Pizzo Painale 3248m


Publiziert von Cubemaster , 3. Oktober 2017 um 11:22.

Region: Welt » Italien » Lombardei
Tour Datum:30 August 2017
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m

Ein weiteres Projekt in meiner Lieblingskategorie "Unbekannte Berge", welches ich dieses Jahr verwirklichen konnte, war eine Besteigung des Pizzo Painale im südlichen Teil der Berninagruppe. Nach einer Besteigung des nur etwa 2 km weiter nördlich gelegenen, deutlich bekannteren Pizzo Scalino war meine Entscheidung gefallen, es bei der nächsten Gelegenheit zu versuchen. Da es im Prinzip keine aussagekräftigen Berichte zu dem Berg gibt, war das größte Problem nun die Entscheidung, welche Route die größten Erfolgschancen versprach.

Der Nordgrat scheint hin und wieder begangen zu werden, sieht aber ordentlich schwierig aus und ein Ausweichen in die schattigen Flanken daneben dürfte auch nicht gerade vorteilhaft sein. Eine eingehende Begutachtung der Nordseite während meiner Tour zum Pizzo Scalino untermauerte diese Einschätzung noch einmal. Die Südseite des Berges scheint ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt zu sein, hier habe ich nur sehr wenig Infos gefunden. Nachdem ich den Südgrat auch ausgeschlossen hatte, blieb noch die Möglichkeit durch die komplett unbekannte Südostwand zu steigen. Wäre das tatsächlich noch sinnvoll oder schon Übermut?

Nach eingehendem Abwägen aller Aspekte kam ich zu dem Schluss, dass man das durchaus mal versuchen darf, stellte mich aber auch gleichzeitig mental auf ein Scheitern ein. Denn wie groß war schon die Chance, eine solo machbare Linie durch die Wand zu finden, die vor mir noch niemand entdeckt und im Internet veröffentlicht hatte? Im Nachhinein ist es schon etwas verrückt, dass genau das eingetreten ist! Und ich möchte hier noch anmerken, dass es wirklich eine äußerst schöne, anspruchsvolle aber auch solo gut machbare Route ist, die ich mit Freude weiterempfehle! Da ich keinerlei Begehungsspuren gefunden habe, werde ich die Route solange als "Cubemaster" bezeichnen, bis mir jemand einen Beleg einer früheren Besteigung zusendet. :-)

Früh morgens fuhr ich ins Val Fontana und folgte der Straße talaufwärts bis auf ca. 1400m der Asphalt endet. Da hier keine Parkmöglichkeit war, musste ich noch ein kleines Stück weiterfahren. Vorsichtig hoppelte ich im ersten Gang durch einen kleinen Fluss, der über die sowieso ziemlich ruppige Schotterstraße fließt. Unmittelbar dahinter haben links etwa 4 Autos Platz, dort stellte ich meinen Wagen ab. Etwa 5 Minuten lief ich noch die Straße hinauf, bis links eine Brücke über den Fluss führt (Schild Richtung Alpe Vicima). Nach etwa 10 Minuten erreichte ich die Alpe Selva, wo der schmale Fahrweg abrupt endet. Hier fragte ich mich das erste (aber lange nicht letzte) Mal an diesem Tag: Und Nu?

Ich folgte ein paar verstreuten Steinmännchen und sporadischen Wegspuren die nassen Wiesen hinauf. Auf knapp 1600m führt links eine Holzbrücke über den Fluss, die aussieht als wäre sie mindestens 100 Jahre alt. Nach einer Überquerung derselben findet sich eine bessere Steigspur. Diese führt durch die Wälder an der südlichen Talseite, an der verfallenen Alpe Basalone vorbei und schließlich wieder zurück auf die Wiesen im Talgrund, wo sie sich wieder verläuft. Und Nu? Glücklicherweise entdeckte ich auf ca. 1750m den Abzweig nach links, der einen üblen Gürtel aus dichtem Gestrüpp umgeht. Dahinter folgte ich dann einigen Steinmännchen durch ätzendes Unterholz, hohe Wiesen und den Fluss hinüber auf die rechte Talseite. Hier gibt es eine Steigspur, die zwar teilweise komplett von Gras überwuchert ist, aber immer noch ganz gut zu finden ist.

