Aig. d'Argentière s/w-Anstieg 1975


Publiziert von FJung , 3. Mai 2017 um 16:58.

Region: Welt » Frankreich » Haute-Savoie » Massif du Mont Blanc
Tour Datum: 5 August 1975
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   F 
Zeitbedarf: 2 Tage

Wenn ich mir heute die eingetragenen Touren in der LK von damals anschaue, muß mir wohl sehr viel an dieser wunderschönen Gegend gelegen haben. Schaut auch meine anderen Touren an.
Hier nun endlich das Gipfelglück von Frankreich aus:

Die Seilbahn brachte uns von Argentière zum Croix de Lognan in 1970 m Höhe. Wir, das waren mein Bruder Kalli, Mireille und ihr Vater (bekannt von der  Montblanc-Tour).   Nach einer halben Stunde kamen wir um einen Bergbuckel herum, dann sahen wir diesen grandiosen Gletscher sich in das Tal zwängen, sahen, wie die Eismassen übereinandergetürmt waren und ein Chaos hinterließen. Wir vier Menschen kamen uns hier ganz klein vor. 
Das Wetter war mal wieder ganz herrlich, so daß ich sogar in Shorts bis zur Ref. d'Argentière  gehen konnte. Der Weg führte zunächst an der südlichen Seite des Gletschers weiter, mitunter mußten wir an den seitlichen Felsen etwas klettern, bis wir oberhalb der Eisbrüche und Spalten den nun fast ebenen Gletscher erreichten und vor uns den Talschluß dieses Kessels erblickten, der aussieht, als wäre hier das Ende der Welt. 
Mich überraschte, daß nun eine neue Hütte anstelle der alten hier in dieser Einöde stand. Sie ist das Modernste, was ich bisher an Hütten gesehen hatte.

