Ein rätselhafter Berg im Mangfallgebirge: drei Namen, zwei Höhen und kein Gipfel weit und breit...


Publiziert von Vielhygler , 15. April 2018 um 00:05.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum: 8 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 400 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:P. an der Deponie "Am Vorberg" Reichersbeuern, ohne Gebühr
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Keine Einkehren unterwegs
Kartennummer:DAV Mangfallgebirge West BY 13

Wie heißt mein heutiges Ziel? "KEHRBERG" (1043 m), sagt die amtliche Karte. Nein, "KAHRBERG" (1085 m) kontert die AV-Karte und legt nochmal satte 42 Hm drauf. In beiden Karten heißt dasselbe Bergl auch noch "VORBERG". Was sagt der Bayern-Atlas? Der äußert sich eindeutig zweideutig: "KAHRBERG" stimmt, "VORBERG" stimmt auch, nur über die Höhe schweigt er sich aus. Hmm...vielleicht noch Kompass Online? Nun, hier steht nix vom KEHRBERG oder KAHRBERG, hier heißt der Berg mit besonders großen Lettern einfach nur "VORBERG", basta. Und die Höhe? Da hält sich Kompass genauso bedeckt wie der Bayern-Atlas: Schweigen ist Gold...

Und Reden? Letzter Notnagel des ratlosen Vielhyglers waren Stammtische: Einheimische fragen! Aber da hat mich im Talgrund von Reichersbeuern und Greiling eine eherne Goldene Bergregel eingeholt: "Einheimische, die was wissen, sagen nichts und die, die was sagen, wissen nichts." Tja...und als ich dann -  noch vor der Tour - den Berichtsentwurf angelegt habe, hat nach zwei Weißbieren einfach mein Spontangefühl die neue Eintragung des Wegpunkts gemäß der AV-Karte entschieden als:

Kahrberg (1085 m)

Der Kahrberg ist im Grunde nichts anderes als die lange und sanft nach Nordosten ziehende Schulter des schönen Sulzkopfs (1279 m), der sich etwas nördlich des vielbesuchten Rechelkopfes (1329 m) befindet. Der Sulzkopf, den ich persönlich lohnender finde als den Rechelkopf, ist mit etwas Weggespür vom Rechelkopf oder der Schwaiger-Alm leicht zu erreichen. In diesem Bericht werden als Teil einer längeren Runde beide Wege auf den Sulzkopf beschrieben.

Der vom Sulzkopf abfallende, bewaldete Kahrberg ist mir immer wieder aufgefallen, weil auf ihm von Reichersbeuern oder Greiling aus gesehen kleine Lichtungsstriche, im Winter sogar freie Schneeflecken, direkt unterhalb des Gipfelrückens zu sehen waren. Auf der Karte sah er ebenfalls gut aus: direkt nördlich und unterhalb des P.1085 steht ein Gebäude (Hütte?) mit einem hell abgesetzten Lichungsfleck und einem Bildstock...ich habe mir jedesmal gedacht, "vielleicht geht da ja was", aber irgendwie habe ich den Kahrberg dann auch immer wieder im Dschungel meiner unzähligen Kleinprojekte aus den Augen verloren, mei, wie' s halt so geht... doch gestern, bei einer gemütlichen Gipfelpause auf dem Platten ist mir der Kahrberg wieder positiv aufgefallen und ich habe mir gedacht: gleich morgen kriegt er seine Chance und ich ergreife sie!

Die Tour (Hinweis: die AV-Karte gibt in diesem Gebiet den Verlauf der Straßen richtig wieder)

Ich fand es, was die Wegfindung betrifft, am sichersten, den Kahrberg über den Wanderweg R6 an der Großen Gaißach entlang nach Marienstein und eine von ihr zum Sulzkopf- Nordostgrat abzweigende Forststraße anzugehen. Die direktere Variante über die von vielen Gräben durchzogene Nordseite des Kahrbergs sah auf der Karte mit ihrem diffusen Gewirr diverser Karrenwege und Holzerstiche für den Aufstieg deutlich weniger vielversprechend aus (im Abstieg war das dann ganz etwas anderes).