So erreichte ich schließlich den oberen, flachen Teil des Valle Vicima mit den Ruinen der Alpe Vicima. Hier ist die Steigspur in den hohen Wiesen verschwunden, am besten folgt man den Wiesen rechts an den Ruinen vorbei. Ich fand etwas weiter oben die Spur wieder und folgte ihr bis in den Talschluss des Valle Vicima auf ca. 2300m. Nach einem weiteren "Und Nu?" entschied ich mich dafür über einen grasigen Rücken etwa in nördlicher Richtung hinauf ins Valle Molina zu steigen. Das funktionierte ganz gut bis die Wiesen auf ca. 2600 Meter in grobes Geröll übergingen. Durch dieses ackerte ich mich voran und umging einen großen Felsriegel an der rechten Seite (ca. 2700m).

Sobald es möglich war, stieg ich links hinauf und steuerte nun durch noch gröberes Geröll auf einen nicht umgehbaren Wall aus losem Geröll zu. An der niedrigsten Stelle wühlte ich mich die 6 bis 8 Meter hinauf und konnte nun erstmals mein Ziel sehen. Über weite, aber deutlich besser begehbare Geröllfelder hielt ich jetzt genau auf die Südostwand des Pizzo Painale zu. Durch eine kleine Senke gelangt man an die finalen Geröllhänge. Diese erklomm ich zuerst rechts haltend über die Stellen, die noch am wenigsten locker aussahen, und weiter oben leicht links haltend. So erreichte ich schließlich den Wandfuß.

Über eine einfache, nach links oben führende Rampe (I) steige ich in die Wand ein. Auf dem kleinen Plateau sehe ich mich zuerst einmal um und stelle schließlich fest, dass der rechte Wandteil äußerst plattig und unangenehm ist. Also klettere ich über eine weitere Rampe noch einmal nach links oben hinauf. Diese ist schon etwas anspruchsvoller, der nicht ausgesetzte Einstieg ist relativ schwierig (II bis III), dann geht es besser. Oben halte ich mich kurz rechts und stehe auf einem Vorsprung, der sich durch seine rötliche Färbung deutlich vom Rest der Wand abhebt.

Unmittelbar hinter dem Vorsprung sieht die Wand kletterbar aus, das helle Gestein macht einen sehr soliden Eindruck. Nach einer Beurteilung bin ich mir nicht sicher bin, ob man im Falle eines Sturzes auf dem Vorsprung liegen bleiben würde. Sehr vorsichtig gehe ich deshalb die Stelle an und bin erleichtert, dass es nicht zu schwierig ist (II). (Auch wenn dies definitiv nicht die schwierigste Kletterstelle der Route ist, war sie doch aufgrund der Ausgesetztheit für mich die Schlüsselstelle.) Oben eröffnet sich mir nun ein deutlich flacherer Teil der Wand. Durch eine einfache Rinne kraxele ich weiter nach oben (I), bis das Gelände wieder steiler und plattiger wird.

Weiter links sehe ich allerdings eine Verschneidung, die viel Struktur zu bieten scheint. Über Geröll quere ich dorthin (Gehgelände). Die Verschneidung selbst ist im unteren Teil doch etwas haarig, aber links daneben sieht es bei näherer Betrachtung ganz gut aus. Ich klettere, der Struktur folgend, nach links oben hinauf (II bis III), bis das Gelände wieder einfacher wird. Hier entdecke ich eine kurz Rinne, die ich ebenfalls schnell hinaufkraxele (I). Und Nu? Hier scheint es nun mehrere Möglichkeiten zu geben, aber ich habe mit der Richtung "links oben" jetzt einige gute Erfahrungen gemacht. Also begutachte ich die nächste Verschneidung, die nach links oben führt. Auch diese sieht machbar aus. Wiederum etwas links der eigentlichen Verschneidung ist viel Struktur und ich klettere diese hinauf bis auf ein kleines Podest.

