Ruederkarspitze (2190 m)


Publiziert von gero , 22. März 2009 um 12:29.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 2 Oktober 2007
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1370 m
Abstieg: 1370 m
Strecke:Parkplatz P6 im Rißbachtal - Laliderertal - Klausgraben -
Kartennummer:AV-Karte 5/2 - Karwendelgebirge Mitte

Auf diesen äußerst einsamen Karwendelberg gibt es zwei Anstiegsmöglichkeiten: entweder von Osten, dann startet man vom Parkplatz P9 im Rißbachtal, etwa 3km vor dem Alpengasthof Eng - oder von Westen, dann beginnt die Tour am Parkplatz P6, der im Rißbachtal am nördlichen Ende des Laliderertales liegt.
Ich will nachfolgend den zweitgenannten Weg beschreiben; die Besteigung von der Ostseite kenne ich noch nicht, sie steht aber auf meinem alpinen Wunschzettel.
Um es gleich vorwegzunehmen: wer auf die Ruederkarspitze möchte, muß wieder einmal ein Bergsteiger sein mit besonderer Ambition für totale Einsamkeit, gepaart mit nicht unerheblicher Wegfindungsgabe, Ausdauer und Hartnäckigkeit - letztere wird sich zeigen, wenn es gilt, etwa im Mittelteil der Tour den vorübergehenden Kampf gegen zähe Latschen zu führen und zu gewinnen. Also nichts für Jochbummler ....
Was wird am Schluß überhaupt der Lohn für die Erklimmung dieses eher niedrigen Gipfels sein, der im Schatten seiner mächtigen Nachbarn steht? Nun, wie so häufig das kaum zu beschreibende, befriedigende Gefühl: ich habe es, allen Widrigkeiten zum Trotz, geschafft - und die Harmonie mit der umgebenden Bergnatur!

Ich startete um 7 Uhr ab besagtem P6 im Rißbachtal; ein Wegweiser leitet sofort in das nördliche Laliderertal hinein. Etwa eine halbe Stunde folgt man für ca. 2km einer Forststraße; man verläßt sie an einer Rechtskehre (800m nach dem Möserkargraben), wo sie hinabführt zum Niederleger der Gumpenalm - ab jetzt sind pfadfinderische Eigenschaften gefragt! Nach einem Kurzabstieg zum Klausboden geht es auf Steigspuren links (ostwärts) den deutlich ausgeprägten Klausgraben hinauf, der sich verführerisch gut begehen läßt - ich stieg jedoch viel zu hoch und hatte deshalb später Mühe, die "offiziellen" Spuren zu finden; auf dem Rückweg errichtete ich deshalb einen Steinmann an der Stelle des Klausgrabens, an der man ihn nach orographisch rechts (also links im Sinne des Aufstiegs) verlassen muß, um in den Wald zu gelangen. Diese Stelle erreicht man, noch bevor der Klausgraben steiler wird, also relativ weit unten, bei etwa 1200m Seehöhe!

Ab hier muß man nun den Steigspuren im Wald folgen - mal steiler, mal flacher, mal leidlich gut sichtbar, mal weniger gut erkennbar. Sie leiten zunächst am Westhang des Gamsjoch-Nordgrates aufwärts und erreichen diesen, wo er auf etwa 1440m in den Wald eintaucht. Diese Stelle muß man unbedingt finden - auf der AV-Karte kann man den bisherigen Steigverlauf recht gut einsehen. Gleichzeitig bietet diese Stelle erstmals die Möglichkeit, den Routenverlauf einigermaßen gut einzusehen - bisher ging es ja immer durch Wald. Ab dem Parkplatz P6 wird man bis hierher etwa 1,5 Std. brauchen.

Der Steig wird nun für einige Zeit erfreulich gut: er quert die gerölligen Nordhänge des Gamsjoch-Nordgrates genau ostwärts in Richtung auf den unteren Rand des Möserkares, immer am oberen Rand der sehr dichten Latschen. Gleich zu Beginn ist plattiges Gelände zu begehen, dies ist (vor allem später beim Abstieg) etwas unangenehm - ich würde hier von Einsergelände sprechen, obwohl man die Hände mehr zur moralischen Unterstützung, zur gelegentlichen Gleichgewichtsfindung braucht.

Während der folgenden halben Stunde querte ich nun hinüber und fragte mich, wie es am untersten Ende des Möserkares wohl weitergehen würde. Man hält auf das dortige obere Ende der Latschengürtel zu - auf einem eingebetteten Schrofenfleck erkennt man irgendwann einen Steinmann, von dem es den weiten Sattel (1789m) zwischen Ruederkarspitze und vorgelagerter Roßkopf-Spitze zu erreichen gilt. Zwischendurch sollte man einen Blick auf die gewaltige Hochgebirgslandschaft werfen, in der man sich bewegt: besonders die gegenüberliegende Falkengruppe mit dem eindrucksvollen Blausteigkar verdient Beachtung!

