Pischahorn (2980m) II - in die Falle getappt


Publiziert von dulac , 9. August 2017 um 00:26.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Prättigau
Tour Datum: 5 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Flüela-Gruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus ab Davos bis Tschuggen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:RhB Davos Dorf
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Anderthalb Wochen nachdem ich das erste Mal auf dem Pischahorn gewesen war, ich mich aber nicht fit für den Aufstieg vom Isenfürggli über den Südgrat gefühlt hatte, wollte ich heute den Spiess umdrehen und stattdessen vom Gipfel über diesen Grat absteigen.

 

Allerdings kam es dann etwas anders als ursprünglich geplant.

 

Start war erneut Tschuggen, diesmal allerdings auf dem Normalweg: am Ausläufer des Tschuggentäli vorbei und weiter bis zu P2354 am Ende des Mattjischtäli, wo ich nach Passieren der Brücke über den letzten Bachlauf den Mittelgrat ansteuerte. Bei PStraub hatte ich einen *Hinweis gefunden, dass der Schwierigkeitsgrad T4 nicht überschreiten sollte.

 

Und so war es auch: zunächst eine steile, leicht schrofige und gut gestufte Grashalde, danach dann etwas mehr Fels, doch alles tatsächlich maximal T4. Und dann war ich auch schon ohne Probleme nahe der Kehre unterhalb P2739 und damit auf dem Normalweg angelangt. Deutlich kürzer war meine Variante, doch ich war recht langsam unterwegs gewesen, eine Zeitersparnis hat es mir drum wohl nicht gebracht.

 

Gut 100m höher kam mir dann eine junge Frau entgegen. Wir kamen kurz ins Gespräch. Ich hatte angenommen, dass sie im Abstieg vom Gipfel war. Nein, ganz droben wäre sie nicht gewesen. Eine Passage wäre ihr zu kritisch erschienen, insbesondere auch, weil sie allein unterwegs war. Da sie mir auch berichtete, dass sie am Morgen in Davos gestartet war, fand ich es wirklich schade, dass sie gerade diesen Gipfel, der für mich einer der attraktivsten weit und breit ist (Panorama, sehr geräumiger, aussergewöhnlich gut siestatauglicher Gipfelbereich, und nur wenige Besucher), nicht erreicht hatte.

Da ich den Aufstieg ja bereits kannte, war ich der Meinung, dass sie das eigentlich auch gut schaffen sollte. Ausserdem hatte ich mich auch schon häufiger in ähnlichen Situationen befunden, wo ich beim ersten Versuch kehrtgemacht hatte, später dann aber erkennen musste, dass dies eigentlich nicht gerechtfertigt gewesen war.

 

Ich bot ihr deshalb an, sie könne gerne mit mir kommen. Einiges Zögern, doch dann war es akzeptiert.

 

Die Schlüsselstelle war eine kurze Passage an einer Felsnase mit einem schrägen, möglicherweise etwas rutschigem Tritt. Umgehen liess sich diese Stelle nicht. Ich ging also voran und bot mit meiner Hand vor allem mentalen Halt, denn geschafft hätte sie es mit etwas mehr Erfahrung und daraus gewonnener Selbstsicherheit gewiss auch allein. Der Rest bis zum Gipfel dann nur noch Routine.

 

Hier dann eine ausgedehnte und zunächst auch entspannte Gipfelrast. Wunderbar sonnig und angenehm, gelegentlich ein kleine erfrischende Bö. Doch dann war es ähnlich wie am Meer, wo auf einige kleinere Wellen plötzlich eine grössere folgt: Urplötzlich und ohne jede Vorwarnung kam da doch eine richtige Monster-Bö: Mein zu etwa einem Drittel geöffneter Rucksack wurde von ihr zur Hälfte ausgeräumt, die darin verstaute Windjacke konnte ich gerade einige Meter weiter noch aufsammeln. Ähnlich war es mit den zum Lüften etwas abseits ausgelegten Socken. Einer war noch auffindbar, den anderen hatte es aber offensichtlich bereits weit über den Gipfelbereich hinaus davongetragen. Bei den restlichen Verlusten handelte es sich überwiegend um Verpackungsmaterial und dgl., das ich eigentlich nicht wild am Gipfel hatte entsorgen wollen (Sorry Felix ;-). Der spätere Abstieg mit einem Fuss ohne Socken im Stiefel war eine neue Erfahrung – es ging allerdings erstaunlich problemlos.

 

Nach dieser kurzer Episode und nachdem alle Teile, die auch weiterhin gebraucht wurden, gut gesichert waren, konnte der Gipfelaufenthalt genauso beschaulich wie zuvor fortgesetzt werden.

 

Anschliessend hatte ich eigentlich vorgehabt, mich erneut mit dem Südgrat auseinander zu setzen. Doch das ging jetzt natürlich nicht mehr, denn nachdem ich meiner Begleiterin heraufgeholfen hatte, musste ich sie selbstverständlich auch wieder hinab geleiten.

 

Da es dafür auch eine Variante gab, ein Bogen zunächst auf dem Nordgrat, dann am Pischasee vorbei und danach bei P2593 auf den Pischagrat zurück, auf der Karte als markierte Route gekennzeichnet, schien mir dies eine gute Alternative.

 

Tatsächlich war es ein aussichtsreicher, attraktiver Weg entlang des Grats. Zwei Stellen hatte es, bereits ziemlich zu Anfang, wo wieder etwas mentale Unterstützung gefordert war: eine kurze Passage auf einem schmalen Band und dann noch eine weitere, wo ein kurzes Stück des Wegs etwas weggebrochen war und man entweder eine weiten Schritt machen musste oder aber einen kurzen Zwischentritt auf eine etwas bröselige Unterlage.

