Matthorn, Tomlishorn SW-Grat und Widderfeld via Stollenloch


Publiziert von Chrichen , 5. Juni 2017 um 08:53.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:21 Mai 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-OW   CH-NW   CH-LU 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 1050 m
Abstieg: 2620 m
Strecke:ca. 19 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug bis Alpnachstad / Zahnradbahn bis Pilatus Kulm
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem ÖV: Zug ab Alpnach Dorf

Die Pilatusregion ist immer wieder einen Besuch wert. Dieses Mal stand der Tomlishorn SW-Grat auf dem Plan mit wunderschönen Kraxeleien im T5-Bereich. Im Anschluss daran wollte ich die mir ebenfalls noch unbekannte Route via Stollenloch auf's Widderfeld ausprobieren. Da ich beim Pilatus Kulm gestartet bin, hat es sich anerboten ganz zu Beginn noch das Matthorn zu besuchen. Wetter und Bedingungen waren etwas durchzogen, was einen langen Abstieg nach Alpnach Dorf zur Folge hatte.

Durch *diesen Bericht von Stijn wurde ich auf den Tomlishorn SW-Grat aufmerksam. Eigentlich wäre ich damals gerne mitgegangen, hatte aber leider schon einen verbindlichen Termin. Nun wollte ich ziemlich genau dieselbe Wanderung nachholen. Mit dem ÖV lässt sich der ideale Ausgangspunkt Lütholdsmatt leider nicht erreichen. Deshalb habe ich mich für einen Start beim Pilatus Kulm entschieden. Ursprünglich wollte ich zuerst auch wieder dorthin zurück. Ein heikles Schneefeld bei der nordseitigen Umgehung vom Widderfeld via Normalweg sowie Unklarheit über die Bedingungen auf dem offiziell noch gesperrten "Blumenpfad" zwischen Tomlishorn und Pilatus Kulm liessen mich umdisponieren.

Pilatus Kulm - Chilchsteine - Matthorn - Tumli (T3)
Mit der ersten Verbindung reise ich zum Pilatus Kulm, wo ich um 08:40 Uhr mit der Zahnradbahn ankomme. Noch ist nicht allzu viel los auf dem Pilatus. Offiziell sind alle Wege gesperrt. Zuerst gehe ich kurz zum Aussichtspunkt hoch und geniesse die Sicht über das Flachland und zum Vierwaldstättersee hin (der Weg zum Esel ist gesperrt). Die Berner Alpen zeigen sich kurz sehr scharf am Horizont. Der Himmel ist bewegt mit Nebelschwaden und tiefliegenden Quellwolken. Es geht es starker böiger Wind. Nach diesem kurzen Intermezzo steige ich ab in Richtung Chilchsteine. Es hat noch einige grössere Schneefelder, die aber wenig steil sind.

Obwohl der Weg auf den ersten Blick nicht besonders einladend aussieht, entscheide ich mich für einen Abstecher zum Matthorn (knapp 200 Höhenmeter). Aus der Nähe sieht es denn auch viel besser aus. Die mit dickem Drahtseil gesicherten Passagen (T3) haben kaum Schnee drinnen und sind unproblematisch. Weiter oben gibt es noch Schneefelder über dem Weg, wovon ich eines als ein wenig heikel empfinde. Der Schnee ist ziemlich weich und bietet eher wenig Halt. Mit dem Pickel geht es aber gut. Zum Teil umgehe ich die schneebedeckten Stellen, so dass mein Weg mit Auf- und Abstieg fast eine 8 beschreibt. Die Aussicht auf dem Matthorn ist sehr schön, und der Besuch hat sich definitiv gelohnt. Nach einem Weilchen kommen jedoch immer mehr Wolken auf, so dass ich schon bald absteige.

Vom Fusse vom Matthorn aus gehe ich nicht mehr zurück bis zum P.1865 (Chilchsteine), sondern steige direkt über noch etwas trostlos wirkende Alpweiden zum Strässchen nach Laub ab. Am Alpgebäude vorbei geht es zur Verzweigung beim P.1551, von wo ich die Alp Tumli anpeile. Diese wird gut angeschrieben über eine breite Naturstrasse erreicht.

Tumli - Tomlishorn (via SW-Grat) (T5, II)
Nun folgt das Kernstück der Tour. Der Anblick des bevorstehenden Kalk-/Schrofengrates lässt das Herz höher schlagen. Bevor die Alpgebäude erreicht werden, ist bereits das oft beschriebene luftig platzierte Bänklein schön zu erkennen. Nach einigen Vorbereitungen gehe ich an den Alpgebäuden vorbei und Trittspuren folgend nahe der Felswand ca. 30-40m nach Südost. Dabei wird bereits etwas aufgestiegen bis schliesslich das Wändchen mit dem alten Seil erreicht wird. Empfehlungen von anderen Hikr-Berichten zufolge überwinde ich die kurze Kletterstelle ohne dessen Hilfe. Kurz darauf finde ich mich schon beim Bänklein.

