Bergbauhistorische Erkundung bei Löwenhain


Publiziert von lainari , 19. Januar 2018 um 21:49.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum:30 Dezember 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 160 m
Abstieg: 160 m
Strecke:3,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis zur Bachbrücke an der K 9035
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge

Historischer Zinnbergbau
 
Für den vorletzten Tag des Jahres 2017 sagten die Wetterfrösche ein rechtes Schmuddelwetter mit Regen und bis zu 11 Plusgraden voraus. Der Morgen zeigte sich jedoch frostig und trocken, so dass ich zu einer kleinen bergbauhistorischen Erkundung aufbrach. Ziel war die Umgebung des Örtchens Löwenhain im Osterzgebirge. Hier hatte ich in meinem neuentdeckten Spielzeug dem Geoportal Sachsen erfolgversprechende Geländestrukturen ausgemacht und mit der Geologischen Specialkarte des Königreiches Sachsen No. 119 Section Altenberg-Zinnwald von 1888 abgeglichen.
Löwenhain (1340: Lewenhayn) wurde wahrscheinlich im 13. Jh. während der Rodung des Gebirgswaldes von fränkischen Siedlern gegründet und zunächst vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Relativ spät begann ein Bergbau auf Zinn. Im 16. Jh. soll es 3 Bergwerke sowie ein Pochwerk gegeben haben. Ab dem 18. Jh. sind folgende Anlagen urkundlich geworden:
·         Gabe Gottes und Hilfe Gottes Fundgrube 1734
·         Himmelfahrt Fundgrube am Hirschberg 1740, 1864-1925
·         Brand Kluft Erbstolln 1754
·         Helene Fundgrube 1763, 1917-1924
·         Vogelköpfe Erbstolln 1824-1871
·         Segen Gottes Fundgrube mit Erbstolln 1853-1923
·         Zufriedenheit 1918-1924
Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf das Vorhandensein von Bergakten und stellen keine durchgehenden Betriebszeiten dar. Diese Zeiträume beinhalten auch Haltezeiten, Zubußzeiten und Stilllegungen. Im Jahre 1788 zum Beispiel, soll von vier seinerzeit vorhandenen aktiven Bergwerken, dem Himmelfahrt Erbstolln, dem Himmelsfürsten Erbstolln, dem St. Paulus Erbstolln/Commungebäude und dem Verträgliche Gesellschaft Erbstolln lediglich letzterer 4 Zentner Zinn ausgebracht haben. Dass drei der Namen in der obigen Auflistung nicht auftauchen, dürfte in späteren neuen Mutungen der Bergwerke unter anderem Namen sowie eventuellen Zusammenlegungen begründet sein. In den Jahren zwischen 1914-1918 übernahm in den noch nicht ausgeerzten Löwenhainer Bergwerken die Zwitterstocks-Gewerkschaft aus Zinnwald die Förderung für die Kriegsmetall AG. Nach dem ersten Weltkrieg kam der Bergbau schließlich langsam zum Erliegen. Um 1928 wurde das Huthaus der Segen Gottes Fundgrube noch fotografisch abgebildet. Heute sind alle Übertageanlagen verschwunden.
 
