach NW (Markierungen) über Geröll, Felsstufen und Gletscherreste (ev. Spalten) SW unter die das Arbenbiwak (3224m) tragende Felsinsel bei ca. 3140m, und über einen Klettersteig zu diesem hoch, 1620Hm, 4h 30min-5h 30min, T5.

WSW- oder Arbengrat
Vom Arbenbiwak (3224m) auf Geröll, Platten und Firn Richtung P. 3485 und weiter auf Firn nach NE zu einer Schulter unter der S-Wand E eines vorgelagerten Pfeilers. E von diesem über leichte Felsen und durch eine Verschneidung hinauf, nach W auf den Pfeiler und über eine kurze Steilstufe wieder nach E auf den Pfeilerkopf und an den Beginn der von E nach W diagonal hinaufziehenden Rampe. Auf dieser über Platten, Stufen (II) und Firn hinauf (Steinschlaggefahr ab dem Pfeilerkopf) zum Arbengrat bei ca. 3800m (Block, Stange), 1h-1h 30min. NW der Gratschneide über Platten und Stufen (III-, Hk) bis zum kleinen Gendarmen (roter Turm), der S auf einem Band exponiert umklettert wird (10-15m, III). Man gelangt so an den Fuss des Grossen Gendarmen, der überklettert (40m, Verschneidung IV, Platte IV+, Hk) oder NW umgangen wird: über Bänder in die W-Flanke zu einer Rippe aus weissen Platten und über diese und die Rinne NE davon zurück auf den Grat (III+, Hk, ev. Firnreste oder vereist). Weiter über Platten NW der Gratschneide (III) zum Gipfelaufschwung: nach NW in einen Kamin und durch diesen (Hk), über Platten (III-IV, Hk) und den leichten Grat auf das Ober Gabelhorn (4063m), 840Hm, 2h 30min, ZS.

ENE-Grat-Wellenkuppe
Vom Ober Gabelhorn (4063m) über 2 Türme abkletternd oder -seilend (10m, 20m) zum Vereinigungspunkt mit dem SE-Grat, dann weiter über den ENE-Grat abklettern (II-III+, ev. vereist) oder -seilen (5x20m) bis zum Firngrat (45 Grad, ev. vereist), der zum Grossen Gendarm (Kluckerturm, 3870m) leitet. An einem Fixseil auf diesen hinauf und an 2 Fixseilen (je 20m) auf der anderen Seite hinunter. Über vereiste Platten und Stufen hinunter zum Sattel 3827 und über den firnigen W-Rücken (30 Grad) auf die Wellenkuppe (3903m), 1h 30min-2h. Über den ENE-Grat zuerst auf Firn, dann auf Platten (II oder 3x20m abseilen) in eine Gratlücke. Auf Wegspuren (Steinmänner) S an einer Reihe von Türmen vorbei und über leichte Felsen zum Beginn einer Rippe (ca. 3750m), die in die E-Flanke führt. Nun nicht Wegspuren folgen, sondern NE (links) über einen Gratrücken zu einem Block über einem Absatz abklettern (Hk). 20m abseilen oder SE (rechts) durch eine Rinne (III) abklettern und nach NE über ein Firnfeld (35 Grad) zum Triftgletscher bei ca. 3440m hinunter. In einem weiten Rechtsbogen unter dem Trifthorn (3728m) hindurch und N an der Spaltenzone vorbei zur Rothornhütte (3187m), 930Hm, 1h 30min-1h 45min, ZS

Rothornhütte-Zermatt
Von der Rothornhütte (3187m) auf dem weiss-blau markierten Bergweg über die orografisch linke Moräne hinunter zum Vieliboden (2452m). Auf dem weiss-rot markierten Bergweg zum Berggasthaus Trift (2337m) und weiter über den Stellistein und das Restaurant Edelweiss Alterhaupt (1961m) hinunter nach Zermatt (1616m), 1590Hm, 2h 30min-3h, T2.

Fahrplan: 4.25 Arbenbiwak, 7.35 Gipfel, 11.25 Rothornhütte, 14.30 Zermatt.

Material: übliche Kletterhochtourenausrüstung mit 50m Einfachseil, 4 Express, 3 Schlingen, 2-3 kleinen bis mittleren Friends, Kk-Set und 2 Eisschrauben.

Tourengänger: lorenzo


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

ZS III
T4+ ZS+ IV
19 Aug 13
Ober Gabelhorn (Arbengrat) · Stoerti
T4 ZS+ III
S V-
8 Aug 12
Obergabelhorn Südwand · tombe
T4+ ZS III
T6- ZS+ IV
4 Aug 18
Obergabelhorn-Überschreitung · garaventa
29 Aug 16
Ober Gabelhorn · ciolly