Zur Routenwahl gibt es ab hier nicht viel zu sagen. Ein wenig Spürsinn, Begehungsspuren und einzelne Bohrhaken helfen dabei, den/einen Weg zu finden. Vom Charakter her ist der Grat meist ziemlich breit ohne ausgeprägte Gratkante, wobei sich flachere oft grasige Passagen abwechseln mit Steilstufen aus Kalkstein, die kraxelnd mit einigen IIer Stellen überwunden werden. Oft bewegt man sich in Aufstiegsrichtung eher linksseitig, selten aber direkt an der Abbruchkante. Deshalb fühlt sich ein grosser Teil des Aufstiegs trotz beachtlich steilem Gelände nur mässig ausgesetzt an. Technische Schlüsselstelle bildet eine strukturarme Kalkplatte. Dank dem Tipp von Stijn "being tall helps" finde ich den entscheidenden Griff. Nach weiteren schönen Kraxeleien gelangt man schon bald zum Routenbuch, verpackt in einer kunstvoll bemalten Gamelle.

Wie einige Vorgänger geschrieben haben, ist die unmittelbar folgende Steilstufe etwas brüchig mit losen Steinen. Danach wird der Grat allmählich sanfter. Eine plattige Stelle überwinde ich, in dem ich einen geräumigen Tritt direkt an der Abbruchkante ausnutze. Dies ist auf meiner gewählten Linie wohl die luftigste Stelle. Bald schon dominiert Gras, und in einfachem Gehgelände geht es dem Gipfel entgegen. Auf dem Widderfeld sehe ich währenddessen vier Personen stehen. Ganz zum Schluss wird der Wanderweg gequert. Die Weitsicht auf dem Tomlishorn war schon besser, und so fällt die Gipfelpause sehr kurz aus.

Tomlishorn - Stollenloch - Widderfeld (T4, I-II)
Auf dem Wanderweg geht es nun weiter bis an den Fuss der Widderfeld Ostwand. Der Pfad führt zu Beginn durch steile Grasflanken und ist vom Nebel und dem frisch abgeschmolzenen Schnee schmierig feucht. Nach dem P.2054 läuft es sich angenehmer über den tollen Grasgrat. Der Nebel ist ziemlich dicht geworden, was etwas auf die Stimmung drückt. Kurz bevor ich die Felswand erreiche, wird die Sicht jedoch wieder schlagartig besser. Der offizielle Wanderweg quert hier auf die Nordseite vom Widderfeld. Anhand der Spuren im dort liegenden Schnee stelle ich beruhigt fest, dass eine Person heute bereits diesen Weg gewählt hatte.

Der Weg zum Stollenloch führt aber nicht in die Nordflanke, sondern am Fuss der Ostwand entlang gegen Süden (Begehungsspuren). Am besten geht man wohl von Beginn an direkt bis an die Felswand und folgt dieser. Ich habe mich hier von einigen Spuren zu einer kurzen aber eher mühsamen Querung in einem Gras-/Schrofenhang verleiten lassen. Gleich zu Beginn findet sich eine Höhle mit einem Raum weiter hinten. Zum Stollenloch quert man (fast) immer schön der Felswand entlang. Später markieren zahlreiche blaue Striche die Route. Gegen Ende stellt eine natürliche Felsbrücke eine schöne Attraktion dar. Der Weg scheint hier fein säuberlich geputzt worden zu sein. Dennoch ist der steile Abstieg auf dem Brücklein nicht gerade mein liebstes Terrain. In der begrenzenden Felswand hat es dort viele lockere Steine. Ganz zum Schluss sieht man das Stollenloch, welches über eine Rampe aus Felsbrücken mit viel losem Material erreicht wird.

Das Stollenloch selbst ist mit einer luxuriösen Holztreppe versehen und recht kurz. Danach werden noch ca. 100 Höhenmeter Aufstieg im Gras-/Schrofengelände über eine äusserst reichhaltig markierte Pfadspur absolviert. Ganz am Schluss gibt es noch eine kurze Kraxelstelle (I-II), dann befindet man sich auf dem Wanderweg, über den sich der Hauptgipfel nach wenigen Metern erreichen lässt. Auf dem Hauptgipfel steht ein improvisiertes Kreuz. Ich besuche noch kurz den Nebengipfel mit dem modernen Gipfelkreuz. Auch auf dem Widderfeld herrscht dichter Nebel, deshalb geht es ohne Pause sogleich weiter.