Los ging es an der Deponie Reichersbeuern Es geht vom Gesperrt-Schild auf einer Wirtschaftsstraße 4 Minuten nach Westen, bis an einer freien Wiese der hier noch geteerte Normalweg von Greiling zum Rechelkopf erreicht wird. Nun in weiteren 7 Minuten auf ihm nach Süden zur Brücke über die Große Gaißach mit Bildstock. Schöne Blicke über die Attenloher Filzen. Ich folge der Ausschilderung "Rechelkopf" nach links, Osten und folge der ungeteerten Wirtschaftsstraße die Große Gaißach entlang. Nach 10 Minuten zweigt der Rechelkopfweg nach Süden ab. Ich folge der Straße die Große Gaißach entlang weiter. Viele Spaziergänger und Radler sind hier unterwegs, der Weg R6 von Marienstein nach Greiling ist sehr beliebt. Merkwürdig, daß weder an der Brücke, noch am Rechelkopf-Abzweig auch "Marienstein" ausgeschildert war.

Nach weiteren 5 Minuten erreiche ich den P 715. an der Brücke über die Große Gaißach. Vor der Brücke ein großer weiter Holzplatz. Hier eine Plakette "R6" und gleich zwei Schilder: "Marienstein 3,5 km". (Hier zweigen auch zwei in den Wald ansteigende Wege nach Norden ab. Den zunächst flacheren, linken, beschildert als: "Kerschbaumerweg", bin ich vom Kahrberg später wieder heruntergekommen, siehe Rückweg).

Nun über die Brücke und in 8 Minuten zu einer weiteren Brücke über den Bach. Nach weiteren 5 Minuten bleibt nach dem P. 734 eine Straße rechts liegen. Zwei Minuten später passiere ich ein Gebäude (auch in der Karte verzeichnet). Jetzt noch 5 Minuten, bis eine mit "Karrweg" beschilderte Straße rechts abzweigt.
Es folgt ein sanfter Anstieg in Wald, Wald, Wald...nach 15 Minuten kommt zur Abwechslung ein Schuppen, immerhin. Nach weiteren 13 Minuten eine weite Serpentinenkurve mit einem winzigen Blickfenster nach Nordosten. Im Zoom kann ich sogar den Waakirchener Kirchturm erkennen.

Nun hat die Straße den Nordostgrat des Sulzkopfs ereicht, sie verläuft direkt am Grat in mäßiger Steigung in südwestlicher Richtung auf den Kahrberg (1085 m) zu. Nach weiteren 15 Minuten macht die Straße einen Linksschwenk, ich kann allerdings auf einem Karren-Hohlweg direkt am Grat abkürzen: nach 9 Minuten erreiche ich eine weiß-blaue Stange und nach 2 weiteren Minuten wieder die Straße, die jetzt verschneit ist. War die ganze Wanderung bisher von braun-grünen Farbtönen bestimmt, mischt sich nun als Kontrast immer wieder schön blitzendes Weiß in' s melancholische Farbenspiel des Tannenwalds...

Nach 4 Minuten auf leicht verschneiter Straße verlässt die Straße wieder den Grat und quert nach Norden hinaus. Ich folge nun ihr und nicht dem Karrenweg, der direkt am Grat bleibt. Die Straße ist es nämlich, die mich laut Karte in die unmittelbare Nähe eines Hauses, eines Materls und eines weiteren Hauses mit einem vielversprechenden Lichtungsfleck führen soll.
Nach 2 Minuten erreiche ich das erste Haus in schattiger und verschneiter Umgebung. Nach 6 Minuten kommt die Straße dem Grat noch einmal nahe und quert dann auf die Nordseite zurück. Nun sind es noch weitere 7 Minuten, bis ich einen Karrenweg erreiche, der meine Straße kreuzt.

Diese Kreuzung, gewissermaßen die Wegfindungsschlüsselstelle, kann ich auf der Karte genau nachvollziehen. Nach links (etwa Süden) könnte ich gleich auf dem kreuzenden Karrenweg in zwei, drei Minuten den höchsten, in der AV-Karte mit 1085 m verzeichneten Punkt des Kahrbergs erreichen. Doch ich gehe zunächst denselben Karrenweg nach rechts (etwa Norden) hinab: hier müßen nämlich gleich Marterl, Haus und vor allem die Lichtung kommen, die mich erst hier hinaufgelockt hat. Jetzt bin ich gespannt! 

Die schöne Siglhütte

Nach weinigen Schritten abwärts steht  links vom Karrenweg tatsächlich das Marterl. Und von ihm aus kann ich auch schon einen Schornstein sehen und bald darauf eine blitzsaubere Hütte und einen ganz freien Lichtungsstrich darunter! Mission erfüllt: die Siglhütte, der"Sichtgipfel" des Kahrbergs ist erreicht. Ein Brunnen plätschert, die Sonne scheint und die Vögel trillern...ich lehne mich an die warme Hauswand, lasse den Blick schweifen und genieße...

Der Kahrberg: Kein Gipfel weit und breit...

