Kokořínsko: Ráj - Mšeno - Vrátenská hora - Ráj


Publiziert von lainari , 10. Mai 2018 um 12:51.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:29 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 7:15
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:26,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Ráj oder Zug der ČD (mehrmals täglich) oder Zug von KŽC (ein Zugpaar nur an Wochenenden und Feiertagen von 30.03.-28.10.) bis Mšeno
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 16 Mělnicko a Kokořínsko

Streckenlänge vs. Temperatur = unentschieden!
 
Ein warmer, fast schon heißer Frühlingstag wurde erwartet. Ich machte mich auf zu einer abwechslungsreichen Tour in die liebgewonnene Landschaft Kokořínsko (Daubaer Schweiz). Ab Dubá über die in schlechtem Zustand befindliche Straße II/259 fahrend, erreichte ich meinen Startpunkt im Ort Ráj (Rai) und hatte an einer Kreuzung die freie Wahl des Parkplatzes. Die ersten Meter der Wanderung führten talwärts entlang der Straße. Hier folgte ich einer roten Wanderwegmarkierung, die nach einiger Zeit über einen Pfad geführt wurde. Der Pfad streifte später ein Feuchtgebiet und verlief am Rande der Talsenke. Hinter dem Sumpf lag vom Pfad aus nicht erreichbar auf der anderen Talseite der Ort Vojtěchov (Albertsthal). In der hiesigen Tallage der Pšovka (Wrutitzbach) befinden sich einige Teiche und Feuchtgebiete. Zwei Teiche, ein größerer und ein kleinerer markierten den einstigen Standort der Boudecký mlýn (Baudenmühle), die nach 1945 einging und restlos abgetragen wurde. Die Ortschaften der Tallage gehörten zu Zeiten der Patrimonialherrschaften gemeinsam zum Gut Stránka (österr.: Stranka). Vorbei am Zugang zu den Felstürmen Pokličky gelangte ich in den Bereich einiger alter Felsenwohnungen. Oberhalb des Weges sah ich eine scheinbare Ansammlung von Kunststoffsäcken und vermutete eine Müllentsorgung. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Säcke „bewohnt“ waren, es handelte sich um eine Gruppe von ca. zehn Freiübernachtern in Schlafsäcken und ihr Gepäck. Weiter auf der linken Talseite laufend, passierte ich die Häuser der einst zu Kanina gehörenden Kleinsiedlung Na Dolle/Hlučov (österr.: Dull/Hlutschow).
Hier befand sich einst in etwa die Sprach- und Besiedlungsgrenze der Deutschböhmer. Diese war keine statische und scharfe Abgrenzung sondern sie verschob sich je nach politischer und kultureller Verankerung sowie dadurch entstehenden Mehrheitsverhältnissen, wie auch ein Vergleich zwischen der „Kreis-, Gerichts-, Völker-,…Karte des Königreiches Böhmen“ von Franz Raffelsperger, 1851 und der „Sprachen-Karte des Königreiches Böhmen“ von Anton L. Hickmann, ca. 1885 deutlich zeigt. Neben den traditionellen deutschen Namen für große böhmische Orte verfügte auch jeder kleinere Ort über eine österreichische Bezeichnung, die aber eher zur Vermeidung der Sonderzeichen diente und somit keinen größeren Erkenntnisgewinn bringt.
Auf der Suche nach einem Mühlenrelikt auf der rechten Talseite hatte ich wohl insgeheim mit einer alten Flurwegbeziehung gerechnet. Diese blieb aus, deshalb geriet ich recht weit talabwärts und nutzte die nächste Möglichkeit, einen wackligen Steg, zur Sumpf- und Bachquerung. An der Straße ging ich wieder talaufwärts, sah dabei einen sumpfigen Teich und dahinter Felsenkeller in der aus Sandstein bestehenden Talflanke. Über einen Pfad, der mit etwas Geschick auf einigen Ästen und Stämmen balancierend, leidlich trockenen Fußes genutzt werden konnte, kam ich zum einstigen Standort der einst zu Jestřebice (Gestrzebitz/Jestrebitz/Gestrebitz) gehörenden Mlýn Hlučov (Hlucower/Hlutschower Mühle). Das recht große Gebäude stand etwas von der Felswand entfernt und müsste bereits in den 1920er Jahren abgerissen worden sein. Überlebt haben bis heute etliche Felsenkeller, die als Speicher oder Ställe genutzt worden sind. Die Kellerböden waren größtenteils mit Wasser bedeckt und ohne besondere Ausrüstung daher nicht begehbar. Bei der Erkundung halfen wieder einige entlang der Felswand zur Überbrückung von Sumpfstellen ausgelegte Äste und Stämme. Zum Festhalten konnten Verwitterungsstellen des Sandsteines dienen. Als ich dazu in eine Mulde greifen wollte, bemerkte ich in letzter Sekunde Moos und bei genauerem Hinschauen ein Vogelnest mit frischgeschlüpften Jungvögeln. Danach ging ich vorsichtiger zu Werke. Entlang des einstigen Mühlgrabens kam ich etwas bequemer zurück zur Straße. Eine Treppe führte nun hinauf zu den Felstürmen Pokličky (Deckel). Eine feste Inkrustationsschicht hat im Gegensatz zum weicheren Unterbau der Verwitterung standgehalten und dadurch pilzförmige Felsen geschaffen.
 
