Zwölferkofel, Cima Dodici, Croda dei Toni 3094m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 18. April 2018 um 14:45.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:31 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 900 m
Strecke:Rifugio Giosuè-Carducci - Zwölferscharte - Zwölferkofel
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Giosuè-Carducci oder Rifugio Zsigmondy-Comici oder Büllelejochhütte

Servus Bergsportler / -in!

Heute geht es auf den "Zwölfer" 3094m (Hauptgipfel). Normalweg. Italienischer Name: Cima Dodici oder Croda dei Toni. Hauptgipfel der Sextener Sonnenuhr. Der Chef in der "Sonnenuhr Liga".

Nachdem wir uns mit der Westlichen und der Kleinen Zinne beschäftigt hatten, sind wir, dem Wetter sei es geschuldet, erst um 21:30 Uhr auf der Carducci Hütte eingetroffen. Hier hat man Verständnis für Bergsteiger und es gibt auch zu später Stunde "Penne nach Art des Hauses". Anmerkung: Die Zsigmondyhütte ist viel kommerzieller ausgerichtet, verweisen einen sofort, wenn man reservieren möchte und erwähnt: "Wollen den Zwölfer besteigen", zur Carducci. Danke dafür. 
Weil wir so spät ankamen, trotz Reservierung, und weil die Hütten in der Region von Wanderindianern besetzt und belagert sind, bekamen wir 2 Extremfederliegen in verschiedenen Zimmern. Pünklich um Mitternacht gab es dann ein enormes Gewitter mit Starkhagel. Wow! Entscheidung: Frühstück 7 Uhr. Fehler, ein NoGo! Folglich: Start 8 Uhr, scheiß drauf. Ausgestattet mit dem VIer Dolomitenhändchen meiner Partnerin und meinem "Ziel ist der Gipfel"-Gen hegen wir keinen Zweifel diesen Hügel zu rocken.

Die Route:
Wanderweg hoch zum Giralbajoch, dann gleich links und unter der Zwölfernordwand durch zur Zwölferscharte (Forcella Cengia 2521m). Alles bestückt mit den Eisgraupeln der Nacht. Nur nicht nachdenken, außerdem ist`s Juli. Zur Scharte kommt man ebenfalls von der Zsigmondyhütte oder der Büllelejochhütte. Nun ansteigen auf deutlichem Pfad Richtung Westflanke und dann queren zu einem Überhangdach (Einstieg) mit Erinnerungskreuz. Man befindet sich jetzt unmittelbar am unteren Ausläufer, der von der Hohen Zwölferscharte herabziehenden Eisrinne oder was davon übrig ist. Der Einstiegspfad fällt mal so richtig deutlich aus, liegt der Verdacht nahe, daß schon etliche hier ihr Glück versuchten.
Man folgt den Steinmännchen über Schrofen ansteigend nach Süden, wendet dann bei einem Band und zurück zur Eisrinne. Diese kreuzen und dann vor einem Überhangriß an einer schwarzmarmorierten Wand nach oben, alles eindeutig (III eine Stelle). Weiter durch eine "versteckte" Rinne, zurück bis nahe an die Eisrinne, und man erreicht das untere Schotterband unter der mächtigen gelbschwarzen Westwand. Hier endet schlagartig der Steinmann Highway.

