Vom Vieil Armand zum Hartmannsweilerkopf


Publiziert von Nik Brückner , 29. Mai 2018 um 21:59. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » Vogesen
Tour Datum:29 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 650 m
Abstieg: 650 m
Strecke:11,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Cernay herauf, oder über die Route des Crêtes.
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

Der Vieil Armand, elsässisch Hartmannswillerkopf, deutsch Hartmannsweilerkopf, ist eine Bergkuppe in den Südvogesen, die auf Grund ihrer exponierten und strategisch günstigen Lage mit Ausblick in die elsässische und Oberrhein-Ebene im Ersten Weltkrieg zwischen Deutschen und Franzosen erbittert umkämpft war.

Als ich vor Jahren in Freiburg lebte, führten uns unsere Erkundungstouren ins Umland auch auf den Vieil Armand. Die vier Kriegsjahre haben dort bis heute sichtbare Narben und Relikte hinterlassen. Ein gut erhaltenes und mühevoll gepflegtes System von ungefähr sechstausend Stollen und Unterständen und 90 Kilometern Schützengräben, dazu zahllose Drahtverhaue und Granattrichter zeugen von dem Stellungskrieg. Die ursprünglich bewaldete Bergkuppe wurde während der Kämpfe vollkommen kahl geholzt und -geschossen. Lange Zeit blieb sie nur spärlich bewachsen. Heute holt sich der Wald den Berg zurück.

Mich hatte der Besuch dort damals tief beeindruckt. Und als die Waldelfe und ich im Frühjahr 2018 ein paar Tage im Elsass waren, wollte ich zum Berg zurückkehren. Ich schlug eine Wanderung vor: auf, über und um den Berg herum. Wir wollten am Vieil Armand starten, und ein Jahrhundert zurück, auf den Hartmannsweilerkopf wandern, und dabei so viel wie möglich sehen, und so viel wie möglich lernen.


Durch einen Bergsattel namens Col du Silberloch (906m) ist der Vieil Armand von der höheren Bergkuppe Molkenrain getrennt. Zwischen den beiden Kuppen führt heute die Vogesenkammstraße Route des Crêtes hindurch.

Die Route des Crêtes war ursprünglich eine Militärstraße, die von den Franzosen während des Ersten Weltkriegs zur Versorgung der Armee bei der Eroberung des 1871 ans Deutsche Reich gefallenen Elsass gebaut wurde. Sie verläuft fast ununterbrochen auf westlicher Seite etwas unterhalb des Gipfelkamms und damit in Deckung vor deutschem Beschuss.

Auf dieser Straße kamen wir von Cernay herauf. Im Player: Meshuggahs "The Violent Sleep of Reason".

Es gibt am Vieil Armand einen historischen Lehrpfad, auf dem dem Besucher anhand 45 Tafeln die schreckliche Geschichte des Gebirgskriegs nahegebracht wird. Das sollte man beim ersten Besuch auch tun, die Tafeln sind sämtlich sehr informativ und führen durch einen durchwegs gut restaurierten Bereich. Wer aber wie wir die Bergkuppe auf eigene Faust erkunden möchte, dem empfehlen wir, sich vorab im 2017 von Bundespräsident Steinmeier und Staatspräsident Macron eingeweihten deutsch-französischen Museum die Karte "Hartmannswillerkopf/Vieil Armand - Carte touristique/Wanderkarte" des Club Vosgien zu besorgen. Das Museum ist gedacht als Symbol für die Aussöhnung beider Länder, bietet darüber hinaus aber auch viele historische Informationen und ganz praktische Hinweise und Hilfsmittel: Bücher vor allem, aber eben auch diese Karte.

Dort befindet sich auch das Monument National, die Gedenkstätte, die an die hier oben gefallenen Soldaten erinnert. Sie besteht aus einer Krypta mit einem katholischen, einem evangelischen und einem jüdischen Altar und dem französischen Nationalfriedhof Nécropole Nationale du Silberloch-Hartmannswillerkopf. Beides wurde nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 errichtet.


