Das erste Mal in den Dolomiten: Cima Grande di Lavaredo / Große Zinne


Publiziert von ZvB , 10. September 2017 um 16:41.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum: 8 September 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 680 m
Abstieg: 680 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Toblach in Richtung Cortina, dann links ab nach Misurina und zuletzt auf der Mautstraße (25,-€/Tag, 7,-€ jeder weitere Tag) direkt zur Auronzo Hütte. Man könnte fast sagen:"Man steigt in München ins Auto bereits in die Große Zinne ein..."

Es ist ein frischer Morgen. Mein Blick trifft auf die Große Zinne. Da ist dieses mulmige Gefühl im Magen. Es ist dieses Gefühl, bei dem du nicht weißt, ob dir wirklich schlecht ist oder ob du nur aufgeregt bist. Vielleicht war es aber auch nur der Rotwein vom Vorabend...
Die Geschichte von meinem allerersten Besuch in den Dolomiten beginnt vor zwei Monaten in München. Ein Pausengespräch mit meinem Arbeitskollegen Wolfgang lies die Idee von "der Großen Zinne über den Normalweg" entstehen. Die Umsetzung der Idee lag für mich zu dem Zeitpunkt noch in weiter Ferne. Jetzt zwei Monate später ist ein Bergführer gemietet und ein Zimmer in der Rif. Auronzo gebucht ...


Unser Bergführer, Heini lautet sein Name, begrüßt mich um sieben Uhr vor der Hütte. Jetzt muss nur noch Wolfgang gefunden werden. Ah, da ist er ja schon.
Helme? Haben wir! Klettergurt? Haben wir!
Brauchen wir die Kletterschuhe? Die könnt ihr im Auto lassen. Da oben gibts einiges Geröll.
Heini hat die Große Zinne schon ca. 540 Mal bestiegen. Was er sagt gilt, gelle?

Schon sind wir auf dem Weg. Schnell stellt sich heraus, dass wir heute mit geschätzten 170 Jahren die älteste Seilschaft sein werden. Im Moment sind wir auch die letzte. Wir legen ein paar Meter vor dem Einstieg in die Normalroute bereits die Klettergurte an, um nicht durch Steine der vorausgehenden Seilschaften getroffen zu werden. Schon geht es über die Rampe in gutmütigem Gelände (I-II) hinauf. Bereits in der 1. Scharte haben wir die vorausgehenden Seilschaften eingeholt.

Über die zweite Scharte bis hin zur dritten Scharte bewegen wir uns im leichten Fels. Hier überwiegt der Schutt. Kletterpantoffeln wären wirklich fehl am Platze. In der dritten Scharte ist die erste Hälfte gemeistert und laut Heini geht es jetzt erst richtig zur Sache.
In der Tat, es folgt diverse Kletterpassagen über mehrere Bänder rechts von einer Rinne, die steil nach oben zieht und in einem riesigen Kamin ausläuft. Das ist aber glücklicherweise nicht der Innerkofler-Kamin, der gemeinhin die Schlüsselstelle des Normalwegs markiert. Der Innerkofler-Kamin befindet sich weiter rechts. Am Standplatz vor dem Kamin und im Kamin herrschen bereits betriebsame Hektik und hektische Betriebsamkeit. Gutes Zureden und auch etwas Zug auf dem Seil hilft, damit die Bergführer ihre Klienten über diese Hürde wuchten können. Eigentlich ist es ganz einfach. Schön spreizen und dieser obere IIIer ist gemeistert, selbst dann, wenn der Fels recht abgeputzt ist und auch ein wenig feucht.

