Überschreitung Kleiner Widderstein-Großer Widderstein


Publiziert von quacamozza , 3. September 2017 um 13:14.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:25 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:15
Aufstieg: 1600 m
Strecke:Baad-Widdersteinalpen-Kleiner Widderstein-Großer Widderstein-Hochalpsee-Bärgunthütte-Baad (16 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 2 1:25 000 Kleinwalsertal Hoher Ifen, Widderstein

Der Große Widderstein ist einer der markantesten und beliebtesten Gipfel der Allgäuer Alpen und für seine weitreichende Aussicht bekannt. Dank eines markierten Steiges von Süden können ihn auch trittsichere Wanderer besteigen. Etwas alpine Erfahrung sollte man wegen des brüchigen Felses und der zwischenzeitlichen leichten Kraxeleinlagen allerdings mitbringen. Und kaum jemand setzt sich den Kletterhelm auf, obwohl die Route massiv steinschlaggefährdet ist.

Viel interessanter und weniger bevölkert ist da schon der Kleine Widderstein. Seine Besteigung erfordert allerdings bereits gute Ortskenntnisse und Kletterei mindestens im II.Grad, die dann auch im Abstieg bewältigt werden will. Dafür wartet eine der schönsten moderaten Bergtouren des Allgäus. Besonders in Verbindung mit dem vorgelagerten grünen Buckel des Bärenkopfs ein landschaftliches Erlebnis der Extraklasse. 
Geübte Bergsteiger können die Tour über den Südgrat oder in der nördlichen Flanke zum Südgipfel (2190m) ins Karlstor (2100m) fortsetzen.

Der anschließende Aufstieg aus dem Karlstor über den Nordpfeiler auf den oberen Ostgrat des Großen Widdersteins und weiter zum Gipfel ist dann mit mehreren längeren Stellen im III.Grad nochmals eine Nummer anspruchsvoller. Hier ist der erfahrene Bergsteiger gefordert. Zum einen wechselt die Felsqualität ständig von akzeptabel bis sehr brüchig, was man leider auch bei mehrmaligem Hinfassen und -treten nicht immer gut beurteilen kann. Außerdem ist die Route in ursprünglichem Zustand. Das heißt, man muss bei Seilgebrauch (fast) alle Sicherungen selber legen, und es gibt keine Anzeichen, wo der beste Weg durchführt. Selbst der alte AVF, den ich bei solchen Unternehmungen fast immer dabei habe, schweigt zum Routenverlauf. Deshalb ist es beim ersten Mal am besten, wenn man mit jemandem geht, der die Tour bereits kennt. 




Zur Schwierigkeit:

Kleiner Widderstein Nordgrat: Zustieg T 4-5, Einstiegsplatten II, dann eine Stelle III- (II obligatorisch), Gipfelturm II und einiges an Gehgelände bis T 5.

Kleiner Widderstein Südgrat: Stellen III und T 5 bei Überkletterung der ersten Aufschwünge, bei Umgehung der Aufschwünge in der Flanke Stellen II und T 5-6

Großer Widderstein Nordpfeiler: Stellen III+ und III, meist II, bis zum ersten Aufschwung leichtes Grasgelände, viel Bröselfels

Großer Widderstein oberer Ostgrat: Stellen III und II (einmal III 10m im Abstieg oder Abseilen), anfangs leichtes Gehgelände

Großer Widderstein Normalweg: Stellen I und T 4



Zum Zeitbedarf:

Baad-Nordgratscharte: 1 Std 25 min
Scharte-Kleiner Widderstein: 30 min
Kleiner Widderstein-Südgipfel: 45 min
Südgipfel-Karlstor: 10 min
Karlstor-Widdersteingrat: 1 Std 15 min
Widdersteingrat-Großer Widderstein: 1 Std 15 min
Großer Widderstein-Bärgunthütte: 1 Std 40 min
Bärgunthütte-Baad: 15-20 min



Vom Parkplatz Baad (1222m) auf bezeichneten Wegen zu den Widdersteinalpen (Einkehrmöglichkeit an der Inneren Alpe). Kurz hinter der Inneren Widdersteinalpe (1334m) und nach Passieren eines Marterls führt links ein Weg hoch zu einer Hütte (ca. 1480m; Brunnen).

Wir steigen nun nicht weiter zur Jagdhütte und Richtung Bärenkopf, sondern verfolgen den Weg zum Karlstor bis zur Bachüberquerung auf ca. 1630m. Danach geht es entlang der Nordabstürze des Kleinen Widdersteins in einer zunehmend engen und nassen Fels- und Geröllrinne aufwärts. Alternativ kann man auf die linksseitigen Graspolster ausweichen. Die tiefste Scharte zwischen Bärenkopf und Kleinem Widderstein (ca. 1980m) ist unser Ziel. Hier geht der Nordgrat mit den Einstiegsplatten los.

Entlang kleiner Risse wird der Plattengürtel erklettert (II). Weiter geht es auf komfortablen Wegspuren höher, zunächst rechts des Grates. Die Spuren enden vor Rinnen, die nach links aufwärts zum Grat ziehen. Durch eine der recht flachen Rinnen aufwärts (I) und in Gratnähe weiter zu einer kleinen Wandstufe. Über diese (III-) oder rechts daneben durch eine Rinne (II) und dann auf die andere Seite des Grates. In leichter Kletterei (I-II) hinauf zu einem Band, das schräg aufwärts leitet. Am Ende des Bandes zu einer Schulter. Hier links hinauf durch eine steile Rinne (II) oder über Felsstufen zum Gipfel des Kleinen Widdersteins (2236m).  