Wir besuchten die Krypta und wanderten durch den Cimitière National. Dann verließen wir den Friedhof und begaben uns in den wiedererstandenen Wald.

Hier, am tiefsten Punkt zwischen Monument National und Berg, beginnt ein historischer Lehrpfad, auf dem dem Besucher anhand 45 Tafeln die schreckliche Geschichte des Gebirgskriegs nahegebracht wird. Die Realität der damaligen Ereignisse wirkt umso befremdlicher, als man heute wieder durch schönen, lichten Bergwald wandert.

Der erste Weltkrieg begann im Oberelsass am 9. August 1914 mit der Schlacht von Mulhouse. Zu diesem Zeitpunkt maßen die Strategen dem Vogesenkamm noch keine Bedeutung zu. Im Dezember besetzten dann französische Truppen den Hartmannsweilerkopf, den Molkenrain und den Sudel. Vom Hartmannsweilerkopf aus kann man das Oberrheintal bis Colmar und nach Süden bis in den Sundgau übersehen.

Wir folgten dem Lehrpfad. Es geht zunächst entlang dem Boyau 0.

Ein Boyau ist ein Verbindungsgraben zwischen zwei Linien von Schützengräben. Durch solche Gräben rückten Soldaten in die vordersten Linien vor, Verwundete wurden auf diesem Weg hinter die Linien gebracht. Gleich links befindet sich die Eierstellung, die das weiteste Vordringen der Deutschen am Hartmannsweilerkopf markiert (sie hielten sie vom 9. Januar bis zum 5. März 1915).

Am 30. Dezember 1914 kam es zu einer Schießerei zwischen dem 123. Landwehr-Infanterieregiment und dem 28. Bataillon des Chasseurs Alpin. Dabei kam der württembergische Soldat Maximilian Ott ums Leben. Er war der erste Tote am Hartmannsweilerkopf.

Bald kamen wir zum Felsen von Sermet (905m), zu dem erste, französische Schützengräben führen. Er wurde während der Kämpfe zu einer wahren Festung ausgebaut, und war nur kurz in deutschen Besitz. Die herrliche Aussicht nach Norden zum Grand Ballon steht in seltsamem Gegensatz zu den Schützengräben, den unterirdischen Stollen und den rostigen Stacheldrahtverhauen, die heute das Gesicht des Felsens prägen.

Der Kampf um den Gipfel begann am 31. Dezember 1914. Die ersten schweren Kämpfe gab es dann am 19. und 20. Januar 1915: Der deutsche Angriff endete mit der Eroberung der Befestigung des Gipfels am 21. Januar, und in der Folge im Februar mit der Inbesitznahme des Geländes bis zum Silberlochsattel, einschließlich der Eierstellung.

Wir stiegen nun, dem blauen Ring folgend, zur deutschen Befestigung "Doppelkopf" (850m) ab. Hier ist ein kurzer Gang zu sehen, der in einer Gewehrstellung endet.

Von hier aus konnte man große Teile der Nordflanke des Bergs übersehen. Folgt man dem gelben Dreieck bergab, gelangt man an eine Linie ähnlicher Befestigungen, die die Namen Veilchenstein, Adlerhorst (na klar), Beskid und Felseneck trugen.

Wir blieben aber auf dieser Höhe und folgten dem blauen Kreis gen Osten, entlang dem "Etzelgraben".

Der erste von vielen klischeehaften, kriegerisch klingen Namen. Wir sollten unter anderem noch der Karlsfeste, der Wartburg, dem Felsennest und dem Adlergraben begegnen. Andere Namen sind nicht so leicht einzuordnen.

Dort, wo der Weg Richtung Süden schwenkt, stößt man auf die Kurve 7 (885m) einer Straße. Hier befindet sich auch das Fundament einer Seilbahnstation.

Die Deutschen bauten nicht weniger als eine Straße und drei Seilbahnen in die Ostflanke des Hartmannsweilerkopfs, um Material, Waffen und Versorgungsgüter auf den Berg zu schaffen. Kurve 7 der Straße befindet sich außerdem auf der Linie des maximalen französischen Geländegewinns vom 21. Dezember 1915.

