Piz Boè, 3152m - Comeback nach Babypause


Publiziert von Straniger , 21. Juni 2018 um 22:49.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:31 Mai 2018
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 922 m
Strecke:Passo Pordoi - Piz Boe - Sass Pordoi - Passo Pordoi
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Hermagor - Kötschach-Mauthen - Lienz - Bruneck - Corvara - Arabba - Parkplatz Passo Pordoi

Nach ca. 1,5 Jahren in denen ich jetzt nicht mehr in Südtirol unterwegs war, wollte ich es mal wieder wissen. In einem miserablen körperlichen Zustand - was sich mittlerweile schon zu einem Normalzustand entwickelt hat – nicht optimalen Bedingungen – noch sehr viel Schnee ab ca. 2500m und vorhergesagte Gewitter ab ca. 13:00 Uhr - war es Zeit für einen, wie man im Football so schön sagt „Hail Mary“, ein Versuch mit nur geringer Chance auf Erfolg.

„Los geht’s. Der Startschuss fällt um 8:40 am Passo Pordoi auf 2230m. Wenig bis gar keine Autos stehen am Parkplatz, noch weniger Leute stehen am Lift hinauf zum Sass Pordoi. Als ich das letzte Mal hier war, war das anders. Damals war es allerdings ein strahlend schöner Sommertag im August. Jetzt, Ende Mai, sind deutlich weniger Menschen unterwegs. So bin ich der Einzige der den gut ausgetretenen und gut sichtbaren Weg zum Piz Boè in Angriff nimmt.
Die ersten Meter zum Start der „Rinne“ rauf zum Rifugio Forcella Pordoi verlaufen problemlos über unspektakuläres Gelände, perfekt zum Eingehen und Warmwerden. Nach kurzer Zeit neigt sich das Gelände und ich stehe schließlich vor der Rinne. Da ich jetzt keinen Weg mehr ausmachen, ich die Richtung wo’s hingehen soll aber nicht bestreiten kann, bleibt mir nichts anderes übrig als die Rinne geradewegs in Angriff zu nehmen. Zuerst noch mühsam über Schotter – zwei Schritte vorwärts, einer zurück – dann nicht weniger mühsam im weichen Frühjahrsschnee, kämpfe ich mich langsam, aber wie ein Löwe und auf meinen Wanderstecken gestützt nach oben.
Am Rifugio Forcella Pordoi erwartet mich schließlich das, was ich die ganze Zeit schon erwartet hatte: sehr viel Schnee. Der letzte Grad hinauf zum Gipfel sieht aber relativ schneefrei aus, weshalb ich nach einer kurzen Pause auch weitergehe.
Vermutlich wäre ich aber auch weitergegangen, wenn’s aussichtslos gewesen wäre. Zu weit war die Anreise (ca. 190 km), zu schön beschäftige mich der Kampf gegen den Gipfel der ein Menschenherz auszufüllen mag – wie es Albert Camus so schön formulierte – und zu schön war es hier oben. Dort wo normalerweise jeden Tag hunderte Touristen von der Seilbahn Richtung Gipfel strömen, stampfe ich nun einsam Schritt für Schritt nach oben.
Zunehmend werde ich allerdings auch unruhig, weil die Wolken und das angekündigte Gewitter immer näher kommen und ich einfach nicht einschätzen kann, wie lange ich noch auf den Gipfel und retour zur Seilbahn brauchen werde.
Schließlich hat mein Leiden ein Ende und ich stehe allein am Gipfel des Piz Boè auf 3152m. Wieder ein normalerweise gut besuchter Gipfel, auf dem ich nun alleine stehe. Mittlerweile bin ich wirklich ein Fan von „antizyklischem Bergsteigen“. Trotz des heranziehenden Gewitters, ist die Aussicht am Gipfel besser als erwartet und ich versuche die Stimmung zu genießen. Allzu lang halte ich es allerdings nicht aus. Zu bedrohlich drücken die Wolken von Westen auf den Piz Boè zu.
Nach einem schnellen Foto für meinem Sohn mit einem seiner Stofftiere, ein Souvenir muss ich ja schließlich mitbringen, packe ich meine Sachen wieder zusammen und mache mich auf den Rückweg.
Ich komme zwar besser als erwartet voran, merke aber jetzt doch schon die nicht vorhandene Kondition und schwindenden Kräfte. Gott sei Dank hab ich schon im Aufstieg beschlossen - als Belohnung für die Strapazen – im Abstieg zur Bergstation zu gehen und mit der Gondel ins Tal zu fahren. Deshalb kommt es mir jetzt nicht als Niederlage vor und ich zögere am Rifugio Forcella Pordoi keine Sekunde und mache mich auf den Gegenanstieg zur Bergstation der Gondel. Mittlerweile hat mich das Gewitter erreicht und ich stampfe mit letzten Kräften und im strömenden Regen dem sicheren Hafen – der Gondel – entgegen.
Überglücklich über den wunderschönen Tag und stolz auf die geschaffte Leistung schwebe ich nun dem Tal entgegen und freue mich auf dem Heimweg."

 
Fazit:
Ein wirklich schöner Berg, ohne Gletscherkontakt und sicher einer der leichtesten 3000er der Alpen. Die wenigen Schwierigkeiten sind gut mit Stahlseilen abgesichert, notwendig wäre das meiner Meinung nach allerdings nicht.
Ideal zum anfangen oder Erfahrung sammeln und wer’s ganz gemütlich angehen will oder es eilig hat: mit Unterstützung der Gondel sollte man in einer Stunde am Gipfel stehen.

Tourengänger: Straniger


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