Kurzbericht 

Ein unbeschriebenes Blatt und der erste Versuch: Ochsner


Publiziert von ZvB , 27. August 2017 um 18:13.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Zillertaler Alpen
Tour Datum:26 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 1 Tage 5:00
Aufstieg: 1870 m
Abstieg: 1870 m
Strecke:29,9 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der Zillertalbahn nach Mayrhofen und dann mit dem Bus 4102 zum Ghf. Breitlahner. Im Bus fühlt man sich so herrlich jung oder wie lebendig begraben ...
Kartennummer:AV 35/1 & 35/2

Der Ochsner steht bereits seit einer Zeit, als Gipfelwunschlisten noch mit dem Federhalter auf Papier verfasst wurden, auf meiner persönlichen Liste. Endlich konnte ich die Zeit finden, mich mit diesem Berg auseinanderzusetzen. Die Vorbereitung darauf fiel allerdings schwer. Im Internet findet man nach der Eingabe des Suchbegriffs "Ochsner" zunächst einmal Wärmepumpen ...
Erst unter dem Zusatz von "Zillertaler Alpen" findet man zwar den gesuchten Gipfel, allerdings gibt es in den gängigen Foren keinen einzigen Tourenbericht. Im Internet ist der Ochsner also noch ein unbeschriebenes Blatt. Zudem kenne ich auch niemanden, der schon dort oben war und den man deshalb fragen könnte. So bleibt als einzige Informationsquelle meine geschundene Ausgabe des Alpenvereinsführers Zillertaler Alpen (9. Auflage v. 1983).


Im AVF ist der Ochsner ein vielbesuchter Aussichtsberg. Kann ich mir kaum vorstellen. Wahrscheinlich muss jeder, der den Gipfel heimlich erreicht hat, ein multimediales Schweigegelübde ablegen.

Für die Besteigung von der Berliner Hütte aus veranschlagt der AVF 3,5 Stunden. Die neuere 12. Auflage v. 2013 räumt sogar 4 Stunden für eine Begehung ein. Wir lernen daraus: Früher waren die Leute fitter und schneller.

Was sich in all den Jahren jedoch nicht verändert bzw. verbessert hat, sind die oft unzulänglichen verbalen Beschreibungen von Routen in den AVF. So quält mich der folgende Passus bereits mehrere Tage vor meinem Besteigungsversuch: ... vor den Rinnsalen links über den Hang aufwärts zu den Blockhalden unter den Felsen des Ochsners, in welchen eine breite Schuttrinne hoch hinaufstreicht. In dieser Rinne aufwärts bis zur Gabelung, dann im rechten Ast etwa 40m weiter bis unter die Felsen. Nun rechts über Geröll und durch eine kurze Steilrinne auf den breiten Absatz südöstl. unter dem Gipfel. Von hier in anregender Kletterei über die rotgefärbte Felsrippe auf den ... Gipfel.

Das wirft gleich mehrere Fragen auf. Wie breit ist z.B. eine normale Schuttrinne? Wie breit wäre dann eine breite Schuttrinne? Was tun, wenn es mehrere Äste nach rechts gäbe? Wie genau erkenne ich den Unterschied zwischen Schutt und Geröll? Wie fühlt sich anregende Kletterei an? Ist das gar das Gegenteil von müdem Bouldern oder schlaffen Gekraxel? Wie rot ist eine rotgefärbte Felsrippe?



















Der Ochsner von Süden

Wenn man sich das in Natura anschaut, passt die Beschreibung des AVF auf so manche Stelle am Berg! Mit diesem Gefühl der Orientierungslosigkeit, möchte ich Sicherheitsreserven schaffen. Eine ist ein möglichst hoher Ausgangspunkt. Deshalb fällt die Berliner Hütte dieses Mal als Stützpunkt aus. Bei den Blockhalden unter den Felsen soll die Nacht abgewartet werden. Bei einem Start um sechs Uhr morgens ist Bingo um neun Uhr vormittags.