Über die Station Bastion (870m) stiegen wir durch alte, restaurierte Schützengräben hinauf zu einer großflächigen Anlage namens Bischofshut (900m), die einem kleinen Dörfchen gleicht, oder, vielleicht sogar noch treffender, einer mittelalterlichen Burg.

Doch so verwunschen so ein Platz auch immer aussehen mag, es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie man angesichts solcher Orte romantischen Gefühlen den Vorrang vor Abscheu und Trauer gewähren kann. Sogar das Brotzeitmachen hier fühlte sich seltsam an.

Weiter ging es durch die Schützengräben, an einer Ruine namens "Friedensengel" (905m) vorbei.

"Friedensengel" ist einer jener Namen, die nicht eine martialische Kriegergebärde zum Ausdruck bringen, sondern den Wunsch nach Frieden. Andere Namen wie "Schwabenheim", direkt nebenan, "Bremer Ratskeller" oder "Neckar" mögen die Sehnsucht nach der Heimat ausdrücken. Seltsam, wenn sie, wie im letzten Fall, einem Minenwerfer gegeben wurden.

Durch den Ziegelrückengraben und vorbei an der Feste Hilda (930m) gelangten wir schließlich auf den Gipfel des Vieil Armand (956m).

In den vier Kriegsjahren wechselte die Bergkuppe vier Mal ihren Besitzer:

Nachdem die Deutschen im Januar und Februar 1915 den Berg erobert hatten, erfolgten im März und April Gegenangriffe der französischen Seite. Es gelang, die vorderste Stellung vom Silberlochsattel bis 150 Meter vor die Bergkuppe vorzutreiben. Dann eroberten die französischen Truppen Ende März nach erbitterten Kämpfen die Kuppe.

Im April folgten mehrere, äußerst verlustreiche Versuche der Deutschen, den Berg zurückzuerobern. Ende April hielten sie den Oberen Rehfelsen und den Aussichtsfelsen besetzt. Damit waren Kuppe und Westhang in französischer, der Osthang in deutscher Hand.

Während sich die deutschen Truppen in der Defensive hielten, richteten sich auf französischer Seite alle Anweisungen auf eine Offensive in Richtung Mulhouse, mit der Mission, den Eisenbahnverkehr zwischen Mulhouse und Colmar durch Artillerie und lokale Überraschungsangriffe zu stören. Der Hartmannsweilerkopf spielte bei diesem Vorhaben als Beobachtungsposten und Ausgangspunkt eine bedeutende Rolle. Im September und Oktober entbrannten die Kämpfe daher erneut. Nach mehreren dramatischen Angriffen eroberten die Deutschen kurzfristig die Bergkuppe. Der Gipfel wurde jedoch von den Franzosen schon am 15. Oktober 1915 zurückerobert.

Allerdings plante der französische General Dubail eine Befreiung des gesamten Massivs sowie ein Vordringen in Richtung Wattweiler und Cernay, als ersten Schritt einer großen Offensive auf Mulhouse. Bedeutende Mittel waren daher für den Angriff vorgesehen, der am 21. Dezember 1915 auf einer breiten Front begann: zwei Infanteriebrigaden und 239 Artilleriewaffen. An diesem Tag feuerte allein die französische Armee 250.000 Granaten ab. Am Abend des eiskalten Wintertags waren alle Ziele erreicht: Kuppe und Aussichtsfelsen wurden erobert, am Nordhang war man bis zur 700m-Linie vorgedrungen.

Der Erfolg konnte aufgrund mangelnder Reserven jedoch nicht genutzt werden und ein schneller deutscher Gegenangriff ermöglichte den Truppen bereits am folgenden Tag, das verlorene Gebiet zurückzuerobern. Am 23. Dezember nahmen die Deutschen zusätzlich die Anlagen Felseneck, Doppelkopf und Adlerhorst am Nordhang ein.