Vorbei an den markanten Gebilden gewann ich auf dem blau markierten Wanderweg an Höhe. Im Verlauf führte der auch als Droužkovská cesta bezeichnete Weg auf etwa gleichbleibender Höhenlage oder nur leicht steigend durch einen schönen Mischwald. Dabei passierte er zwei Felsengassen, die Felsgebilde Obří hlava a žába (Riesenkopf und Frosch) sowie den Švédský val (Schwedischer Wall) aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Unterwegs legte ich eine kurze Pause ein. Später bog der Wanderweg scharf nach rechts hinunter in ein Tal mit dem einstigen Lesopark (Waldpark) Debř, der um 1915 mit Sehenswürdigkeiten nach dem damaligen Zeitgeschmack ausgestattet wurde. Viele davon sind mittlerweile verschwunden, leidlich erhalten haben sich:
-Přístřešek Romanov/muchomůrka (Schutzdach Romanow/Fliegenpilz),
-Husův památník (Jan-Hus-Gedenkstein),
-Přírodní divadlo Romanov (Naturtheater Romanow),
-Kokořínek (Burgmodell Kokorschin) und
-Krmítko (Futterhaus).
Langsam brachte mich die Vielfalt an Sehenswertem in Zeitnot, da ich am Bahnhof von Mšeno ein fahrplanmäßiges Date mit dem KŽC-Saisonschnellzug „Kokořínský rychlík“ vorgesehen hatte. Ich erreichte den Ortsrand von Mšeno (österr.: Mscheno) und verlor nach einer Weile die Wanderwegmarkierung. Über die Cinibulkova strebte ich stadteinwärts. Ein touristischer Wegweiser zeigte undefinierbar nach links zum Bahnhof, so dass ich die Palackého talwärts lief. Da hier nichts zu entdecken war, spurtete ich die Karlova wieder bergauf und kam über die Treppen Na Skaličkách zum Marktplatz. Das schöne Rathaus und andere Sehenswürdigkeiten würdigte ich keines Blickes, da die Uhr immer lauter tickte. Ein neuer touristischer Wegweiser schickte mich auf der Boleslavská stadtauswärts - eine Stadtdurchquerung im Zickzack. Die Havlíčkova hinabblickend, entdeckte ich die Bahnstrecke. Vorbei an einigen Gärten und am alten Güterschuppen erreichte ich gerade noch rechtzeitig den Bahnhof, sortierte mich neben einem schon anwesenden deutschen Fotografen ein und nahm die Ankunft des Zuges auf. Nachdem alle Fahrgäste ausgestiegen und alle Fahrräder entladen waren, sollte der Zug durch die Lok umfahren und für die abendliche Rückfahrt bereitgestellt werden. Das ortsunkundige Zugpersonal interpretierte offenbar den schriftlichen Fahrbefehl des Fahrdienstleiters unzutreffend und schlüsselte minutenlang erfolglos an der falschen Handweiche herum. Es entfaltete sich eine hektische Betriebsamkeit, um die Strecke wieder frei zu bekommen. Nachdem wieder Ruhe einkehrte setzte ich meinen Weg fort.
 
Ich ging zurück bis zur Havlíčkova und entdeckte an der Kreuzung wo ich vorher aufgebogen war in gegenläufiger Richtung die blaue Wanderwegmarkierung. Über das Anliegersträßchen Na Klůčku (Diese führte übrigens weiter zur Karlova, es hätte also auf dem Hinweg recht einfach sein können!) lief ich in der Folge weiter und bog nach rechts auf einen Wiesenweg ein, der durch ein Tal hinunterführte. Mittlerweile war es recht warm geworden und jetzt folgte der Offenlandteil der Tour. Nach geraumer Zeit bog der Flurweg nach links in ein Seitental ab. Hier waren deutliche Spuren eines in jüngerer Zeit erfolgten Starkregenereignisses zu sehen. An einer Stelle war das Gras des gesamten Talbodens bis etwa 25 cm Höhe mit Schlammspuren bedeckt. Kurz darauf durchquerte ich den Ort Skramouš (österr.: Skramausch). Dahinter führte ein Feldweg hinüber nach Lobeč (österr.: Lobes). Unterwegs befand sich eine Straßenkreuzung, die jüngst mit einem Radlader vom Schlamm befreit worden war, den es von den Feldern herabgespült hatte. Im Ort gab es ein Schloss und eine renovierte Brauerei zu sehen. Ich verzichtete auf Grund der Temperatur und des noch zu absolvierenden Weges auf Bierseligkeiten und ging in einen kleinen Park. Auf einer Bank legte ich eine ruhige Mittagspause ein, während am Freisitz der Brauerei bunter Trubel herrschte. Bei den Besuchern handelte es sich vornehmlich um Radtouristen. Weitergelaufen bog ich zunächst in ein Tälchen hinein, bevor sich ein Anstieg im Wald anschloss. Dahinter traf ich in Nosálov (Nosadl/Nossadl) ein. Im Zentrum des Örtchens befand sich ein sehenswerter zusammenhängender Komplex von Häusern in Volksarchitektur. Leicht ansteigend lief ich durch das Dorf hinauf. Mittlerweile war der Totpunkt der Tour erreicht, meine Marschgeschwindigkeit sank und ich stand kurz vor einer Überhitzung. An der Waldkante hinter dem Ort rettete ich mich zu einer Trink- und Abkühlpause auf eine schattige Bank.
 