Nach einer augiebigen Pause will ich mir natürlich noch den höchsten Punkt des Kahrbergs ansehen. Der Karrenweg führt am Marterl vobei zurück zur Kreuzung und von dort schnurstracks ansteigend in vielleicht drei Minuten zum Grat. Irgendwo hier müßte auch der P. 1085 sein. Doch einen höchsten Punkt in der Weise, daß es am Grat erst hinauf- und anschließend wieder hinunterginge, kann ich nirgendwo finden. Ein Grenzstein mit Stange und noch ein Grenzstein mit  noch einer Stange...das Gelände steigt vollkommen regelmäßig zum Sulzkopf an, ich hätte bestimmt noch mehr Steine und Stangen gefunden... kein Gipfel weit und breit. Bin ich enttäuscht? Ach woher, der ganze Grat ist sowieso überall komplett blickdicht, leider, was brauche ich da noch einen Gipfel? Da setz ich mich lieber noch eine Viertelstunde beim Sichtgipfel, der Siglhütte auf die Bank! Gesagt, getan...

Rückweg 

Von der Siglhütte geht es zum Marterl zurück und dann rechts auf dem Karrenweg nach Norden abwärts. Der Wegeg ist steil und etwas ruppig, aber er führt schnell in' s Tal der Großen Gaißach zurück. Heraus komme ich genau am P.715 und erfahre erst im Rückblick auf ein Gesperrt-Schild, daß ich den "Kerschbaumerweg" heruntergegangen bin.

Fazit

Lange und leichte Wanderung. Sehr schön ist es in den brettlebenen Filzen zuanfangs und ganz nett an der dahinplätschernden Großen Gaißach. Im weiteren Verlauf war die Tour sogar mir fast etwas zu waldreich und blickdicht.
Umso so überraschender kam dann die Siglhütte: ein wunderschöner Platz! Zur Siglhütte lohnt es sich durchaus, hinaufzugehen, aber eher auf dem "Kerschbaumerweg", also so, wie ich abgestiegen bin (siehe Rückweg). Hinweis: Das Straßensystem ist etwas diffus: der Kerschbaumerweg bleibt im Aufstieg bei Abzweigungen immer die größte und beste Forststraße.
Eine schöne Runde wäre auf jeden Fall: wie beschrieben über die Filzen und den Bach entlang zum P. 715 zu gehen und von hier den Kerschbaumerweg zur Sieglhütte zu nehmen und von dort nach Süden zum Grat und dann über den Kahrberg (wo immer sein Gipfel genau sei) auf Straßen und Karrenwegen immer am breiten Grat dahinwandernd zum schönen, aussichtsreichen Sulzkopf  zu gelangen. Diese Runde ließe sich ganz beliebig zu Rechelkopf & Co erweitern. Weitere Hinweise dazu *hier.


Tourengänger: Vielhygler


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Kommentare (4)


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bergteufel hat gesagt: Oh ja, diese Regeln
Gesendet am 15. April 2018 um 11:16
Servus Vielhygler,
dein Bericht macht richtig Spaß zu lesen. Vortrefflich formuliert. Wunderbar, wie du versuchst "Schwarze Löcher" der Kartografie zu erhellen. Und, diese "Einheimischen-Regel" kenn ich nur zu gut. Hinzu kommt noch die "Nachkartln-Regel". Beschreibst du Einen der "Ihren" (einen ihrer Berge), störst du massiv den geheimnisvollen Bergfrieden, was sie dir dann mit nicht allzu viel Bildungsgut behafteten Schreibattacken nachtragen.
Wünsche dir eine tolle Bergsaison, bis bald, alles Gute,
der Bergteufel

Vielhygler hat gesagt: RE:Oh ja, diese Regeln
Gesendet am 15. April 2018 um 17:51
Servus Bergteufel,

danke für dein Kompliment, das freut mich sehr. Ich wünsche dir auch eine tolle Saison.
Bis bald? Da müßtest du auch "bald" mal wieder was reinstellen! Da freu ich mich schon drauf, weil du so frisch und mitreißend berichtest. Eine deiner Touren letztes Jahr möchte ich unbedingt nachgehen. Vielleicht wirds mir aber unterwegs zu schwierig? Auch egal, verlorene Zeit gibts nicht in den Bergen...

Dir auch alles Gute!
Andreas

Nic hat gesagt: RE:Oh ja, diese Regeln
Gesendet am 15. April 2018 um 18:54
Ha, auf die Tour bin ich ja gespannt! :-)

Vielhygler hat gesagt: RE:Oh ja, diese Regeln
Gesendet am 15. April 2018 um 20:18
Ich auch!


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