Kälbelespitze-Kastenkopf-Überschreitung vom Kirchdachsattel und Kugelhorn-Rauhhorn


Publiziert von quacamozza , 12. September 2017 um 11:38.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 8 September 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 2040 m
Abstieg: 2090 m
Strecke:E-Werk-Schrecksee-Kirchdachsattel-Kirchdach-Kirchturm-Kälbelespitze-Kastenkopf-Lahnerscharte-Schrecksee-Kirchdachsattel-Knappenkopf-Kugelhorn-Rauhhorn-Vordere Schafwanne-Willersalpe-Hinterstein P Auf der Höh (22 km)
Kartennummer:Topographische Karte Allgäuer Alpen 1:50 000

Was für Gründe gibt es, einen derart brüchigen und scheinbar unattraktiven Gipfel wie die Kälbelespitze jedes Jahr aufs Programm zu setzen? Weil die Überschreitung dieses Berges und seines Zwillings, des Kastenkopfs, meiner Meinung nach einer der landschaftlich schönsten Touren des Allgäus ist und man hier selbst an Wochenenden noch seine Ruhe vor dem immer weiter um sich greifenden Völkerwanderhype hat. Man gehe nur mal auf das Rubihorn, dann weiß man weniger frequentierte Ziele wieder richtig zu schätzen.

Ich bin zuversichtlich, dass diese schöne Runde trotz ihrer Vorstellung auf hikr nicht allzu viele Bergsteiger anzieht, da die Gipfel keine klingenden Namen besitzen und die Tour enorm hohe Anforderungen im Fels, Gras und ausgesetzten Gelände stellt. "...wegen des brüchigen Gesteins auch gefährlich...", steht im Wikipedia-Text.

Leider ist auch der Schrecksee mittlerweile Opfer des übertriebenen Tourismus. Am Ufer herrscht an Badetagen oft ein Lärmpegel wie in der Stadt. Seit neuestem sind Schilder aufgestellt worden, die das Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen mit Verboten schützen sollen. Mangelnden Respekt vor der Natur wird man damit aber wohl eher nicht kompensieren können.

Aufgrund des Hochnebels und der wieder kühleren Tage nehme ich heute erst den zweiten Bus zum E-Werk. Trotzdem stehe ich am Schrecksee noch eine halbe Stunde in der Nebelsuppe, bevor sich die Sonne durchsetzt.



Zur Schwierigkeit:

bis zum Kirchdachsattel T 3
Kirchdach: T 4-
Kirchturm: T 5-6 und II
Kälbelespitze Nordgrat: stellenweise III in brüchigem Fels
Übergang zum Kastenkopf. T 6 und eine Stelle II+
Knappenkopf: T 4
Kugelhorn Nordgrat: T 4 und I
Rauhhorn Südgrat: T 4 und I-II
Rauhhorn Nordgrat: eine Stelle II+ ohne Seilbenutzung, sonst I



Zum Zeitbedarf: 

E-Werk Auele-Schrecksee: 1 Std 35 min
Schrecksee-Kirchdachsattel: 15 min
Kirchdachsattel-Kälbelespitze: 1 Std 10 min
Kälbelespitze-Kastenkopf: 35 min
Kastenkopf-Lahnerscharte-Schrecksee: 30-35 min
Schrecksee-Knappenkopf-Kugelhorn: 45 min
Kugelhorn-Rauhhorn: 50 min
Rauhhorn-Willersalpe: 1 Std 10 min
Willersalpe-P Auf der Höh: 45 min



Die Überschreitung der Kälbelespitze habe ich bereits in einem früheren 
*Tourenbericht vorgestellt. Deshalb dazu nur einige Ergänzungen:

Für den Aufstieg zum Kirchturm (2013m) wähle ich mittlerweile die Direktvariante. Am Beginn des Grasbandes geht's in eine Einbuchtung und rechts auf die Kante zu, dann über die senkrechten Felsen und Schrofen der Nordseite (II und T 5-6, brüchig, aber ein schönes Warm-up). Die beiden anderen Möglichkeiten habe ich im 2012er-Tourenbericht erwähnt.