Wir folgten vom Gipfel aus der rot-weiß-roten Markierung zu einem Bunker namens "Bremer Ratskeller" (928), wo wir nun auf's gelbe Dreieck wechselten.

Der Bremer Ratskeller war ein vorgeschobener Beobachtungsposten, in dem ein ausfahrbares Periskop installiert war. Er war, anders als andere Stollen, mit Wellblechen in Eiform errichtet worden.

Uns interessierte, wie weit hinunter die Kriegsbefestigungen reichten, und wir wollten daher bis zum Hirtzenstein absteigen, einem im Hang dem Berg vorgelagerten Felsen, 400 Höhenmeter unter dem Gipfel. Und wir waren überrascht: Folgt man dem gelben Dreieck, steigt man praktisch durchwegs durch Schützengräben hinunter. Deren oberster trägt den klangvollen Namen "Himmelsleiter". Dabei passiert man eine Stellung nach der anderen: Moossappe, Kachelsappe, Hexenküche (780m), Feste Bamberg.

Eine größere Anlage ist die Feste Bamberg, auf 770m oberhalb des Unteren Rehfelsens gelegen. Nur wenige Schritte trennen diese beiden Stellungen, der Besuch nimmt allerdings ein wenig Zeit in Anspruch. Den Rehfelsen (767m) sollte man ersteigen (I), die Aussicht ins Rheintal und hinüber zum Schwarzwald, mit dem Belchen als Anziehungspunkt, ist wunderbar - und dementsprechend strategisch wichtig, weshalb der gesamte Fels von einem weitläufigen Stollensystem unterwühlt ist. Wer eine Lampe dabeihat, kann es, bei entsprechender Vorsicht, erkunden.

Am 30. Dezember nahmen die Deutschen auch den Unteren Rehfelsen ein. Die Kämpfe im Winter 1915/16 dauerten noch bis zum 8. Januar an, blieben aber bei über 7000 Toten und Verletzten auf beiden Seiten letztlich ohne Ergebnis: Die Front stand wieder bei ihrem ursprünglichen Verlauf.

Wir verließen den Unteren Rehfelsen, und stiegen, dem gelben Dreieck folgend, weiter ab. Es geht wieder durch Schützengräben, immer wieder passiert man Stellungen, doch nehmen nun die Gedenksteine zu. Man folgt einem Bachlauf, dann weisen die Schilder nach rechts, zum Hirtzenstein.

Hier wurden wir zunächst recht abrupt aus dem Weltkriegsszenario herausgerissen. Am Hirtzenstein gibt es einen Gasthof mit großem Parkplatz, und als wir dort ankamen, war gerade eine Festivität im Gang. Das passte so gar nicht zu der Atmosphäre, in der wir uns befanden.

Zum Hirtzenstein führt ein Naturlehrpfad hinauf, aber schnell wird das wieder weggewischt, wenn man auf die nächsten Stellungen stößt. Wir stiegen auf das Felsgipfelchen (553m) hinauf und erkannten sofort, warum: Von hier aus kann man die gesamte Südseite des Hartmannsweilerkopfs übersehen.

Ab etwa Mitte 1916 reduzierten beide Seiten ihre Truppen am Hartmannsweilerkopf, da in nördlicheren Frontabschnitten intensivere Kämpfe stattfanden. Danach fanden auf dem Berg im Wesentlichen nur noch Artillerieduelle statt. Beide Seiten beschränkten sich darauf, ihre Linien zu halten. Es kam noch zu kleinen Gefechten, Patrouillen und lokal begrenzten Überraschungsangriffen, die vor allem zum Ziel hatten, die Zahl der Kriegsgefangenen zu erhöhen.

Wir verließen den Hirtzenstein, und wanderten auf unserer Route zurück, bis das gelbe Dreieck sich vom breiten Weg ab- und den Berg hinaufwendet. Hier wanderten wir geradeaus, vorbei am Cimitière des Uhlans (615m), und hinauf zur Ostkante des Bergs. Wir waren überrascht: Hier, in diesem Gelände, sind keine Stellungen zu sehen.