Jetzt gibt es 3 Möglichkeiten. 1) rechts, nahe der Eisrinne, ist an der Wand eine Felsschuppe, die eine Verschneidung mit der Wand bildet. Hier beginnt die Drasch-Variante und es kommt der Abseiler runter. Die Drasch ist übrigens mit neuen grünen Schlingenständen ausgestattet. Im Gipfelbuch ist sie des öfteren erwähnt. An der Schuppe und im Mittelstück sieht es stark nach einem IVer aus. Die Drasch bildet die direkte Linie zur Hohen Zwölferscharte. Wir haben das alles erst beim Abseilen herausgefunden. 2) Du querst auf dem Schotterband nach Norden und kommst zu einem Steinmann. Hier ist die Wand schwarz strukturiert. Das Hochklettern sieht gut machbar aus. Lt. dem Sextenerführer von Goedecke eine Alternative im SG III. Das Ganze endet wohl oben in der Steinrinne. 3) Unsere Wahl. Wir halten uns an die Beschreibung von Visentini von 1983.! Schmunzeln erlaubt, aber mit Visentini-Beschreibungen bin ich noch nie aufgesessen. Du querst auf dem Band weiter bis zu dem abstehenden Felszacken. Blick nach oben, wow, ein dunkler, moosversetzter, tropfnasser Kamin. Wieder so ein Klemmschusser dabei, tierisch geil. Als Zugabe einmal Duschen nach dem Hagelschlag der Nacht. Für meine Partnerin allerdings auch ein Ort, an dem sie zeigt, was sie drauf hat. Stark! Unter so einer Mooskugel durchzuschubsen, das hatte ich in meiner Kraxelkarriere noch nie. Es folgt ein weiterer Kamin, der den Unteren fast noch toppt (alles SG III+ lt. Literatur). Ob auf dieser SL nicht doch ein smartes IVer Händchen dabei ist, das laß ich mal außen vor. Dort wo es flacher wird, querst du nach rechts in eine Steinrinne (keine Schotterrinne). Diese kurz hoch (zu einer grottenförmigen Ausbuchtung), wo nach links (Norden) ein schmales Band ansetzt. Hier ein Steinmann. Es tut sich der Blick zur inneren Rinne des Zwölfers auf. Siehe dazu die Anmerkung. Wir entscheiden beim Steinmann am Band mit Blick nach oben: Schluß jetzt mit ZickZack durch diese Wand. Gerade hoch zum oberen Band (dies ist ähnlich der Visentini Beschreibung, allerdings steigt der noch etwas weiter zur Inneren Rinne). Was soll denn kommen, das unsere Bergsteigerfähigkeiten überfordert, deshalb Instinkt, Gespür und Gefühl fürs Gelände. Drei Seillängen braucht man (Felsqualität gut). Mit einem anhaltenden IIer und einer Passage III+ auf der letzten Länge (hier hat es zwei Schlaghaken!?) erreicht man das obere Band. Das war eine gute Routenentscheidung.    
Anmerkung: Vom Band mit dem Steinmann kann man in die Innere Rinne des Zwölfers queren und diese hoch. Sieht gut machbar aus, aber halt mit viel Schotter. Schnee und Eis gibt es nicht mehr. Dies ist auf dem Topo von Goedeke so verzeichnet.

Warum überhaupt diese Fragen. Ganz einfach, weil es für uns Deutschsprachige keine klare Beschreibung des Normalwegs auf diesen Topberg gibt. Im Internet findest du höchstens Prosaerzählungen einzelner "Ich-war-oben Typen". In der Wand suchst du vergebens nach Orientierungspunkten. Der Steinmann auf dem unteren Schotterband und der, nach der Steinrinne, sind alles was es an Hinweisen im Mittelstück gibt. Auch die von Goedeke eingezeichneten Abseiler, nichts ist zu sehen. Die Führe wurde absichtlich gesäubert. Und noch ein Märchen, rote Punkte gibt es nicht. Alles deutet darauf hin, daß die Draschroute heute als Normalroute gemacht wird. Wenn dem so ist, dann hat der Zwölfer einen der schwersten Normalwege der Dolomiten (deutlich vor der Hohen Gaisl). Ich glaube, unsere Routenwahl war schon nahe der leichtesten Normalführe.
 
Auf dem oberen Schotterband (hier haben wir das Seil eingepackt und erst beim Abseilen wieder rausgeholt) querst du auf einem Trampelpfad mit kurzer Kriechstelle zur Hohen Zwölferscharte über der Eisrinne. Weiter geht`s auf deutlicher Spur tief in die Ostflanke. Steinmänner leiten einen dann im SG II kurz eine Rampe hoch und dann linksseitig vom Felssporn (Felsgesicht, III-) auf einen Absatz. Weiter auf breitem Grat zum sichtbaren Gipfel.

Es erwartet einen ein Alustangengipfelkreuz mit Plastiknippel. Ein Gipfelbuch mit höchstens ein Dutzend Einträge pro Jahr (etwas mehr als beim Elfer). Gefühlt stehst Du auf dem König der Dolos. Ein Bergsteigerherz erfüllt es mit großem Glanz auf diesem Paradeberg zu stehen. Zurecht stellt der Zwölfer den Mittelpunkt der Sonnenuhr dar. High Noon in Sexten, das paßt gut. Mega strong.
Der erlesene Kreis der Gipfelbesucher erklärt wohl auch, daß Mainstreambergsteigen wie an der Großen Zinne hier nicht stattfindet.
Denkt bitte dran, dieser Dolomitenberg hat schon einige Menschenleben gefordert und viele Seilschaften sind gescheitert. Es ist bis heute natürliches Bergsteigen. Motto: Der Gesunde weiß nicht, wie reich er ist.