Der erste große Aufschwung nach dem Kirchturm liegt im Schwierigkeitsbereich I-II und ist damit viel einfacher, als es aus der Entfernung ausschaut.

Direkt vor dem großen Gratturm und kurz vor der Einsattelung, an denen die Gipfelfelsen beginnen, ist je eine sehr ausgesetzte Gratkante abzuklettern (II+ und II). Umgehungen sind T 5-6 und wahnsinnig bröselig, daher nicht zu empfehlen.

Der anspruchsvolle Schlussteil startet mit einem senkrechtem Aufschwung, der rechts daneben über eine plattige Rampe erklettert wird (III, viel loses Geröll, Griffe an der Begrenzungswand sind aber recht gut, trotzdem Vorsicht). Auf dem dann wieder stark ausgesetzten Grat warten zwei kürzere IIIer Stellen, darunter ein Miniüberhang. Sodann folgt die Rechtsumgehung eines Kopfes und eines Gratzacken (II, brüchig), schließlich eine helle Platte (III-, guter Fels) und der kurze Gipfelgrat (II) hinauf zum Grenzstein auf der Kälbelespitze (2135m).


Laut GB wird die Kälbelespitze fast nur im Rahmen der auch von mir bevorzugten Überschreitung bestiegen. Von einem *Abstieg über den Südgrat kann man ja auch nur abraten, und der Normalweg durch die Südflanke bietet im Vergleich zur Überschreitung bei weitem nicht die selben schönen Erlebnisse, ist also nur für diejenigen Gipfelsammler interessant, die sich die Runde nicht zutrauen.


Beim Übergang zum Kastenkopf habe ich mittlerweile eine gute, daher zeitsparende Linie gefunden. Die halbe Stunde, die im AVF angegeben ist, ist etwas knapp bemessen. Ich halte sie zwar ein, genehmige mir aber immer ein paar zusätzliche Minuten für den kurzen Abstecher zum Steinmann auf dem Westgipfel der Kälbelespitze.
An der Schlüsselstelle im Fels, einer kleingriffigen Plattenwand (II+), sind größere Personen klar im Vorteil. Sie ist im Abstieg deutlich anspruchsvoller als im Aufstieg und wird, vom Westgipfel aus kommend, an der rechten Seite abgeklettert. Auch wenn diese Stelle ausnahmsweise nicht ausgesetzt ist, sind die 5 Meter nicht ohne. Der weitere Übergang zum Kastenkopf verläuft zwar wieder auf einem schmalen Grat, ist aber erheblich leichter (I-II).


Nach diesem anspruchsvollen Teil hat man sich das Bad im Schrecksee wirklich verdient.


Manchmal steige ich nach der Runde gleich wieder hinab zum E-Werk. Heute allerdings ist der mit Abstand beste Tourentag der Woche, so dass ich nicht mit 1400 Höhenmetern zufrieden bin.
Unbekannte Gipfel gibt es für mich zwar weit und breit nicht zu besteigen. Da ich aber noch nicht so oft auf dem Kugelhorn (2126m) war und die Kälbelespitze mal aus der Distanz anschauen möchte, steige ich nochmal hoch zum Kirchdachsattel und dann den Grat nordwärts hinauf. Auch von dieser Fortsetzung gibt es bereits einen *Tourenbericht. Im GB auf dem Kugelhorn finde ich noch die 2011-Einträge von Tuppie und mir. An dieser Stelle einen lieben Gruß.

Am Rauhhorn (2240m) ist der Gipfel am Nachmittag nicht mehr überlaufen.
Am Südgrat sind keine Seilversicherungen angebracht. Die Kletterstellen sind nicht allzu schwierig (maximal I-II). Ein Klettersteig, wie es in der AV-Karte steht, ist es jedenfalls nicht.
Kurz nach dem Gipfel ist die II+-Stelle für mich die letzte Kletterstelle des Tages. Die Griffe und Tritte sind fest, aber ziemlich speckig. Das Fixseil lasse ich heute unangetastet.

