Auf den Spuren der Gräflich Waldsteinschen Waldbahn Rečkov II


Publiziert von lainari , 14. Juli 2018 um 21:55.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum: 1 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 8:15
Aufstieg: 195 m
Abstieg: 195 m
Strecke:27 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Rozcestí II/270 - Strážovská cesta
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 15 Máchův kraj

Rečkovská lesní dráha
 
Einführung
Nördlich von Bělá pod Bezdězem (Weißwasser) erstreckt sich ein riesiges Waldgebiet, das einst zum Besitz der Grafen von Waldstein gehörte. Als wegen Schädlingsbefall um 1913 große Mengen Kiefernholz zum Abtransport anstanden, entschloss man sich zum Bau einer Waldbahnstrecke in der für Österreich-Ungarn typischen bosnischen Spurweite (760 mm). Mit dem Streckenbau beauftragte man die Firma Orenstein & Koppel. 1914 wurde der Abschnitt zwischen dem Sägewerk Rečkov, an der Hauptbahn zwischen Česká Lípa (Böhmisch Leipa) und Bakov nad Jizerou (Backofen an der Iser) liegend, und Stražov (Strassdorf) eröffnet. Zum Einsatz kamen zwei Dampflokomotiven, ein Zweikuppler von Krauss und ein Dreikuppler von Orenstein & Koppel. Später erweiterte man den Fuhrpark noch um eine Diesellokomotive. 1925 wurde die Strecke bis zum Forsthaus Trojzubec (Dreizipfel) bei Hradčany (Kummer) verlängert und erreichte somit eine Streckenlänge von 25,96 km. Ein Weiterbau durch das Kummergebirge bis Srní u České Lípy (Rehdörfel) war vorgesehen, kam jedoch nicht mehr zur Ausführung. An der Waldbahnstrecke gab es bei Radechov, in Strassdorf und am Streckenende beim Forsthaus Dreizipfel am Eingang zum Langen Grund Ladestellen, wo Züge Kreuzen, Umsetzen und Beladen werden konnten. Dort sollen auch jeweils Möglichkeiten zur Wasserversorgung der Lokomotiven vorhanden gewesen sein. In der ansonsten trockenen Landschaft war und ist Wasser eine Rarität. Ihre Blütezeit erlebte die Bahn in den 1920er-Jahren, als sie bis zu 120.000 Festmeter Holz jährlich abtransportierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie verstaatlicht und lag zu einem Großteil auf dem jetzigen Truppenübungsplatz Ralsko. In der Folge wurde sie 1950 eingestellt und abgebaut. Der Streckenverlauf ist in der Generalstabskarte System S 1952 1:50.000 mit Bearbeitungsstand 1948 noch eingezeichnet, auf den Exemplaren 1:25.000 von 1952 jedoch bereits verschwunden. Ich machte mich gespannt auf den Weg, was Forstwirtschaft und Militär nach knapp 70 Jahren noch für verwertbare Spuren der Bahntrasse übriggelassen haben.
 
Hinweg
Aus logistischen Gründen habe ich die Erkundung in zwei Abschnitte aufgeteilt, wobei ich mit der Begehung von etwa Streckenmitte bis zum Streckenende begann. Der heutige Tag bestach durch bestes Wetter mit moderaten Höchstwerten um die 20° C. Ich fuhr bis zum Wegabzweig II/270 - Strážovská cesta (Strassdorfer Weg) und parkte dort. In gerader Linie lief ich auf dem asphaltierten Waldweg in Richtung der einstigen Siedlung. An einem Abzweig lockte mich ein kyrillisch beschrifteter Felsen auf eine Anhöhe hinauf. Später erkundete ich noch ein Felsenriff und kam schließlich zur Wüstung Strassdorf/Strážov. Der Ort bestand einst aus vier Gehöften und einem Jagdschloss. Letzteres wurde erst Anfang der 1990er-Jahre abgetragen, während die anderen Häuser durch die militärische Nutzung des Areals bereits eher verschwunden sind. An allen Standorten sind heute noch Keller auszumachen. Eine Hirschkuh trabte von der Lichtung gemächlich in den angrenzenden Wald. In einem nahen Felsenriff entdeckte ich eine ausgehauene Felsenwohnung und auf dem Gipfel eine muldenartige Vertiefung unbekannter Funktion. Möglicherweise hat hier eine kleine mittelalterliche Burgwarte bestanden, die Wanderkarte weist einen Burgplatz aus, aber einschlägige Fachquellen haben dazu keinerlei Einträge. Am südlichen Ende der Lichtung hielt ich mich nach rechts und kam wieder zum Strážovská cesta, dem ich südwärts folgte. An einem kreuzenden Weg ging ich nach rechts bis zum einstigen Forsthaus Beim Flössel/U Flesla mit einem kleinen Teich. In ursprünglicher Richtung nun auf dem Bezdězská cesta (Bösiger Weg) weitergelaufen, bog ich nach einiger Zeit ostwärts auf den Mariánská cesta (Marien Weg) ab. Nach einer kurzen Pause lief ich weiter. Von Bäumen teilweise beschattet, absolvierte ich die endlos scheinende Gerade, die dann doch nicht so ganz gerade war, wie es die Karte erscheinen ließ. Es ging leicht auf und ab und hatte auch einige kleinere Bögen nach links und rechts. Zwei mal sollte die Bahntrasse diesen Weg queren, ich bemerkte jedoch erst einmal nichts, das konnte noch spannend werden. So kam ich zur Straße Bělá pod Bezdězem (Weißwasser) - Kuřivody (Hühnerwasser), die ich als Ansatz-/Trennungspunkt der Trassenerkundung vorgesehen hatte. Zunächst ging ich jedoch entlang der Straße zur Lichtung am einstigen Forsthaus Eier-Brunn/Vejčín.
 
