Herr Ossi und der Geier - Girenspitz SW-Grat


Publiziert von jfk , 29. Juni 2017 um 00:35.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:27 Juni 2017
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-SG 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 1170 m
Abstieg: 1170 m
Strecke:13 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wildhaus, Dorf
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Wenn man sich mit einem neuen Tourenpartner zum ersten mal zu einer anspruchsvollen Tour verabredet, hat das immer ein bisschen etwas von einem ersten Date. Man(n) ist aufgeregt, stellt sich 1000 Fragen und hofft, dass einfach auch die zwischenmenschliche Chemie irgendwie passt. Nur dass man im Normalfall beim ersten Date dem Gegenüber nicht gleich sein Leben anvertraut... 

Vor kapp zwei Wochen war es nun wieder einmal soweit. Es hat sich herausgestellt, dass sich ossi und ich beide für den Girenspitz Südwestgrat interessieren und so wurde kurzerhand eine gemeinsame Tour zu diesem Objekt vereinbart. Pfiffig wie ich bin, habe ich meinen Tourenpartner in spe natürlich gegoogelt.
Da hab ich dann aber nicht schlecht gestaunt, was man im Internet über den ossi so alles herausfinden kann. So soll er neben einer schönen Frisur auch eine ganz spezielle Vorstellung vom richtigen Tourenproviant haben (hier und da). Weiter liest man, dass ossi gerne Mauern baut und, obwohl er nur selten kann, gerne in den Westen fährt. Dazu benutzt er vor allem sein geliebtes ossimobil (Foto). 
Prima Sache, dieses Googeln!

Alles Fake News, wie sich dann beim Treffen herausstellt! So scheint ossi so gar nicht viel vom Westen zu halten und auch ossimobil versprüht nicht den versprochenen, nostalgischen Charme. Aus dem Girenspitz wurde an diesem Freitag wegen schlechtem Wetter im Osten übrigens ebenfalls nichts. Stattdessen musste eine hübsche Runde am Pilatus als Ersatz herhalten.

Trotz diesen Entäuschungen wurde am Dienstag ein zweites Date gewagt. Wieder mit dem ursprünglichen Ziel Girenspitz Südwestgrat und wieder mit etwas unsicheren Wetterprognosen.  


So treffen wir uns also am Morgen in Wildhaus zum zweiten Streich. Gemütlich plaudernd wandern wir hoch Richtung Girenspitz. Der erste Teil der Route in schönem T6-Gelände entlang dem westlichen Rand des Vorbaus bereitet keine grösseren Probleme. Nur setzt unterdessen für fünf Minuten ein feiner Nieselregen ein, der gerade dafür ausreicht, Gras und Fels schön nass zu machen. Die Stimmung ist im Keller und der Optimismus ebenfalls auf einem Tiefpunkt. Eine gefühlte Ewigkeit stehen wir  so am Einstieg, diskutieren Verhältnisse und Absicherung und wissen doch nicht so recht weiter. Wie hatte es doch bereits Goethe einmal so schön formuliert: Da steh ich nun ich armer Tor und bin so schlau als wie zuvor.

Ein ermutigender Blick auf den Niederschlagsradar auf dem Handy lässt uns dann den Plan fassen abzuwarten, bis es wieder etwas abtrocknet und dann zumindest einen Erkundungs-Versuch zu wagen.
Uiuiui und dann gehts auch schon richtig los. Steil, plattig, brüchig, meist etwas Gras im Gesicht und mit besch.....eidenen Absicherungsmöglichkeiten präsentiert sich uns die erste Seillänge. ossi im Vorstieg zeigt hier seine ganze Klasse und Erfahrung in solchem Gelände. Wir benötigen aber auch entsprechend Zeit, um das Ganze mit der gebotenen Vorsicht zu erklettern. Die zweite Seillänge bietet dann keine Probleme und führt uns über eine schöne, zugegebenerweise etwas stark geneigte Blumenwiese und ein schmales Rasenband der Kante entlang unter einen kurzen Überhang, in dessen Schutz ein schönes Schnittlauchgärtchen gedeiht. Kulinarisch mag das durchaus zu überzeugen, als Griff taugt dieses Gemüse hingegen weniger.

In der nächsten Seillänge habe ich dann das Vergnügen des Vorstiegs. Ausgesprochen luftig und exponiert geht es um und über eine kurze, fast senkrechte Kante aus einigermassen soliden Rasenpolstern auf die nächste, geneigte Blumenwiese und über diese zu einer prima Standmöglichkeit unter der nun wieder felsigeren Gipfelzone. Eine letzte Seillänge, mit einzelnen, kurzen, diffizilen Stellen, führt zum letzten Stand der Toblerone auf dem Ostgrat. ossi freut sich auf dem Gipfel wie ein kleines Kind und ich stehe ihm diesbezüglich in nichts nach. Gerade auch wegen den Zweifeln zu Beginn ein grossartiges Erlebniss!
Im Abstieg klraxeln wir über den uns wohlbekannten Ostgrat, womit wir die ästhetisch vielleicht ansprechendste Überschreitung im Alpstein kompletieren.