Die Überschreitung des Gaishorns hätte sich jetzt als lohnende Fortsetzung angeboten, aber darauf habe ich nach den unzähligen Besuchen dieses Berges keine Lust mehr. Ich möchte den Rest des Tages lieber gemütlich ausklingen lassen.

Auf der Willersalpe (1456m) kehre ich ein. Dort ist ganz schön was los. Die meisten Wanderer sind nach der Besteigung des Rauhhorns fix und fertig. Die Getränkepreise finde ich mittlerweile überteuert. 5 € für ein Radler, da wird auf anderen Hütten weniger und selbst auf Sylt nicht mehr verlangt. Im Vergleich dazu sind die Parkplatzgebühren und der Giebelhausbus eher günstig. 
Auf dem Hüttenweg kommen mir zahlreiche Gruppen entgegen. Ich frage mich immer wieder, was die Leute auf eine Hütte hochtreibt, wenn die Wetteraussichten für das komplette Wochenende dermaßen schlecht sind.   







Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (12)


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rascr hat gesagt:
Gesendet am 12. September 2017 um 14:02
Samma a weng gefrustet? ;-) Scheint im Text so ein bisschen anzuklingen. Bissl schade bei der schönen Tour.

Bzgl. ".. frage mich ..., was die Leute auf eine Hütte hochtreibt, wenn die Wetteraussichten ... dermaßen schlecht sind."
Ging mir genau so, beim Schneeeinbruch letzte Woche spaßeshalber auf die Kemptner Hütte gelaufen und nicht nur dass das Haus voll belegt war, sind mindestens vier große geführte Gruppen rauf.

Meiner Meinung nach sind die Allgäuer zu klein für Tourismus a la Tirol etc. Wenn ich meinen bösen Tag habe, denk' ich mir bevor nicht jeder Bauer in Oberstdorf einen X5 fährt ist damit nicht Schluß und dann geht es eh erst richtig los.

Von daher: freue dich dass du die Möglichkeit hast auszuweichen. Ich mit meinen begrenzten Möglichkeiten tue mir da schon wesentlich schwerer und tröste mich mit dem Gedanken dass die Deppen (Party/Schrecksee) eben nur viel mehr auffallen aber eben eine Minderheit sind. Die Mehrheit sucht und findet die Natur und bildet irgendwann das Korrektiv zur Ausbeutung durch die Einheimischen. (ja, ich weiß, sorry)

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. September 2017 um 16:13
Frustig ist vor allem das Wetter in diesem September. Wenn's dann mal schön ist, treibt's alle raus. Irgendwie verständlich, aber bitte mit Rücksichtnahme auf die Natur und auf Mitmenschen...dann passt's.

Schlechtes Wetter im Hochgebirge heißt ja auch höhere Gefahren und weniger Spaß. Warum soll man sich das antun? Hobby-Abenteurer gibt's immer mehr, aber die Bergrettung findet so ne Einstellung bestimmt nicht toll.







Tuppie hat gesagt:
Gesendet am 12. September 2017 um 14:29
Gruß zurück! Nicht vom Kugelhorn, aus dem Kölner Flachland (leider). Danke für die schönen Berichte der jüngsten Zeit - warum es Dich immer wieder Richtung Schreckseebergwelt zieht, ist uns allen bekannt - ich habe dort auch im vergangenen Jahr meine landschaftlich schönsten Touren erlebt.
Lieben Gruß und Dir noch schöne Touren 2017 - da geht sicher noch was...
Thomas

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. September 2017 um 16:19
Hallo Thomas,

leider sieht's zurzeit nach einem ungemütlichen September aus, aber vielleicht kommt noch ein goldener Herbst. So langsam wär's wirklich Zeit für eine stabile Hochdrucklage.