An dieser Stelle kommt mir erstmals der Gedanke, dass ich vielleicht tatsächlich den Gipfel erreichen könnte, denn ein weiteres Flachstück liegt nun zum Greifen nah. Über ein sehr schmales Band überquere ich den oberen Teil der Rinne bzw. Verschneidung und eröffne mir so diesen Wandteil. Jetzt ist definitiv Schluss mit "links oben" und ich quere die komplette Wand nach rechts außen bis zum Ostgrat. Über ein paar einfache Kletterstellen (I bis II) erreiche ich die Gratschneide, aber der weitere Gratverlauf sieht steil und plattig aus. Also kraxele ich weiter rechts herum und finde eine gut begehbare Rinne knapp hinter der Gratschneide, die ich hinaufklettere (I bis II).

Oben erreiche ich leicht wieder den Grat und folge diesem bis vor den Gipfelaufbau. Eine glatte Platte erweist sich als harmlos, aber direkt darüber ist ein ca 1,5 Meter hoher absolut senkrechter Block, der nicht die geringste Struktur aufweist. Ausschließlich mit Armkraft wuchte ich mich auf den blöden Block (II) und kraxele die letzten Meter zum Gipfel hinauf. Ich setzte mich erschöpft hin und kann es nicht fassen, dass es tatsächlich funktioniert hat. Mit einem herrlichen Blick auf die Berninagruppe genieße ich meine Gipfeljause.

Natürlich bin ich über den gleichen Weg abgestiegen, wobei ich auch auf keine größeren Probleme gestoßen bin. Insgesamt hat mir die Tour unglaublich viel Spaß gemacht: Der wilde Zustieg, die tolle Linie durch die Wand und das nahezu perfekte Wetter, welches die ganze komplizierte Tour ohne Zeitdruck und Stress zugelassen hat. Ich glaube, dass ich an diesem Tag ganz nah dran war an dem Gefühl, das ein Erstbesteiger haben muss.

Bemerkungen:
Ausrüstung: Ich hatte nur einen Helm dabei, Sicherung mit Seil wäre in der recht plattigen Wand eher schwierig, d.h. es gibt kaum Möglichkeiten für Köpfelschlingen. Man müsste mit Klemmkeilen, Friends oder am eigenen Körper sichern.
Zustieg: Der Weg durchs Valle Vicima ist wirklich schwierig zu finden, ich habe die Spur mehrmals verloren und weiter oben wiedergefunden. Ich kann jedem, der dort hinaufsteigen will, nur raten, sich alles vorher genau anzuschauen. Sehr hilfreich ist die topographische Karte der Schweiz. Da der Berg sehr nah an der Schweizer Grenze liegt, ist die komplette Tour sogar auf der 1:10000 Karte noch zu sehen.
Schwierigkeitsgrad: Ich habe lange überlegt, ob ich die Kletterei noch mit II (und damit WS+) oder doch schon III (also ZS-) bewerte. Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich die Tour lieber etwas zu schwierig als zu einfach bewerte. Es gibt keine wirklich senkrechten Stellen auf der Route, aber man muss schon ordentlich zupacken und vielleicht auch mal den ein oder anderen kleineren Griff bzw. Tritt nehmen. Für mich war das alles im Rahmen für eine solo-Begehung. Letztendlich muss jeder das für sich selbst beurteilen, der die Route klettern möchte.

Der Pizzo Painale war Gipfel Nr. 136 / 163 meines großen Projekts "Alle 3000er der Ostalpen mit mindestens 400m Schartenhöhe". Mehr Infos auf meiner Homepage.

Tourengänger: Cubemaster


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Kommentare (3)


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danicomo hat gesagt:
Gesendet am 3. Oktober 2017 um 11:58
Ullala... che bello.
Bravo!
Daniele

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. Oktober 2017 um 14:46
Mille grazie!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 28. November 2017 um 20:16
Vogelwuide Tour a' la Cubemaster.....sehr interessant!


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