Abstieg: Im oberen Abschnitt kann man beim abstehenden Zacken (Gesicht) einmal abseilen. Dann auf Trampelpfad zurück zur Hohen Zwölferscharte. Wir waren spät dran, aber Glück gehabt, der Wettermacher schickte uns seit einer Woche erstmals kein Gewitter. Unmittelbar bei der Scharte, auf der abschüssigen, kleinen Schotterrampe (siehe Foto, gut einprägen) beginnt der Abseiler. Wenn man spät ist, dann ist es ein Muß den Abseiler zu suchen, bevor man den Gipfel angeht. Nach dem schweren Bergführerunfall gibt es hier die modernste Abseilpiste, die ich bis heute nutzen durfte. Du kommst raus unter der ersten IIIer Stelle beim Überhangriß. Bis dorthin hast du dir alles gemerkt (viele Steinmännchen) und wanderst gemütlich nach Hause. Soll heißen: Mit Stirnlampe komm` ich gut runter. Danke dafür.
Auf der Abseilpiste gilt: Niemals nach links (Richtung Eisrinne). Suche den nächsten Abseiler voraus oder leicht rechts (Sicht von oben, nördlich) !!!!

Fazit: Es ist eine sehr ernste und gefährliche Bergfahrt. Der "Zwölfer" ist ein Non plus ultra für Dolomitengipfelsammler!
A Lätschnbene derfst koana sei wannst da aufikroalst.

Danke an meine Kletterpartnerin, du bist klasse.

Jetzt wünsche ich euch viel Erfolg, wenn ihr dieses Abenteuer angeht und hoffentlich könnt ihr es genießen. Ausrüstung ist klar, kleiner Klettersatz und 50m Seil.

Als Literatur hatten wir:
Sextener Dolomiten, Luca Visentini, 1983, Verlagsanstalt Athesia GmbH, ISBN 88-7014-319-8
Sextener Dolomiten extrem AVführer, Richard Goedeke, 2003, Bergverlag Rother, S.191ff., ISBN 3-7633-1255-2. Lediglich ein Topo, die Sicherungspunkte gibt es nicht mehr, die Abseilpiste ist falsch eingezeichnet. Hilft nicht wirklich.
3000er in den Alpen - Die Normalwege, Richard Goedeke, 2004, Bruckmann Verlag, ISBN 3-7654-3661-5, Tour 21.

Würde mich freuen über einen Kommentar, der deine Besteigung erzählt. Vielleicht fügt sich dann das Puzzle des Normalwegs zusammen. Ich kenne einige Bergsteiger, die scharf wie Lumpi auf eine deutschsprachige Beschreibung sind.

Hier findet ihr die weiteren Gipfel der Sextener Sonnenuhr.

http://www.hikr.org/tour/post128598.html

Zurück zu unserer mehrtägigen Unternehmung. Zum zweiten Mal sah ich das Giralbajoch bei Nacht. Die tibetischen farbenfrohen Wimpel gegen das Mondlicht, das hat auch was. Auf der Hütte gab`s dann Gemüsesuppe für die "Allerletzten"... hi hi, wir waren nicht allein. Unsere Liegestätte haben wir schon in der Früh reserviert, alles Bestens. Die innere Stimmung war klasse, die Motivation, naja, mein Vorschlag um 5 Uhr loszugehen, wurde schon beim Aussprechen Makulatur. Das Ziel aber blieb: der Elfer.
http://www.hikr.org/tour/post125072.html

Berg Heil, habe die Ehre
der Bergteufel



Tourengänger: bergteufel


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

georgb hat gesagt: Rudi l'Orologiaio
Gesendet am 14. August 2018 um 17:31
Gratuliere zur Uhrmacherprüfung!

bergteufel hat gesagt: Der Uhrmacher
Gesendet am 15. August 2018 um 20:17
Danke Dir.
Mut steht am Anfang Deines Handelns, Gipfelglück am Ende.
Wenn`s denn so einfach wäre.
Du kannst das Georg, schnapp` Dir die Uhr und werde ein elitärer "Uhrmacher" der Sextner.
Viel Erfolg Kamerad.


Kommentar hinzufügen»