Grüßle ins Flachland
Ulf





Nic hat gesagt:
Gesendet am 12. September 2017 um 14:57
Klasse Tour! Da wäre ich gerne mitgegangen...

VG Nico

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. September 2017 um 16:21
Hallo Nico,

Du bist natürlich schon jetzt eingeladen, bei der nächsten Runde mitzukommen. Würde mich freuen...

Grüßle
Ulf


Gelöschter Kommentar

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. September 2017 um 23:06
Hi Markus,

hast recht, der Schrecksee IST der schönste Bergsee im Allgäu, und die Runde landschaftlich nicht zu toppen.
Wär auch mal cool, das mit vier, fünf Leuten zu gehen.
Da waren heuer gerade mal fünf Leute oben.
Für Dich gibt's ja noch die richtig zünftige Variante: die IVer Stelle im Abstieg.

Lieben Gruß
Ulf

Kauk0r hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. September 2017 um 12:03
Servus Ulf!

Danke für deinen Bericht voller Wahrheiten, vor allem um den Schrecksee in Ruhe vorzufinden muss man wohl in die absoluten Randzeiten ausweichen...oder halt auf die Gipfel drumherum aufsteigen. Wobei mir da neulich auch schon eine Drohne um den Kopf gekreist ist.

Wie gehts dem Gipfelbuch? Alles noch trocken und funktionstüchtig? Dieses Jahr 5 Leute, wieviel insgesamt in den zwei Jahren seit Deponierung?

Grüße!
Kauk

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. September 2017 um 21:50
Hallo Kauk,

das Gipfelbuch, die Box und die Dichtung sind in tadellosem Zustand, die Plastiktüten allerdings schon recht löchrig. Wie wär's denn mittelfristig mit einer Gamelle?

Was die Einträge betrifft, habe ich nicht alles genau kontrolliert, deshalb meine Angaben ohne Gewähr:
Dieses Jahr (mit mir) 4 Einträge, 6 Personen, letztes Jahr 7 Einträge, 9 oder 10 Personen, 2015 3 Einträge, 3 (?) Personen. Zwei Leute (inklusive mir) haben sich mehr als einmal eingetragen.
Glücklicherweise ist die Kälbelespitze also immer noch ein ruhiger Gipfel.

Gehst Du in absehbarer Zeit auch mal wieder hoch?

Grüße zurück
Ulf


Kauk0r hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. September 2017 um 11:42
Eine Gamelle ist tatsächlich in Planung, sie steht für die Kälbelespitze hier sogar schon bereit ;) .
Es gab heuer schon einen Versuch sie auf den Gipfel zu bringen. Wollte vom PLH rüber, mir wars dann aber zu heiß und so bin ich recht durchgebraten nach dem Lahnerkopf abgestiegen, da ich nicht recht ausgelaugt den schwierigsten Gipfel des Tages angehen wollte.
Ob ich dieses Jahr nochmal einen Versuch starte hängt ein bisschen vom Wetter und anderen Wunschzielen ab, könnte ein Ziel für den nächsten Frühsommer sein.

Auf dem Kreuzkopf hatte es im gleichen Zeitraum 16 Einträge, mit allerdings mehr Begehern. Das waren jedoch viele die den Wilden Grat gemacht haben, den ich durchaus mal als "populär" im Allgäu bezeichnen würde.
Hätte dagegen nicht gedacht, dass an der Kälbelespitze ähnlich viel los ist, bzw. der Gratübergang vom Kastenkopf eine ähnliche Popularität besitzt.

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 24. Juli 2019 um 13:07
Tolle Tour und Gegend!
Mit großem Interesse habe ich den detaillierten Bericht und die Kommentare dazu gelesen. Wie so oft habe ich von meiner eigenen Begehungsvariante von 1986 (s.d. unter http://www.hikr.org/tour/post144688.html) leider keine eigenen Bilder.

Meinen Kurzaufzeichnungen zufolge war die schierigste Stelle an der Kälbelespitze (um III)


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