Wo einst ihre Wiege stand - Čechie/Böhmerland


Publiziert von lainari , 5. Mai 2017 um 22:05.

Region: Welt » Tschechien » Šluknovská pahorkatina
Tour Datum:30 April 2017
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 370 m
Abstieg: 370 m
Strecke:16,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD (nur am Wochenende) bis Brtníky
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 13 Šluknovsko a Česke Švýcarsko

Eine Spurensuche im Böhmischen Niederland
 
Wer kennt sie nicht - die eigenwilligen, von 1925-1939 gebauten Langmotorräder der Marke Čechie/Böhmerland? Nie gehört? Das ging mir bis vor Kurzem auch so. Ich meine zwar das eine oder andere Exemplar schon mal in Museen gesehen zu haben, wusste aber nichts von ihrer Herkunft. Sie wurden einst in Kunnersdorf bei Schluckenau im Böhmischen Niederland hergestellt, Grund genug diesen Ort in eine Spurensuche einzubeziehen.
 
Am schönen Frühlingsmorgen fahre ich zum Bahnhaltepunkt Brtníky (Zeidler) und stelle dort das Auto ab. Eine junge Frau wartet auf den ersten Wochenend-Ausflugszug. Das Angebot wird wie ganz selbstverständlich auch von der lokalen Bevölkerung als zusätzliche Transportmöglichkeit genutzt. Ich laufe auf dem rot markierten Wanderweg über Wiesen bergwärts. Dies geschieht heute in aller Ruhe - ohne störende Quad-Chaoten. An der Waldkante mache ich die Reste der einstigen Birkenbaude aus, die nach dem Krieg abgerissen wurde. Ich folge dem Wegverlauf bis zum Zelený kříž (Grünes Kreuz) und biege dort nach rechts auf einen grün markierten Weg ab. Wenig später treffe ich auf ein Fahrsträßchen und halte mich links. Im Verlauf durchquere ich Kunratice (Kunnersdorf-Oberdorf), das nach dem Krieg auch einen Teil seiner Bebauung verloren hat und heute vornehmlich als Wochenenddomizil dient. Am unteren Ende kündigen eine kleine Kapelle und ein markantes Umgebindehaus den einstigen Standort der továrna Čechie (Motorradbau Albin Liebisch/Böhmerland) an, der heute mit Wochenendhäusern überbaut ist. An der nächsten Kreuzung biege ich nach rechts auf einen Flurweg ab, der durch liebliches Wiesenland führt, auf dem eine Mutterschafherde mit vielen Lämmern weidet. Sie sind dabei nur durch einen niedrigen Zaun gesichert, was ich in der sich vergrößernden Wolfsregion für äußerst riskant halte. Rechts des Weges werden die spärlichen Reste des nahezu vollständig getilgten Ortsteiles Kunnersdorf-Niederdorf sichtbar. Neben einem abgelegenen Anwesen ist nur die Čítkův mlýn (Kümpfel-Mühle) erhalten geblieben. Diese dient heute in idyllischer Lage als Pension.
 
Ich biege nach links auf eine Fahrstraße auf und laufe leicht steigend bis zum Kulminationspunkt, wo ich rechts einen markanten Damm im Wald ausmache, den ich sofort als Bergbauhalde deute. Hier befindet sich die Důl (Grube) Schweidrich. In einer ersten Bergbauperiode wurden hier von ca. 1470-1630 mit bescheidenem Ertrag Kupfer-, Silber- und Nickelerze gefördert. Ein neuer Bergbauversuch dauerte von 1835-1838. Letztmalig wurde hier während des I. Weltkrieges Erz gefördert. Neben einer Schachtpinge/Tagebau links der Straße sind rechts unterhalb zwei übereinanderliegende Stollen auf einer Gangstruktur auszumachen, wobei der untere zu Bruch gegangen/verfüllt und der obere durch ein Gittertor verschlossen ist. Eventuell ist im Tal noch ein Wasserlösestollen auf Bachniveau vorhanden, da das zerklüftete Deckgebirge anfällig für Oberflächenwassereintrag ist und die Stollen keinerlei Röschen aufweisen. Diesen Umstand habe ich jedoch nicht geprüft. Ich gehe auf einem Waldweg leicht steigend bergwärts und halte mich an Abzweigen rechts bis ich eine große schlanke Buche sehe. Unmittelbar in der Nähe finde ich den Kellerrest des einstigen Gasthauses Schweidrich. Daneben ist ein kleines Denkmal zu sehen, was vermutlich an einen Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges erinnert. Nun steige ich die wenigen Höhenmeter hinauf zum Gipfel des Schweidrich und klettere auf die interessanten Gipfelfelsenblöcke des bewaldeten Berges. Wieder unten lege ich an einer Bank eine kleine Pause ein. Über eine Lichtung verlasse ich den Berg weglos nach Südwesten und laufe auf bekannter Strecke nach Kunratice zurück.
 
In der Ortslage erkunde ich zunächst noch einen Mühlgrabenverlauf, bevor mich eine rote Markierung zum Fuß des Hrazený (Pirschken/Pirsken) leitet. An einer Feriensiedlung, dem Standort der einstigen Pirschkenbaude, biege ich nach rechts und pirsche aufmerksam durch das Flurstück Na číhane (Auf der Lauer). Später entdecke ich mehrere kleinere Schachtpingen und dazugehörige Halden eines frühen Bergbauversuches was ein Blick auf die Detailkarte mit dem Flurnamen Šachta (Schacht) untermauert. Aus dem Wald heraus komme ich zu den einigen Häusern und gehe abwärts durch Knížecí (Fürstenwalde) und biege nach links auf einen unmarkierten Flurweg ab. Über Offenland komme ich leicht fallend zur Waldkante, wo sich die Reste der Fürstenwaldský mlýn (Fürstenwalder Mühle) am Vilémovský potok (Wölmsdorfer Bach) befinden. Nach der Besichtigung wende ich mich über Schneisen und Forstwege zur Straße und laufe an ihrem Rand in Richtung Brtníky. Noch oberhalb des Bahnüberganges finde ich links der Straße den Kellerrest der einstigen Plissenbaude. Danach kehre ich zum Standort des Autos in Brtníky zurück, lege meine Mittagspause ein und trete die Rückfahrt an.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h 30 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist auf einem großen Teil nicht als Wanderweg markiert und mit T1 zu bewerten. Der Zugang zur Důl Schweidrich, zum Schweidrich und zur Fürstenwaldský mlýn, bzw. von dort mit Bachquerung zur Straße hat die Schwierigkeit T2.
Informationsquellen:
Beschreibungen/Bilder/Kartenausschnitte: www.zanikleobce.cz
Historische Karten: archivnymapy.cuzk.cz
Militärische Nachkriegsluftbilder der VGHMÚř: kontaminace.cenia.cz

Tourengänger: lainari


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