Route
Topo I, Topo II


Die erste Seillänge ist gleich die anspruchsvollste und bildet den Schlüssel zur Tour.
In den alten Säntisführern wird der SW-Grat übrigens mit "nette Fahrt" III- bewertet.

Absicherung: Bis auf zwei Haken, die wir der Nachwelt hinterlassen haben (einer beim Einstieg, einer Mitte zweite Wiese), muss alles selbst abgesichert werden und das ist in dem brüchigen, dem Girenspitz eigenen, plattig-splittrigen Malmkalk nur in bescheidenem Umfang möglich und erfordert eine gewisse Erfahrung. 
Der IV. Grad sowie steiles und brüchiges T6-Gelände müssen vom Vor- und vom Nachsteiger sicher mit Bergschuhen beherrscht werden!

Ausrüstung: Mindestens 40m Einfachseil, 4-5 mittlere bis grosse Friends, ein Set Klemmkeile, 4-6 Schlaghaken, genügend Schlingen

Projekt Girenspitz: Mit dem SW-Grat konnte ich mein kleines Girenspitz-Projekt beenden,alle bisher begangenen Grate und Wände auf mindestens einer Route zu erklettern. Von den rein technischen Schwierigkeiten würde ich die Routen von leicht nach schwer wie folgt einordnen:
  • E-Grat (T6 II)
  • NE-Wand (Bocksweg (T6+ II), Grüner Geier (T6+ S-))
  • N-Grat (ohne direkte Kante) (T6+ S III+)
  • SW-Grat (T6+ S IV)
  • Toblerone (T5+ 6a)
     
In punkto Ernsthaftigkeit sieht meine Reihenfolge so aus:
  • Toblerone
  • E-Grat
  • NE-Wand
  • N-Grat
  • SW-Grat
     
Vielen Dank Ossi für die super Begleitung und das Mitnehmen bis Winti. Es hat riesig Spass gemacht! Ein Highlight in diesem tollen Bergjahr.

Tourengänger: ossi, jfk


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Kommentare (6)


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ossi hat gesagt: Dear...
Gesendet am 29. Juni 2017 um 07:25
....Mr President

Es war mir ein ausserordentliches Vergnügen mit Ihnen unterwegs zu sein. Können wir gerne wiederholen.

Und der Bericht ist eine Wucht!

jfk hat gesagt: RE:Dear...
Gesendet am 29. Juni 2017 um 10:40
Grazie mille! Dein Bericht zum Gitschen liest sich übrigens auch herrlich. Scheint ebenfalls eine "nette Fahrt" zu sein.

Gruess Jonas

Stevo47 hat gesagt:
Gesendet am 29. Juni 2017 um 09:57
Auch wenn ich diese Tour wohl sicher nie machen werde...es ist ein echter Genuss diesen Bericht zu lesen! Faszinierender Alpinismus und herzliche Gratulation zu dieser genialen Tour! Viele Grüsse, Steve

jfk hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Juni 2017 um 10:40
Danke dir.

G. Jonas

Alpin_Rise hat gesagt: Geierspitze komplett!
Gesendet am 29. Juni 2017 um 16:43
Der Herr Ossi testet seine Mitgänger gerne in einem steilen Blinddate, wir hatten unser erstes Mal im 7. Grad...

Gratuliere zu dieser letzen Linie und damit zur Vollendung "Projekt Girenspitz".

Als kleine Hommage an den Gipfel ein Zitat aus dem "Illustrierten Führer Säntis Gebiet" von 1925 (der übrigens nur "Südost-Aufstieg" und "West-Aufstieg" vom Moor enthält).

"Nicht leicht wird im ganzen Säntisgebirge eine zweite Gipfelgestalt zu finden sein, die sich an kühner Eleganz mit dem nächsten Nachbarn des Moor, dem Geierspitz, vergleichen lässt. In prachtvoller Wildheit isoliert aufragend, verdiente diese scharfkantige, plattengepanzerte Felspyramide mehr Interesse, als ihr in Wirklichkeit entgegengebracht wird. Aus den Eintragungen im Gipfelbüchlein geht hervor, dass der Berg durchschnittlich kaum zweimal jährlich bestiegen wird"

Fazit: mehr Zuspruch erhält der Gipfel mindestens im www, nicht zuletzt dank deinen Berichten!

G, Rise

jfk hat gesagt: RE:Geierspitze komplett!
Gesendet am 30. Juni 2017 um 10:07
Merci. Heute weist das Gipfelbuch im Schnitt immerhin zwischen fünf und 10 Einträgen im Jahr auf. Die Normalroute darf man mittlerweile wohl gar als T6-Klassiker bezeichnen und die schöne Toblerone erfreut sich zurecht auch einer gewissen Beliebtheit. Die anderen Routen werden eher selten oder teils gar nicht begangen und das wird sich sicher so auch nicht ändern.

G. Jonas


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