Die Route durch das Stollenloch ist technisch nicht sonderlich schwierig, aber bis zum Stollenloch dennoch stellenweise etwas exponiert und mit viel losem Material versehen. Rein gefühlsmässig hätte ich auch T4+ als Bewertung angemessen empfunden. Die einzige Kraxelstelle ganz am Schluss ist wohl irgendwo zwischen I und II einzuordnen.

Widderfeld - Felli - Märenschlag - Lütholdsmatt - Meisi - Alpnach Dorf (T2)
Vom Widderfeld steige ich weglos über Wiesen und Schneefelder ab, um den Wanderweg zurück in Richtung Pilatus Kulm zu erreichen. Der Nebel ist wieder dichter geworden, und die Orientierung nicht ganz einfach. Glücklicherweise kenne ich das Gelände von einem Besuch im letzten Herbst. Nach einem Weilchen treffe ich auf eine Gruppe mit fünf Personen, die ebenfalls auf der Suche nach dem Weg sind. Wir schliessen uns zusammen und steigen den Schneefeldern möglichst ausweichend weiter ab. Bald schon zeigt sich der Wanderweg wieder, und wir folgen dem mit Ketten gesicherten Weg bis zur ebenfalls gut gesicherten Kraxelstelle (T3), welche hinab zur Traverse führt. Soweit ist alles schön aper.

Unterhalb der Kraxelstelle müsste jedoch ein steiles Schneefeld mit ungünstigem Auslauf gequert werden. Die nordseitige Traverse hat insgesamt noch viel Schnee drinnen. Zwar sind Spuren vorhanden (diejenigen, die ich bereits von der anderen Seite her beobachten konnte), der Schnee ist aber weich und hat eine sehr unangenehme Konsistenz. Schon weiter oben gab es unglaubliche Stollenbildung an den Schuhsohlen. Möglicherweise hatte die Person vor uns noch etwas bessere Bedingungen. Mir ist das Schneefeld auf jeden Fall trotz mitgeführter Steigeisen zu heikel. Zudem war es fraglich, wie die Verhältnisse auf dem Blumenpfad zwischen Tomlishorn und Pilatus Kulm sein würden. Irgendwie haben wir auch genug von Nebel und Schnee. Deshalb entscheiden wir uns in den sauren Apfel zu beissen und nach einem kurzen Wiederaufstieg die 1500 Höhenmeter Abstieg bis nach Alpnach Dorf in Angriff zu nehmen.

Die Entscheidung war wohl richtig. Gemächlich geht es über den langen Rücken vom Widderfeld nach Felli hinab, während sich allmählich wieder besseres Wetter einstellt. Wir folgen den Wegweisern nach Lütholdsmatt und Alpnach Dorf bis zur Alp Märenschlag und weiter via Lütholdsmatt und Meisi nach Alpnach Dorf. Es wechseln sich einfache Wanderwege, Teerstrassen und Naturstrassen ab. Meist geht es durch Wald und schönes Alpgelände mit immer mehr Sonnenschein. Nicht nur gehen die 1500 Höhenmeter Abstieg in die Beine, auch die zurückgelegte Distanz kann sich sehen lassen. Entsprechend müde treffen wir beim Bahnhof in Alpnach Dorf ein. Im gut besuchten Bahnhofsrestaurant gönnen wir uns noch ein Erfrischungsgetränk während wir auf den Zug warten. Es hat mich sehr gefreut, unverhofft so sympathische Gesellschaft gefunden zu haben. Das hat sicherlich auch den Entscheid für den langen Abstieg erleichtert.

Obwohl die Tour nicht nach Plan A verlaufen ist, haben die vielseitigen Impressionen durchaus gefallen. Als Rundtour von Lütholdsmatt aus sind Tomlishorn SW-Grat und Widderfeld via Stollenloch schon früh im Jahr machbar. Ist man auf den ÖV angewiesen und startet auf dem Pilatus, muss entsprechend längern gewartet werden. Das Matthorn bietet eine schöne Aussicht, so dass sich der Abstecher lohnt. Der Tomlishorn SW-Grat trumpft mit schönen Kraxeleien über ca. 300 Höhenmeter auf. Die Route via Stollenloch zum Widderfeld war etwas anspruchsvoller als erwartet, aber landschaftlich sehr eindrücklich und abwechslungsreich. Ein neuerer Bericht zum Tomlishorn SW-Grat und Widderfeld mit sehr schönen Bildern von Pit findet sich *hier. Der lange Abstieg nach Alpnach Dorf hat die Tour wider Erwarten mit guten Erinnerungen bereichert. Nochmals einen herzlichen Dank für die Gesellschaft!

Tourengänger: Chrichen


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