Roman(t)ischer Abendspaziergang mit Einserstellen


Publiziert von Waldelfe , 12. Juni 2017 um 20:53. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » Vogesen
Tour Datum:26 Mai 2017
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 2:45
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:5,5km
Unterkunftmöglichkeiten:Viele im schönen Ribeauvillé
Kartennummer:Carte de Randonnée Colmar/Kaysersberg (3718OT), IGN

Vor zwei Wochen waren Nik und ich ein paar Tage im schönen Elsass. Nach einer Wanderung um die Heidenmauer auf dem Odilienberg und einem Ausflug nach Colmar hatten wir noch nicht genug....

Wir starten unsere kleine Burgentour, die ganz spontan als Abendspaziergang begann, im malerischen Örtchen Ribeauvillé (Rappoltsweiler, 242m). Dort lassen gerade Touristen und Einheimische bei einem gemütlichen Essen auf einer der netten Restaurantterrassen den Tag ausklingen oder flanieren durch die Altstadt, welche auch wir auf der Grand Rue nach Westen durchqueren, bis zu dem großen Platz an ihrem Ende. Am Restaurant Aux Trois Châteaux geht es dann rechts die Passage Jeanelle direkt an der Stadtmauer hinauf (Beschilderung: Trois Châteaux/roter Balken) - wobei sich uns unsere drei auserkorenen Burgen den gesamten Spaziergang über in stattlichen Silhouetten am Horizont präsentieren.

An einer Schule wenden wir uns links hinauf in die Weinberge. Auf von sattem Grün gesäumten Waldwegen und der Abendsonne entgegen nähern wir uns unseren Zielen. An der beschilderten Abzweigung halten wir uns rechts und dann gleich wieder links, unserem ersten Burgziel entgegen: steil hinauf zum Chateau de Girsberg (520 m).

Die Spornburg Girsberg (Château du Girsberg) ist die kleinste der drei Rappoltsweiler Burgen. 1288 unter dem Namen "Stein" erstmals in Urkunden erwähnt, erhielt die kleine Burg ihren heutigen Namen von ihren Besitzern im 14. und 15. Jahrhundert, den Herren von Girsberg.
 
Ein Zweig der Herren von Rappoltstein erbaute die Burg als Wohnsitz. Ihre Entstehungszeit ist nicht genau datierbar: Die ältesten erhaltenen architektonischen Merkmale weisen auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts hin. Infolge eines Blitzes brannte 1288 ein Großteil der damaligen Burg ab, sie wurde jedoch anschließend wiederhergestellt.
 
1304 tauschte Anselm II. von Rappoltstein die Burg gegen den Stammsitz der Herren von Girsberg bei Soultzbach-les-Bains. Die Girsberger modernisierten die Burg. 1422 eroberten dann die Rappoltsteiner die Anlage in einem Streit mit Hans Wilhelm von Girsberg und steckten sie in Brand. Die Rappoltsteiner errichteten die Anlage daraufhin neu, vergrößerten die Kernburg und erhöhten den Bergfried sowie den romanischen Wohnbau. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg dann aufgegeben.
 
Die malerische Burg thront auf einem 60 Meter langen, bis zu 20 Meter senkrecht aufragenden Granitfelsen, der auf seiner Südseite in mehreren steilen Stufen abfällt und durch seine geringe Größe und scharfkantige Form die Form der Burg vorgibt. Hoch oben auf dem Fels stand die Kernburg, darunter befinden sich die Reste der Vorburg.
 
Der Kernburgbereich wird von den markanten Resten des fünfeckigen Bergfrieds dominiert. Darunter stehen, im vom Felsmassiv vergegebenen Rhythmus, die Reste der einstigen Wohnbauten, mit einem halbrunden Turm in deren Ostwand. Von der Vorburg sind noch Teile der Ringmauer und das spätgotische Burgtor erhalten.

 
All das kann man bewundern, sobald eine Einser-Kletterei überwunden wird, um in den oberen Burghof zu gelangen, denn wer braucht schon einen Burggraben mit hungrigen Krokodilen?