Weiter oben wurde uns klar, warum das so ist. Eigentlich wollten wir die Ostkante hinaufsteigen, zum deutschen Jägerdenkmal und weiter zum Gipfel. Doch es stellte sich heraus, dass es kaum gute Karten vom Vieil Armand gibt - wir hatten jedenfalls keine, und die, die wir dabeihatten, war nur mäßig verlässlich. Wir beschlossen außerdem, den Mittleren Rehfelsen noch mitzunehmen, und von dort aus hinaufzusteigen, doch wie sich herausstellte, verlaufen die Wege hier vollkommen anders, als auf unserer eigentlich sehr detaillierten Karte eingezeichnet. Wir gerieten auf den "Mecklenburgerweg" und waren gezwungen, auf ihm bis zum Unteren Rehfelsen hinüberzulaufen - was wir erst bemerkten, als wir dort ankamen. Also zurück, einen Weg weiter oben. Auf der "Bergstraße" wurde uns dann klar, warum wir weiter unten keine Stellungen gesehen hatten: Am Weg passiert man die Feste Heiligenstedt (800m) am Mittleren Rehfelsen (800m) und das Felsennest 2, von denen aus man den gesamten Hang weiter unten kontrollieren kann.

Anders als auf unserer Karte eingezeichnet, kann man nicht von der Feste Heiligenstedt direkt auf den Berg steigen. Wir wanderten daher zur Ostkante zurück, die wir am Jägerdenkmal (825m) erreichten. Von dort aus wählten wir den rot-weiß-roten Weg, um zurück zum Gipfel zu gelangen.

Bis 1918 wurden am Hartmannsweilerkopf keine großen Angriffe mehr geführt. Am 15. November 1918, vier Tage nach dem Waffenstillstand, verließ die Nachhut des deutschen Landwehr-Infanterieregiments 124 endgültig den Vieil Armand.

Zwischen Feste Ratz und Feste Großherzog (930m) befindet sich heute das Mémorial du 152e RI (930m). Auf den Informationstafeln kann man sehen, wie die kahlgeschossene Bergkuppe vor hundert Jahren aussah, als die Kämpfe hier oben gerade vorüber waren.

1919 wurde hier ein sechs Meter hohes Kreuz errichtet, zu Ehren der Elsässer, die in die französische Armee eingetreten waren. Da andere Elsässer auf der deutschen Seite kämpften, mussten hier am Hartmannsweilerkopf Elsässer auf Elsässer schießen.

Wir wechselten zum roten Kreis und wanderten vorbei an der Feste Großherzog, durch Schützengräben, wieder hinüber zum Bremer Ratskeller (928m). Von dort aus führt der Lehrpfad ziemlich direkt zurück zum Cimitière National.

Am 4. November 1918 wurde bei einem Patrouillengang der letzte Tote am Hartmannsweilerkopf verzeichnet, ein deutscher Soldat des Landwehr-Infanterieregiments 124. In den Schanzenkämpfen hatten bis dahin 30.000 französische und deutsche Soldaten den Tod gefunden, etwa doppelt so viele waren verletzt worden. Ein Umstand, der dem Berg die Namen "Menschenfresser“ und "Berg des Todes“ einbrachte. Die Kämpfe am Hartmannsweilerkopf führten allerdings für keine Seite zu einem Ergebnis. Sie stehen heute beispielhaft für die Sinnlosigkeit des Krieges.

Die Waldelfe und ich kehrten zurück vom Hartmannsweiler Kopf in die Gegenwart des Vieil Armand und besuchten nun das neue Museum. Dort bekommt man noch einmal einen verdichteten Einblick in die Vorgänge oben am Hartmannsweilerkopf und in die Schrecken des Krieges.

Mit ca. 250.000 Besuchern pro Jahr auf der frei zugänglichen Plattform des Soldatenfriedhofs gehört die Gedenkstätte zu den meistbesuchten Destinationen des Elsass. Am 3. August 2014, dem 100. Jahrestag der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich, trafen sich am Hartmannsweilerkopf Bundespräsident Joachim Gauck und der Staatspräsident François Hollande. Am 10. November 2017 weihten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Staatspräsident Emmanuel Macron ein gemeinsames deutsch-französisches Museum zum Gedenken an die Gefechte ein. Das Museum ist gedacht als Symbol für die Aussöhnung beider Länder.