Etwas erfrischt nahm ich die letzten Höhenmeter hinauf zur Rozhledna Vrátenská hora in Angriff. Der eigentliche Berggipfel lag etwas nördlich des Funk- und Aussichtsturmes im Wald. Aber weder Gipfel, Turm oder Steinbruch lockten mich zu irgendwelchen Zusatzaktivitäten. Über einen Hohlweg trudelte ich bergab und konnte mich dabei erholen. Dann ging es hinaus auf die Lichtung Na Fučíkovském, auf der sich in idyllischer Lage einige Gehöfte befanden. Dahinter stieg der Weg Richtung Wald etwas an. Nochmals legte ich eine Trinkpause ein. Ich folgte der blauen Markierung bis zur Kreuzung Pod Lipovým vrchem kurz vor Houska. Hier wechselte ich auf eine rote Markierung und bog nach links. Nach einiger Zeit zweigte an der Kreuzung Pod Drnclíkem an der Flanke des Berges Drnclík/Druclík (Dürtzlich) ein grün markierter Pfad ab. Da er interessanter war und das Tourenende greifbar näher rückte, wählte ich diese längere Variante aus. Der Pfad bekam herrlichen Bergpfadcharakter, verlief aber immer an der Sonnenseite des Berges durch lichten Kiefernwald. Unterwegs wurde ich von zwei Mountainbikern verfolgt, die die Räder zunächst schoben. An einem Gefälleabschnitt rauschte der Mann schließlich an mir vorbei. Seine Partnerin folgte vorsichtiger und beschwerte sich bei mir über seine Routenwahl, wenn ich ihre Worte richtig gedeutet habe. Einen Vorteil hatte seine Eile, das nächste Ziel übersahen sie beim Vorbeifahren und ich konnte in Ruhe die Reste der mittelalterlichen Burganlage Zkamenělý zámek/Hrad u Konrádova (Versteinertes Schloss/Burg bei Konradsthal) besichtigen. Die Burg wurde nicht aktenkundig, somit gibt es über den Namen, den Erbauer und die Geschichte nichts zu berichten. Man nimmt an, dass sich hier ein Herr des königlichen Gefolges aus Bezděz niedergelassen hatte. Eine Treppe aus touristischen Erschließungszeiten führte links des Burgfelsen hinauf zu einer Kletterstelle, wo ein kurzes Fixseil (T3) befestigt war. Auf dem Burgplateau legte ich eine Pause ein. Danach stieg ich ab, passierte einen idyllisch auf dem Felskamm gelegenen Rastplatz und verlor am Ende des ausstreichenden Riffs an Höhe. Nun kam ich zu den ersten Häusern von Konrádov (Konradsthal) ging jedoch nicht auf dem markierten Wanderweg in den Ort hinein sondern blieb auf einem Pfad links der Pšovka. Dieser schlängelte sich dann am Ufer des Weihers U vrby (An den Weiden) entlang. An seinem unteren Ende mit einem beschädigten Stauwehr traf ich wieder auf die rote Wanderwegmarkierung. Am Straßenrand legte ich die letzten Meter bis zum Ausgangspunkt in Ráj zurück und besuchte noch den spärlichen Rest des einstigen deutschböhmischen Friedhofs des Ortes. Am Endpunkt traf ich nach 26,5 km auf 26,5 °C Außentemperatur. Die Rückreise verlief zunächst entspannt, kam jedoch in der Böhmischen und Sächsischen Schweiz (Hřensko, Schmilka, Bad Schandau) durch eine wahre Blechlawine ins Stocken und kann an verlängerten Wochenenden/Feiertagen kaum mehr über diese Route empfohlen werden.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 7 h 15 min. Die Schwierigkeit ist auf weiten Strecken als T1 zu bewerten, der beschriebene grün markierte Pfad, einzelne Auf- und Abstiege sowie weglose Erkundungen als T2. Der fakultative Zugang zur Burganlage Zkamenělý zámek/Hrad u Konrádova hat die Schwierigkeit T3/I.

Tourengänger: lainari


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16 Apr 19
Entlang des Strenický potok · lainari

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