 

All dies hatten wir bereits gut überwunden und waren auch gut bis zum Pischasee gekommen. Immer der Wegspur resp. den Markierungen gefolgt. Doch hier endeten sie abrupt. Auf einem Felsen hatte es einen roten Hinweis auf einen Abstieg nach Laret. Doch da wollten wir nicht hin.

 

Tatsächlich hätten wir den auf der Karte verzeichneten, aber nicht als markiert ausgewiesenen Weg über die steile Geröllstufe nehmen müssen. Unmittelbar auffindbar war dieser Weg jedoch nicht, und aufs Geratewohl weglos hochzusteigen, was ich, wenn ich allein unterwegs gewesen wäre, wohl gemacht hätte, war in diesem Fall keine Option. Bei den Überlegungen wie weiter, hatte ich den Eindruck, in einem Sattel entlang des Pischagrats den Abzweig P2593 zu erkennen. Und dieser Punkt sollte sich, zwar weglos und auch mit einer Portion Unsicherheit verbunden, über für uns beide machbares Gelände erreichen lassen.

 

Dazu mussten wir zunächst ein gutes und recht steiles Stück dem vom Pischasee kommenden Bachlauf entlang hinab, danach in Richtung Westen queren, dann einen weiteren Bachlauf queren und und über eine Grashalde wieder aufsteigen. Dann noch ein kürzeres eher ebenes Wegstück sowie noch etwas weiter hinauf. Nun konnte der Weg auf dem Pischagrat bereits erahnt werden. Allerdings war dazu noch eine zwar kurze, aber infolge sehr abschüssigem Gelände und bröseligem Untergrund entsprechend heikle Querung (geschätzt ca. T5) notwendig gewesen. Ich hab's probiert und es hat geklappt, den Weg zu erreichen. Doch dies konnte nicht die Lösung sein.

 

Wieder zurück versuchte ich es stattdessen auch noch obenrum, also mit einem kurzen Aufstieg auf und über den Grat. Dies war vergleichsweise ein Kinderspiel und so waren wir kurz darauf beide wieder in der "Zivilisation" zurück. Dass „mein Sattel“ tatsächlich um einiges niedriger als der vermeintliche und bereits auf der West- und nicht auf der Ostseite des Pischagrats lag, steht freilich auf einem anderen Blatt.

 

Nun fiel mir erst mal ein Stein vom Herzen, dass wir beide wieder auf einen bekannten Weg zurückgefunden hatten, und dabei die Pischabahn-Bergstation bereits ein gutes Stück hinter uns gelassen hatten. Von hier war der Grat dessenungeachtet zwar noch lang, aber problemlos.

 

Auf dem Abstieg vom Hüreli kürzte ich dann einige der ausholenden Bögen in den Grasflanken ab. Seraina, so der Name meiner Begleiterin, hatte zunächst die Tendenz auf der Wegspur zu bleiben, schien sich danach aber doch, zumindest ein wenig, von mir anstecken zu lassen und es auch abseits des Weges zu probieren.

 

Eigentlich musste sie ja nach St. Wolfgang zurück. Doch den direkten Weg dorthin, über den sie am Morgen aufgestiegen war, wollte sie nun nicht erneut gehen, da unangenehm steil. So stiegen wir also über Chalteboden in der Südflanke des Seehorn gemeinsam bis Stilli und zur Bahnstation Davos Dorf ab, wo sich unsere Wege dann trennten.

 

Zuvor hatte sie mir noch verraten, dass sie 14 Tage später mit einer Freundin auf's Schwarzhorn steigen wollte. Das dann gewiss in vielfacher Hinsicht ein Kontrastprogramm zu heute. Mittlerweile aber wohl auch schon Geschichte. Jedenfalls hoffe ich, dass es gut geklappt hat und dass sich  viele schöne Touren daran anschliessen werden!


 

Für mich stand aber fest, dass ich, wieder zuhause, mich intensiv noch mal mit dem Kartenstudium beschäftigen und bei nächster Gelegenheit wieder zum Pischahorn aufmachen werde.  Und u.a. auf Spurensuche gehen werde, wie es zu diesem Verhauer hat kommen können. Dass man am Pischasee in eine Falle tappen könnte, davon hatte ich ja bereits in diesem *Bericht von nwm gelesen. Es passte zwar nicht exakt auf die Situation heute. In eine Falle waren wir freilich ebenfalls getappt. Doch darüber demnächst mehr unter Pischahorn III.


Tourengänger: dulac
Communities: ÖV Touren


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Kommentare (2)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 9. November 2017 um 11:43
Ciao Wolfgang

viel Interessantes - und Unvorhergesehenes - erlebst du am Pischahorn; ein weiterer Abstecher wird ja folgen ...

ich sehe dir die wilde Abfalldeponie mal nach - warst du doch nicht ganz allein schuldig ;-)

und schön, dass du dich um die junge Dame gekümmert hast - so eine Gelegenheit ergibt sich ja nicht alle Tage ;-)

bin gespannt auf den nächsten Pischa-Bericht; dorthin möchte ich, übrigens, auch schon länger ...

lieber Gruss

Felix

dulac hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2017 um 23:57
Ciao Felix,

besten Dank für Deine Anmerkungen!

Tatsächlich war das Pischahorn für mich d i e Entdeckung der diesjährigen Saison - vielfältige Variationsmöglichkeiten für Auf- und Abstieg, ein geräumiger, aussichtsreicher Gipfel, von dem man garnicht mehr absteigen möchte und dann noch wenig besucht. Sehr zu empfehlen!

LG Wolfgang


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