Aber zunächst galt der Blick den Nordwänden von der Aig. des Grands Montets bis zum Mont Dolent, dem Dreiländereck in den Hochalpen. Dazwischen  erkannten wir als Hauptgipfel Les Droites mit seinen genau 4000 m Höhe und Les Courtes sowie die Aig. Verte mit seinen 4122 m. Eine imposante Mauer aus Fels und eis, etwa 8 km lang und 1 km hoch, vom Gletscherboden aus betrachtet.
Eine Gruppe kämpfte noch in der Nähe des Bergschrundes am Les Droites, sie waren noch nicht weit gekommen. Eine andere Seilschaft konnten wir im oberen Drittel der Courtes im Eis entdecken. Auch sie schienen fast nicht mehr vorwärts zu kommen.
Von der Hütte aus konnten wir all dieses verfolgen, die Fenster waren schräg nach außen gebaut und behinderten die Sicht nicht.
Weil der Nachmittag noch lang war, gingen Mireille und ich hinter der Hütte den Hang hinauf und kletterten doch noch zwei Stunden lang herum, bis es um 18 Uhr zu essen gab und wir uns stärkten. Anschließend schauten wir wieder hinunter auf den Gletscher, auf die abweisenden Hänge der gegenüberliegenden Seite und ließen lange die Blicke schweifen. 
Die Nacht verbrachte ich nicht weit von der Hütte im Freien. So etwas ist ein herrliches Erlebnis. Über mir funkelten die Sterne in ihrer ganzen Pacht, in einer Helligkeit, wie sie von den Stadtbewohnern nicht erahnt werden kann. Sternschnuppen verblitzten ganz schnell, und immer wieder wurde die Ruhe von einem Knall und anschließendem Gepolter unterbrochen. Tonnen von Eis und Felsen stürzten wohl jede Nacht die Wände der Droites und Courtes hinab. Ich dachte an die Bergsteiger, die jetzt in den Wänden biwackierten. Hoffentlich hatten sie einen geschützten  Platz. 
Im Mondschein konnte ich die Einzelheiten der Landschaft erkennen. So lag ich zwischen Träumen und Wachen, Schlafen und Erschrecken, wenn neue Eismassen ins Tal polterten, bis sich noch im Dunkel eine Taschenlampe mir näherte. Mireille weckte mich, es galt, aus den Träumen aufzuwachen. 
Den Verlauf der Route hatten wir in der Hütte genau erörtert. Der Aufstieg zum Col du Chardonnet und die Kletterei über den Westgrat kam für uns nicht in Frage, dieser Weg war zu lang uns wohl auch schwieriger als die Route, die über den Gl. du Milieu in einem Couloir bis fast zum Gipfel führt.
Im Dunkel suchten wir uns einen Weg auf der Moräne. Diese ersten Meter sind immer die unbequemsten. Vor dem Gletscher seilten wir uns an. Es war gut, daß wir am nachmittag noch den Anstiegsweg erkundet hatten, so fanden wir uns in diesem Spaltengewirr etwas zurecht und kamen mit den Steigeisen, die hier unbedingt nötig waren, auch gut vorwärts. So bot der Anstieg in dieser Höhe keine Schwierigkeiten, bis die Felsen sich links und rechts verengten und es galt, einen Bergschrund zu überwinden. Auf einer schmalen Schneebrücke konnten wir ihn überqueren. Nun ging es merklich steiler bergan.
Ohne Steigeisen wäre hier überhaupt nichts zu machen gewesen. Kalli hatte aber Schwierigkeiten, weil seine alten Eisen ohne Frontzacken waren. So kam es, daß Mireille und ihr  Vater immer größeren Vorsprung bekamen. Das Eisfeld, auf dem wir uns befanden, hatte eine Steilheit von mindestens 50 Grad. Wenn hier jemand ausrutschte, nahm er seinen Seilgefährten sicher mit in die Tiefe. So gesehen, war diese Tour sicher nicht schwerer als die Bernina, aber objektiv gefährlicher. Wenn wir zwischendurch auf einige Felseninseln kamen, waren wir darüber ziemlich glücklich, obwohl das Gehen auf den Felsen mit den Stiegeisen auch keine Freude bereitete. Außerdem mußte man aufpassen, daß keine Steine gelockert wurden denn sie fielen alle in der Aufstiegsspur hinab, und es waren heute viele Gruppen unterwegs.
Endlich erreichten wir den Grat, von dem es nur noch wenige Meter bis zum Gipfel waren, der mir von der Schweizer Seite verwehrt wurde.
Fast beim gesamten Aufstieg waren Wolken um den Gipfel. Wie auf Bestellung verschwanden sie, als wir aus 3900 m Höhe hinüber auf die Aig. Verte, die Aig. du Chardonnet und hinab zur Schweiz schauten. Durch das Fernglas erkannten wir die Cab. de Saleina, erst von hier aus war der so lange Anstiegsweg von dort bis hier zum Gipfel in seiner Ganzheit auszumachen. Vertrautes Gelände sah ich wieder, wie das Plateau du Trient und die Aig. du Midi. Welch ein Glück hatten wir noch einmal mit dem Wetter!
Wir waren spät dran, der Abstieg war sicher genau os schwierig wie der Aufstieg. Der Schnee war nun etwas weicher, während das Absteigen im Eis immer noch größte Vorsicht walten ließ. Kalli und ich durften nicht beide auf einmal gehen, dafür waren die Steigeisen von Kalli zu schlecht. Wenn einer abstieg, sicherte der andere. Mireille war mit ihrem Vater schon wieder viel weiter abgestiegen,sie warteten unterhalb des Bergschrundes auf uns.
Als auch wir wieder flacheres Gelände erreichten, waren wir froh. Obwohl  ich nun ja schon viele Berge bestiegen habe, war es das erstemal, daß ich eine so steile Eiswand begangen habe, vielleicht vergleichbar mit dem Finsteraarhorn. 
Wir blickten zurück. Wolken hatten das Couloir verdeckt. Wir hatten mit dem Wetter unsagbares Glück gehabt. 
Im Regen ging es den gleichen Weg hinab zur Seilbahn. 



Tourengänger: FJung


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