Nach dem Kamin geht es mit ähnlicher Schwierigkeit zunächst noch in munterem Zickzack weiter über diverse Bänder, bis man am rechten Ende einer kleinen Rinne das Ringband erreicht. Hier können wir zum ersten Mal überholen. Der Weg über die Flaniermeile der Cima Grande ist sehr kurzweilig. Bereits nach fünf Minuten geht es schon wieder schräg rechts aufwärts auf das Dach der Zinne. Im leichten Gelände (I) überholen die grauen Panter bereits zum nächsten Mal. Eine weitere Seilschaft lässt uns am "bösen Block" (III) den Vortritt. Für mich ist das die unangenehmste Stelle, weil ich an einen Griff langen soll, den ich noch nicht einmal richtig gesehen habe. Aber es klappt. Heini drückt mächtig aufs Tempo. Atme ich noch oder renne ich schon? Nach etwas mehr als drei Kletterstunden stehen wir auf dem Gipfel, gut mit einem Mastwurf am Gipfelkreuz gesichert ...

Die Wettergöttin ist uns wohlgesonnen und wir erleben den Gipfel bei Sonnenschein. Mir erscheint das immer noch völlig unwirklich. Wo bin ich? Das war so gar nicht geplant ...

Auch beim Abstieg sind die Alten wieder einmal die Ersten (fast wie am Samstagmorgen im Supermarkt).
Wir seilen uns ab oder werden abgelassen, ganz nach Heinis Befinden. Ich kann meine Abseiltechnik unter Heinis Anleitung entscheidend verbessern. Zudem erlerne ich noch die absolut unverlierbare Handhabung des Abseilachters (großes Auge im Karabiner lassen, Seil einfädeln, dann erst das kleine Auge in den Karabiner umhängen; beim Aushängen dann in umgekehrter Reihenfolge).
Am Innerkofler-Kamin werden wir kurz nocheinmal eingeholt, weil die Jungen das längere Seil haben. Bei den anschließenden Abkletterpassagen können wir uns jedoch wieder absetzen.

Bei der dritten Scharte folgen wir dann nicht mehr dem Aufstiegsweg, sondern biegen nach Westen auf ein Terrassenband ab. Der Nebel wird dichter. Vielleicht ist das auch gut so. Im Nebel erscheint das Band breiter und sicherer als es tatsächlich ist. Dieses Schuttband verlässt man an seinem westlichen Ende durch eine enge Schlucht. Die Schlucht verlangt nochmals zupacken. Überwindung kostet das letzte Stück des Weges über eine Rippe, die man auf dem Hosenboden "abrutscht". Mein erster IIIer im Vorwärtsgang...

Jetzt werden die Menschen im Tal schon wieder größer. Schnell geht es in der steilen Rinne aus losem Schutt und Geröll zwischen Westlicher und Großer Zinne hinab. Dann scharf rechts unter die Südwände der westlichen Zinne. Helm aus und Gurt ab! Auf der Rif. Auronzo wartet nach zweieinhalb Stunden Abstieg ein kühles Radler auf uns...

Glauben kann ich noch immer nicht, was wir da eben gemacht haben, aber die Bilder sprechen Bände und erzählen die Geschichte weiter und anders ...

Tourengänger: ZvB


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Kommentare (2)


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Landler hat gesagt:
Gesendet am 19. September 2017 um 16:27
Respekt! Tolle Tour mit schönen Bildern.
War heuer auch bei den Zinnen unterwegs (Paternkofel, Toblinger Knoten), aber über eine Zinnenbesteigung hab ich nicht mal nachgedacht.
Nun geht mir diese Tour nicht mehr aus dem Kopf.
Du bist schuld ;-) Gruß - Robert

ZvB hat gesagt: RE: Die schöne Cima Grande
Gesendet am 20. September 2017 um 06:58
Servus Robert,
das tut mir sehr leid für Dich! Aber schuld ist nur die Cima Grande. Sie ist wie eine schöne Frau, die einem einfach nicht mehr aus dem Kopf geht.:-)
Auch zwei Wochen danach sind mein Kollege und ich mit dem Kopf noch nicht wieder auf dem Boden...

Im kommenden Winter müssen wir unbedingt mal ne SST machen!

Beste Grüße
Zing


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