Und schon in wenigen Minuten erreichen wir die Château de Saint-Ulrich (525m), dessen Bergfried sich zwei Französinen als gelungenen Ort zum Feiern ausgesucht haben. Nebst Sekt und unzähligen Knabbereien wird uns prompt auch die weit aufgerissene Chipstüte hingestreckt. Die Sonne sinkt beständig weiter und taucht alles in ein wahrlich märchenhaftes Licht. Ein wirklich schöner Ort das Leben zu feiern:

Die Ulrichsburg (Château de Saint-Ulrich) ist die größte der drei Burgen von Ribeauvillé und die komplexeste der drei Anlagen. Sie steht unweit von Girsberg auf einem breiten Felsen hoch über dem Strengbachtal.
 
Die frühsten erhaltenen Überreste deuten ins 11. Jahrhundert. Der Bergfried ist ein wenig jünger, er wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet. Um 1200 entstand ein Wohnturm, etwa 30 Jahre später der berühmte Rittersaal, dessen neun romanische Zwillingsfenster bist heute gut erhalten/restauriert sind. Ins Jahr 1289 fällt dann die erste urkundliche Erwähnung der Anlage.
 
Die Burg hieß ursprünglich wohl Rappoltstein oder einfach "Alter Kasten". Von 1275 bis 1283 war Ulrich III. Herr zu Rappoltstein. Sein Namenspatron dürfte als Schutzheiliger der Burg Anlass für die Umbenennung gegeben haben. Sicher ist, dass der Generalvikar des Basler Bischofs 1435 in der Burgkapelle einen Altar zu Ehren des Heiligen Ulrich geweiht hat, im gleichen Jahr, in dem auch die Kapelle fertiggestellt wurde.
 
Zu dieser Zeit war die Burg vielfach in Kriegshandlungen mit den Besitzern der beiden anderen Burgen verwickelt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde sie schließlich dem Verfall überlassen.
 
Die Ulrichsburg spannt sich zwischen zwei Felsköpfe ein. Der nördliche ist vom quadratischem Bergfried besetzt, auf dem südlichen steht ein Donjon, ein Wohnturm, der vermutlich bedingt durch eine von mehreren Erbteilungen errrichtet wurde. Zwischen ihnen befinden sich die später errichteten Wohngebäude und die Burgkapelle. Etwas tiefer befindet sich der Zwinger und der herrliche Rittersaal mit seinen fantasievoll gestalteten romanischen Fenstern. Die Burg ist vergleichsweise gut erhalten und weist schönen romanischen Bauschmuck auf.



Die Sage von den zwei Brüdern:

Um die Burgen Girsberg und St. Ulrich rankt sich eine tragische Sage. Die Burgen befanden sich einst im Besitz zweier Brüder. Die beiden hatten sich zu einer Jagd verabredet und daher zuvor vereinbart, dass derjenige, der zuerst erwachen würde, den anderen durch einen Bolzenschuss an dessen Fensterladen wecken würde.
 
Als der Herr der Ulrichsburg am frühen Morgen erwachte, wähnte er sich als derjenige, der zuerst aufgestanden war, und machte sich am Fenster bereit, einen Bolzen zur Burg Girsberg zu schießen. In dem Moment jedoch, in dem er seinen Fensterladen öffnete, traf ihn der Bolzen seines Bruders mitten ins Herz.


Nach diesen zwei Burgen-Highlights folgt auch schon das Nächste. Denn wie heißt es immer so schön, aller guten Dinge sind drei! Und so geht es innerhalb von zehn Gehminuten hinauf (roter Balken) zum Château Haut-Ribeaupierre (653m).

Die Burg Hohrappoltstein (Château de/du Haut-Ribeaupierre, früher auch "Altencastel") ist die am höchsten gelegene Ruine von Ribeauvillé. Sie steht auf dem Berggipfel, etwa 100 Meter über Sankt Ulrich und Girsberg.
 