Erkundung der Bahntrasse
Zurück an der Wegkreuzung nahm ich die Spur der Bahntrasse in Richtung Dreizipfel auf. Direkt nach der Straße bog der stark mit Jungwuchs verbuschte Bahndamm nach rechts vom Mariánská cesta ab. Eine Begehung war nur im angrenzenden Hochwald möglich, dort jedoch durch alte Panzerstellungen ebenso mühsam. Ein Versuch auf der anderen Seite brachte dasselbe Ergebnis. Nach einiger Zeit führte die Trasse schräg an den Mariánská cesta heran und verlief ein Stück in Wegseitenlage. Im Bereich eines größeren freien Platzes erfolgte wohl einst ein Seitenwechsel. Der Abgang der Trasse nach links ist durch militärische Geländeüberformung heute nicht mehr auszumachen, so ging ich am Ende des Platzes rechtwinklig nach links in den Wald und fand dort einen Einschnitt vor. Diesem konnte man „recht gut“ folgen. Der Einschnitt wurde von einer Aufschüttung quer durch ein Tälchen und einem weiteren Einschnitt gefolgt. Die bisher deutlich erkennbare Trasse endete abrupt in flachem bewaldetem Gelände, wo kein Baum älter als 70 Jahre war, sprich die Trasse war forstlich überformt. Ich nahm einen Nordschwenk vor und konnte nach etwa 250-300 m den Trassenverlauf anhand einer Schneise wieder lokalisieren. Ein weiterer leidlich erkennbarer Nordschwenk führte die einstige Strecke zur rechtwinkligen Querung des Mariánská cesta. Auf dem Weg stehend, war diese durch militärische Geländeüberformung (Wälle) nicht mehr auszumachen. Auf der anderen Seite war nach etwa 30 m der nordwestlich führende Trassenverlauf wieder als Forstweg begehbar. Später folgten noch einige kleinere Einschnitte aber auch eine Verbuschung mit Kiefernjungwuchs, in der ich ein Wildschwein aufscheuchte. Ein längerer Einschnitt drehte die Trasse nordwärts und brachte sie an den Stará mělnická cesta heran. Durch seine Nutzung als Panzerfahrstrecke (starke Wellen) war die Bahntrasse in Wegseitenlage zerstört. Nach einer Weile trennte sich die Trasse nach rechts vom Weg und erreichte ein Areal mit Panzerlöchern und Kiefernjungwuchs, so dass ich die Trasse verlor. Ich geriet zu weit nach rechts und folgte einer als Wanderweg markierten Schneise nach Stražov. Hier wollte ich nicht so leicht aufgegeben und ging am Waldrand wieder südwärts, denn aus dieser Richtung war die Routenführung deutlicher erkennbar. Allerdings gab es unterwegs nochmals Panzerstellungen und eine Panzerfahrstrecke, so dass man ohne Kartenvergleich hier keine einstige Bahnlinie vermuten würde. An einer steilen und engen Kurve traf ich auf die Stelle wo ich zuvor die Trasse verloren hatte. Nun trabte ich auf dem frisch erkundeten Abschnitt wieder zur Wüstung Strassdorf/Strážov. Dort stieg ich zunächst in einen der Keller des einstigen Jagdschlosses hinab. Nach einer Trinkpause lief ich nordwärts weiter. Mit einem Linksschwenk wurde die Trasse an einen Waldweg herangeführt und verlief ein Stück in Wegseitenlage. Heute dort anzutreffende Strommasten und Mastfüße dürften nicht mehr aus der Bahnepoche stammen, sondern sollten später aufgestellt worden sein. Nun folgte ein Abzweig nach links. Die einstige Bahntrasse wird hier als Forstweg genutzt, nach einer Weile sogar asphaltiert. Zwei einstige Bachbrücken sind heute durch Rohre ersetzt worden. So kam ich zum einstigen Forsthaus Dreizipfel/Trojzubec. Neben dem Forstaus wurde die Bahntrasse auf einer mittlerweile verbuschten Eigentrasse einige Meter vom Forstweg entfernt geführt. Nach einer kurzen Strecke endete die Trasse auf einer Lichtung am Eingang zum Langen Grund, wo sich einst die Ladestelle Dreizipfel befand. Ich ging auf der Bahntrasse zurück, bis der blau markierte Wanderweg nach rechts abzweigte. Auf ihm lief ich eine Weile geradeaus bis zur nächsten Kreuzung. Nun waren es nur noch wenige Meter auf dem Strážovská cesta bis zum Wegabzweig an der Straße II/270, wo meine lange Erkundung endete. Die Begehung des beschriebenen Trassenabschnittes ist deutlich anspruchsvoller als der Teil I zu bewerten, weil einige Passagen zum Orientierungsverlust führen können.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 8 h 15 min. Die Schwierigkeit ist auf weiten Strecken als T1 zu bewerten, die Abstecher zu den Bergen, verbuschte Abschnitte der Bahntrasse sowie die Querung einstiger Panzerstellungen als T2.

Historische Karten: archivnimapy.cuzk.cz
Link zu Teil I

Tourengänger: lainari


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»