Der Ausgangspunkt ist problemlos erreicht. Es ist schön hier. Ich beobachte, wie das Tageslicht langsam aus der Szenerie verschwindet. So an einen Fels gelehnt schließe ich für fünf Minuten kurz die Augen. Es ist 23:30 Uhr als ich durch ein Zucken im rechten Bein wieder aufwache. Jetzt aber schnell den Schlafsack aufblasen und die Isomatte aufschütteln. Jetzt bin ich wach. An Einschlafen ist gar nicht mehr zu denken. Der Sternenhimmel mit den Wundern des Sommerdreiecks wühlt meine Gedanke auf. Und dann sind da noch diese Gedanken an "rechte Schuttrinne" oder nein, es war Geröll, oder?

Ich bin froh, als es endlich dem Morgen graut und ich aufbrechen kann. Nichts ist heilsamer als ein Verhauer im Gebirge. Ein verlassener, einzelner Steinmann weckt Hoffnung auf mehr Orientierungshilfen. So steige ich stolpernd über die breite Schuttrinne, die eigentlich ein Geröllfeld ist.  Ich nehme den erstbesten Ast nach rechts - alles fügt sich plötzlich so logisch zusammen - gehe direkt bis unter die Felsen und folge diesen. Ha, und schon geht es über Geröll bzw. Schutt weiter. Jetzt wird es schwierig. Sind da etwa Spuren? Hmm, vielleicht doch nur Einbildung? Ich finde links von mir eine steile Rinne. Also aufwärts in der bröseligen Steilrinne. Oben angelangt könnte man das sehr labile Geröllfeld auch für einen südöstl. Absatz unter dem Gipfel halten. Weiter oben gibt es rote Felsen! Rotgefärbte Felsrippe? Aber die führt vom Gipfel fort. Eine weitere Rinne nach links sieht besser aus, ist aber sehr mühsam zu beklettern, also nicht besonders anregend. Oben angelangt, stehe ich auf den Ostgrat in 3004m Höhe. Die verbleibenden 103 Hm und ca. 130 m Entfernung zum Gipfel könnte man locker über diesen Grat zurücklegen. Aber die Zeit reicht nicht. Nur noch zehn Minuten bis Bingo. Heute kehre ich gerne um. Der Abstieg über loses Geröll wird bestimmt nicht leichter und die unbekannte Kletterei könnte locker noch weitere 30 Minuten dauern. Schnell noch ein Foto von der Zsigmondyspitze...

Der Abstieg ist heikel, sehr heikel. Schau das Geröll bzw. den Schutt an und alles ist sofort in Bewegung. Zur ersten bröseligen Steilrinne finde ich eine Alternative für den Abstieg. Weniger Geröll und Brösel, dafür brüchiger Fels. Ich wusste gar nicht, dass man Schutt so hoch stapeln kann ...

Es gibt noch einen Schlenker zu P.2812, um die Tagesleistung bzw. Nichtleistung besser überblicken zu können. Vielleicht ergibt sich dabei ein Hinweis für den nächsten Versuch am Ochsner ...


Die Südostseite des Ochsners, sachdienliche Hinweise bitte an die SOKO Ochsner

Der Abstieg zieht sich noch in die Länge. Das linke Knie zwickt. Endlich am Schlafsackdepot angelangt gibts eine Ibu und frische Socken ... Bin selbst gespannt, wann es mich wieder hierher verschlägt, zum höchsten und schönsten Schuttmunro der Zillertaler Alpen ... oder war es doch ein Geröllbuckel ...

Es gibt auch wieder Bilder, die das Scheitern in schönsten Farben dokumentieren. Wenigstens war das Wetter gut und Versuch macht kluch ....



Tourengänger: ZvB


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Geodaten
 36876.gpx weglos zu den Blockhalden unter dem Ochsner
 36877.gpx Nachgehen auf eigene Gefahr
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