Gegen 9:15 Uhr hatte ich besagten Schrofenfleck mit Steinmann erreicht - und war etwas ratlos: wo würde es denn nun durch diese kräftezehrenden Latschenfelder weitergehen? Auf der AV-Karte lesen sich die Pünktchen, die nun genau nordwärts 200m bis zu einem Bachlauf hinüberleiten, sehr leicht - aber was hier verlangt wird, ist Latschenkampf in höchster Vollendung: 5m rauf, 10m runter, 15m wieder hinauf, immer den geringsten Widerstand suchend, so kämpfte ich mich verbissen hindurch - und erreichte endlich besagtes Bächlein, das direkt hinunterfließt in den Möserkargraben. An dieser Stelle hat man - es sei zur allgemeinen Erbauung gesagt - die größte Anstrengung hinter sich gebracht: nun geht es genau ostwärts zunächst den Bachlauf ein Stück, danach eine steile Wiese unschwierig hinauf, an deren oberem Ende der Sattel mit Kotierung 1789m erreicht ist (der Karwendelführer weist 1784m aus). Ich hatte diese Stelle gegen 10:30 Uhr erreicht; von der Ostseite mündet hier der chaotisch zerfurchte "Große Totengraben" ein.

Nun geht es nochmals durch Latschengassen aufwärts, die aber wesentlich besser zu finden und bequemer zu begehen sind als alles Zurückliegende. Man ersteigt hier den Nordgrat der Ruederkarspitze; dessen Gratkopf 1972m wird ostseitig umgangen, man befindet sich danach am oberen Rand des Ruederkares, das ostseitig ins Rißbachtal abfällt. Danach folgt ein weiterer Sattel, hier setzt nun der Gipfelaufbau an, dessen Schrofen noch zu ersteigen sind (wenige kurze Stellen I) - dann wird man am Gipfelkreuz ankommen.

Kurz vor 11 Uhr hatte ich das Ziel dieses Tages erreicht - trotz aller Wegsuche und Latschenkämpfe "nur" 4 allerdings anstrengende Stunden ab Parkplatz P6. Dafür wurde ich aber mit einer recht schönen Aussicht belohnt: auf den unmittelbar östlich gegenüberliegenden Sonnjoch-Kamm mit Bettlerkar- und Schaufelspitze, die westlich benachbarte Falkengruppe und - bedeutend höher - den Hauptkamm mit Kaltwasserkar-, Birkkar- und Ödkarspitzen. Durchaus erwähnenswert ist ferner der Tiefblick in das hinterste Rißbachtal mit dem Großen Ahornboden und der Eng. Und weit draußen im Südosten steht wieder einmal der Großvenediger mit seinen spätherbstlichen Firnflanken - Bergsteigen macht doch glücklich, auch wenn man gelegentlich dafür heftig kämpfen muß, z.B.gegen widerspenstiges Latschenchaos!

Über eine Stunde lag ich an diesem Mittag auf meiner Aussichtskanzel in der Sonne - dann machte ich mich wieder an den Abstieg. Eigentlich hätte ich gern eine Überschreitung durchgeführt und wäre zur Eng hinabgestiegen - aber ich fand die von dort heraufkommende Spur nicht (sie wird ebenfalls recht selten begangen), und so hielt ich mich lieber an die mir bekannte Aufstiegsroute. Erwähnenswert ist vielleicht, daß man bei der Latschenquerung zwischen unterem Ende des Bachbettes und dem Schrofenfleck unter dem Möserkar beim Abstieg besonders vorsichtig sein sollte: die Latschenstämme sind teilweise sehr dick und starr, man könnte sich hier bei Unachtsamkeit einen Beinbruch einhandeln - und das wäre fatal, vor allem im Hinblick auf die Abgeschiedenheit ....!

Kurz vor 16 Uhr hatte ich den Ausgangspunkt der Tour wieder erreicht, die ich als Geheimtip denjenigen Bergsteigern bieten kann, die Abgeschiedenheit und Urwüchsigkeit suchen.

Anmerkung: die Ruederkarspitzein wird in allen offiziellen Karten- und Führerwerken des DAV mit "ue" geschrieben - ich habe diese Schreibweise hier auch so beibehalten.

Ein Panorama von der Ruederkarspitze findet Ihr hier:
http://www.alpen-panoramen.de/panorama.php?pid=6035


Tourengänger: gero


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