Die Burg wurde zwar erst 1254 erstmals urkundlich erwähnt, ihr Standort war, Keramikscherben zufolge, aber schon in der Bronze- und Hallstattzeit besiedelt. Auch Scherben aus der Eisenzeit und römische Münzen wurden hier gefunden.
 
Etwa im 9. bis 11. Jahrhundert entstand dann eine durch mehrere Wälle und Gräben gesicherte erste Befestigung, von deren nördlicher Hälfte Reste erhalten sind. Ihr südlicher Teil wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts dann mit der heutigen Anlage überbaut. zuerst entstand die Oberburg mit dem noch erhaltenen Bergfried, etwas später folgte der Ausbau der Unterburg. Im 15. Jahrhundert erfolgte dann der Ausbau der Anlage mit einer Bastion im Süden, vor allem durch Ulrich VIII. von Rappoltstein.
 
Spätestens ab Ende des 15. Jahrhunderts ließen die Rappoltsteiner die Burg von Vögten verwalten. Als 1528 ein militärisches Engagement Frankreichs im Elsass erwartet wurde, stationierte man eine Garnison in der Anlage und nutzte den Bergfried als Wachturm.
 
Letzte Bauarbeiten auf Hohrappoltstein sind für die Jahre 1572/1573 verbürgt. Die Burg wurde damals mit einem zweiten Zugbrückentor an der Südseite ergänzt. Kurz darauf war die Burg (wie die Ulrichsburg) aber schon nicht mehr bewohnt. Sie diente nur eine Zeit lang noch als Gefängnis für Diebe und Wilderer.
 
Die Oberburg aus dem 13. Jahrhundert steht auf einem Felsen etwa 12 Meter über der Unterburg. Ihr besterhaltener Teil ist der runde, ca. 25 Meter hohe Bergfried (der Zinnenkranz stammt aus dem 19. Jahrhundert). Am Südrand des Oberburgfelsens befindet sich eine Zisterne, dazwischen erhob sich einst ein Wohnbau.
 
Westlich und nördlich der Oberburg liegen die Reste der Unterburg, die etwas jünger ist. Von ihr sind vor allem die zehn Meter hohe Ringmauer an der Nord- und Nordostseite sowie Teile eines großen Wohnbaus an der Westseite erhalten. Im nordöstlichen Ringmauerabschnitt liegt ein kleines Tor, dessen heutiges Gewände aber nicht original ist, sondern 1904/1905 aus Spolien gebaut wurde.
 
Südlich der Zisterne finden sich am Hang die Reste eines polygonalen Baus, der wie die Toranlage aus dem 15./16. Jahrhundert stammt. Wahrscheinlich war er ein Artilleriewerk, das zur Verteidigung von Tor und Brücke diente.
 

Der Tag neigt sich dem Ende zu und so auch unser Abendspaziergang. Wir machen uns auf in den Sattel (Pt. 609m), von dort auf dem bequemen Weg wieder hinunter zum Château de Saint-Ulrich (525m). Dabei werden wir von dicken Maikäfern begleitet, die mit munterem Flügelschlag durch die laue Frühlingsnacht brummen.

Wir entscheiden uns dafür, nicht über Girsberg, sondern direkt hinunter nach Ribeauvillé (242m) abzusteigen. Dabei passieren wir zweimal die Mauer, die St.-Ulrich einst mit der Stadt verband. Die Nacht und mit ihr die Dunkelheit legt sich immer rascher über den Wald, Hase und Igel sind schon schlafen gegangen. Es geht mehrfach über Felsen - im Dunklen nicht so ganz ohne. Geht schon. Zurück in der Pension gönnen wir uns noch einen Mitternachtssnack, bevor auch uns die Augen zu fallen...

Gehzeit: 2:45, Besichtigungen eingeschlossen.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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Kommentare (1)


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Nik Brückner hat gesagt: Premiere!
Gesendet am 12. Juni 2017 um 20:59
Juhu! Gratuliere zum ersten eigenen Tourenbericht!

Wie schön es war....

Lieben Gruß vom

Nik


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