Ich befuhr die Verbindungsstraße von Löwenhain nach Fürstenau und stellte das Auto nahe der Bachbrücke an der K 9035 auf einer alten Wegschleife ab. Diese war von Forstarbeiten recht verwüstet aber bei gefrorenem Boden und leichter Schneeauflage leidlich befahrbar. Ich startete zu Fuß und orientierte mich entlang des einmündenden Bächleins bergwärts. Im Waldsaum wurden erste kleinere Bergbauspuren sichtbar. Über windiges Offenland lief ich zur südlichen Basis des teilweise bewaldeten Hutberges hinauf. Die geologische Karte verzeichnet im Bergbereich vier Zinnerzgänge, deren Ausbeutung durch Schacht- und Tagebauhalden im Gelände gut verfolgt werden konnte. Im Gipfelbereich befand sich ein markiertes und von Stahlseilen umgrenztes Bergschadensgebiet mit offenen Schächten und zur Oberfläche durchgebrochenen tiefen Abbauen. An der Nordseite des Berges waren im Wiesenland Halden von Lichtlöchern eines offenbar vom Ort Löwenhain heranführenden Stollens sichtbar. Nun hielt ich auf den bewaldeten Talhang des Tales des Fürstenauer Baches zu. Der Hang ist vom Intensivbergbau geprägt. Die geologische Karte verzeichnet hier nicht weniger als 12 Zinnerzgänge, die größtenteils parallel im Hangverlauf liegen aber im Einzelfall auch kreuzen. Hauptförderanlage war die Segen Gottes Fundgrube mit Erbstolln. Einzelne Pingen sind markiert und von Stahlseilen umgrenzt, andere sind ohne Hinweis aber nicht weniger gefährlich. Nach welchen Kriterien die Gefährlichkeit bewertet wurde, ist nicht ersichtlich, es sind wohl einfach zu viele Löcher. An der Straße fand ich einen abgeschlossenen Einstiegschacht zum Erbstollen vor, die ausmündende Rösche war zum Bach hin verrohrt und der Hohlraum des Stollens wurde aus Traglastgründen unter der Straße verfüllt. Zwischen der beidseits des Baches befindlichen Haldenschüttung querte ich etwas abenteuerlich über einen umgekippten Baum das Gewässer. Die Reliefkarte des Geoportals weist den jenseitigen Hang „unverdächtig“ aus. Zum Erzeugen des Reliefbildes wird offenbar mit Streiflichteinfall von Westen gearbeitet, der auf der Ebene und an Osthängen markante Schattenstrukturen aufzeigt aber die Westhänge durch Auflicht vernachlässigt. Die geologische Karte verzeichnet im Bereich des Hirschberg genannten Westhanges der Klengelkuppe fünf parallel im Hangverlauf liegende Zinnerzgänge. Diese wurden über das Grubenfeld der Himmelfahrt Fundgrube am Hirschberg ausgebeutet. Am Hang sind dadurch wilde Pingenstrukturen entstanden, die größte Pinge ist eine offenbar durchgängige Kluft von etwa 300 m Länge, ca. 1-2 m Breite und 15-20 m Tiefe. Die ursprünglich tatsächlich abgebaute Tiefe lässt sich nicht mehr sicher feststellen. Der Gangverlauf ist dabei durch Tagesschächte und Firstbrüche teilweise offen und lässt sich gut verfolgen. Die Pingenzüge der parallelen Gangstrukturen haben hingegen nur wenige Offenstellen. Das Gelände ist von Stahlseilen umgrenzt und beschildert, was jedoch durch Naturereignisse wie umgestürzte Bäume nicht überall deutlich sichtbar ist. Ich querte zweimal durch den äußerst interessanten Bereich und stieg dann talaufwärts gehend zum Bach ab und traf wie geplant bei der Bachbrücke an der K 9035 ein. Hier erwartete mich noch eine kleine Überraschung - das Auto stand schräg! Im Bereich des rechten Vorderrades hatte die Eisschicht des Weges nachgegeben und das Rad war zu einem Drittel in den darunterliegenden Schlamm eingesunken. Nach vorn Weiterfahren ging absolut nicht mehr, doch mit einem moderaten Rückwärtsmanöver konnte ich mich aus der misslichen Lage befreien (@ Herr B: Und ich war nicht in Sielmingen!). Das Auto sah nun zwar nicht mehr ganz so sauber aus, befand sich aber wieder auf festem Untergrund bereit zur Heimfahrt. Zur Not hätte ich gar noch leichtes Schanzzeug zur Melioration des Platzes an Bord gehabt…
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 3 h.
Die Weglospassagen im Wald sind mit T3 zu bewerten, die restliche Strecke auf vorhandenen Wegen mit T1. Ich weise ausdrücklich auf die besonderen Gefahren des Altbergbaues hin, selbst außerhalb des markierten Bereiches sind durch Vegetation verdeckte offene Schächte und Verbruchstellen anzutreffen!
 
Informationsquellen:
Bestandsverzeichnisse Bergakten/Risse (Archivwesen Sachsen)
Reliefkarte: Geoportal Sachsenatlas
Historische Karte: Geologische Specialkarte des Königreiches Sachsen No. 119 Section Altenberg-Zinnwald (Deutsche Fotothek)

Tourengänger: lainari


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