Besonders eindrücklich sind die persönlichen Erinnerungen und Aufzeichnungen der Beteiligten:

André Maillet, Gefreiter des 23. Infanterieregiments, schrieb im Dezember 1915: "Der Tag bricht an. Der Anblick ist schrecklich. Der zementierte Graben, dessen Überreste wir besetzt halten, ist angefüllt mit einem Durcheinander von Balken und Leichen. (...) Ich bin besiegt und bin am Boden des Abgrunds wo so viele Männer verzweifelt ihre Angst und ihre Schmerzen herausgeschriien haben. Die Wahrnehmung meiner Einsamkeit auf diesem blutigen, mit Leichen bedeckten Felsen erfüllt mich einen Augenblick lang mit unendlicher Hoffnungslosigkeit".

Der Tag des Waffenstillstands zeigt dann, wie die wirklichen Gefühle der überlebenden Soldaten waren. Da ist keine Spur mehr von Opferbereitschaft und Heldentod, da sind einfach nur Menschen. Überlebende.

Gustav Goes, ein deutscher Hauptmann, berichtete: "Freund und Feind stehen auf den Deckungen, winken einander zu, bewirten sich, doch vielen, vielen blutet das Herz. (...) Abend wird es. Noch einmal steigt das Feuerwerk der Raketen hoch, in allen Farben schimmern die Höhen, zittert die Ebene. In der Dunkelheit versinken sie."

Am gleichen Tag schrieb der französische Leutnant Jean Marot: "Waffenstillstand. Sofort stiegen die Fritz aus ihren Schützengräben und kamen um Tabak und Zigarren gegen Brotlaibe und Dosen mit Rindfleisch einzutauschen. Beobachtungsoffiziere auf dem Molkenrain bemerken diese Vorgänge und schleuderten strenge Befehle gegen die Verbrüderungen. Es half nichts."


Wer solche Sätze liest, der kann an die Lügen von Ruhm, Ehre und Vaterland nicht mehr glauben. Wer solche Sätze liest, versteht, dass das Leben das höchste Gut ist, das es zu bewahren gilt.

Doch die, die versuchen könnten, die nächsten Kriege anzuzetteln, lassen sich heute schon erkennen. Wir haben es versäumt, den Anfängen zu wehren, wieder einmal. François Mitterrand hatte Recht, als er sagte: "Le nationalisme, c'est la guerre!". Wollen wir hoffen, dass es nie wieder so weit kommt, wie hier, am Hartmannsweilerkopf, am Vieil Armand. Die Erde hat genug Hass, Krieg und Tod erlebt. Kriege machen niemanden ruhmreich. Kriege machen tot.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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Kommentare (2)


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Vielhygler hat gesagt: Danke!
Gesendet am 29. Mai 2018 um 23:13
Sehr interessanter, nachdenklicher, gut recherchierter und durch die Zitate und Bilder sehr bewegender Tourenbericht, der eigentlich ein (bebilderter) Essay ist...

Auch deinem Fazit am Ende stimme ich zu!

VG Andreas


Nik Brückner hat gesagt: RE:Danke!
Gesendet am 30. Mai 2018 um 09:41
Hi Andreas,

vielen Dank, freut mich. Ich hätte gern noch viel mehr Infos gebracht, es gäbe z. B. noch mehr ganz schreckliche Details aus Kriegstagebüchern zu berichten, aber dann wäre es noch weniger ein Tourenbericht geworden. Und man kann ja alles auf den Infotafeln und im Museum nachlesen.

Auf jeden Fall ist der Viel Armand ein Berg, der sich ins Gedächtnis einschreibt. Die Waldelfe und ich haben fest vor, dort wieder hinzufahren.

Gruß,

Nik


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