Die Rinne wieder hinabklettern und nun nach links in eine tiefe Scharte hinab. Ein grasiger Kopf wird dabei überstiegen, ein Zacken links umgangen. Ab hier empfiehlt sogar ein Nik Brückner, die Finger vom zerborstenen Grat zu lassen. Zumindest für den Beginn gibt es aber zwei Möglichkeiten: entweder in die Nordflanke queren und sich den besten Weg suchen (je nach Variante T 5-6 und II, teils sehr brüchig; *hier beschrieben) oder (heute unser Weg): 
Aus der Scharte nach links an den ersten Turm und diesen direkt erklettern (III; sogar 1 Haken findet sich zwischendurch). Dann weiter über den flacheren Grat (II) zu einem nächsten, ganz oben schrofigen Aufschwung. Auch auf diesen hinauf (III-). Es ist fast schon wieder Gelände wie bei der Winterelfer-Elfer-Überschreitung. Von senkrechtem Moos bleibt man hier aber verschont. Danach steht man vor den nicht mehr überkletterbaren spitzen Zacken. Spätestens hier folgt ein kurzer Abstieg in die Nordflanke durch eine brüchige Rinne (I-II). Die Querung knapp unterhalb der Zacken in die Scharte vor dem Südgipfel ist leicht (T 5; I), aber natürlich ebenfalls brüchig. Zum Abschluss über Gras auf den Südgipfel (2190m).

Vom Südgipfel geht's über steiles Gras hinab (T 4-5), bis man schuttige Schrofen erreicht. Nach rechts hinunter, wieder ins Gras und zwischen zwei Türmen hindurch. Nach einem kurzen Abstieg in einer Rinne und einer Querung ist das Karlstor (2100m) erreicht, womit die Überschreitung des Kleinen Widdersteins vollendet ist.
Von hier kann man über viel Geröll entweder ins Bärgunt- oder (etwas anspruchsvoller, im Winter Skiroute) ins Gemsteltal absteigen.



Die ersten 60 Höhenmeter des Nordpfeilers sind einfaches Wandergelände. Die Schwierigkeiten beginnen mit einem klotzigen Aufschwung (II-III), der oben auffällig von einer überstehenden Grasmatte gekrönt ist. Dies macht die eigentlich recht schöne Kletterei am Ausstieg recht heikel. Wir sind direkt auf den Aufschwung geklettert. Man kann das Bollwerk allerdings auch rechts herum in steilen Schrofen überwinden.
Es folgt eine weitere kürzere Gehpassage im Gras bis zu einem großen Aufschwung. Der Grat ist hier nicht mehr erkennbar, das Gelände unübersichtlich. Mitten in der Wand zieht ein Riss von links unten nach rechts oben. Dieser endet in halber Wandhöhe. Der Weiterweg ist von unten nicht einsehbar. Ohne Ortskenntnisse würde man jetzt ins Ungewisse klettern. Der Riss wird durchstiegen (III+, anspruchsvollste Stelle des Nordpfeilers). An dessen Ende klettert man nach links über Absätze in einfacheres Gelände. 

Es bleibt in der Folge steil. Zwei ausgesetzte Stufen an der Kante sind etwas anspruchsvoller und fordern gutes Zupacken (III). An einer Stelle klettern wir an einem alten Haken vorbei. Es geht möglichst direkt aufwärts. Wenn man zu weit rechts in die Wand abdriftet, wird das Gestein sofort sehr bröselig.
Zwischendurch ist der Fels aber sogar recht kompakt und lässt sich vergnüglich klettern. Die letzten kurzen IIIer-Stellen vor dem Widdersteingrat, darunter eine nach links oben führende feucht-schmierige Rinne, klettern wir seilfrei. So geht es zügig nach oben auf den Ostgrat, den wir unmittelbar am Steinhaufen des P.2368 erreichen. Wir befinden uns ab hier auf der Sonnenseite. Jetzt wird's uns ziemlich warm. 


Von hier soll es nur noch eine Stunde bis zum Gipfel sein, doch der Weg sieht verdammt weit aus. Durch ausgedehnte Blockfelder wandern wir zunächst etwas abwärts, dann über einige kleine Kuppen und an einem Zacken links vorbei. Nach einer guten Viertelstunde steilt der Grat auf. Wir seilen wieder an, dann wird der steile Aufschwung in 1 SL knapp links der Kante bezwungen (III). Vom Scheitel folgt ein nahezu senkrechter Abstieg (III) in eine Gratlücke mit Gedenktafel. Auf der anderen Seite nur kurz hoch (III; rechts oben ein glatter, überhängender Riss für Profis, dürfte etwa VII sein), dann der ausgesetzte Quergang nach links (II-III), um die Ecke herum und wieder in einfacheres Gelände. Danach wird die Kletterei zunehmend leichter (II) und der Gipfel des Großen Widdersteins (2533m) ist nicht mehr weit.

Nach den Zeitangaben zu urteilen scheinen wir am Nordpfeiler eine gute Linie getroffen zu haben, während wir am Ostgrat trotz des deutlichen Routenverlaufs etwas mehr Zeit benötigten. Auf jeden Fall ist es empfehlenswert, Zeitreserven einzuplanen. 

Der Abstiegsweg ist markiert und einfach, auch wenn es sich bis zur Bärgunthütte (1391m) ganz schön hinzieht. Wir nehmen vor dem Seekopf den alten Weg, der mittlerweile stark zuwächst. Das spart zwar nicht allzu viel an Zeit, ist aber landschaftlich interessanter. So kommen wir auch am Hochalpsee vorbei, an dem sich schön rasten und fotografieren lässt.

Insgesamt eine sehr lohnende Rundtour, die wir sicherlich nicht zum letzten Mal gemacht haben. 

Tourengänger: Stefan, Ulf



Tourengänger: quacamozza


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