Montblancbesteigung 1975 Ende Juli


Publiziert von FJung , 2. Mai 2017 um 20:25.

Region: Welt » Frankreich » Haute-Savoie » Massif du Mont Blanc
Tour Datum:29 Juli 1975
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 

Hier ist ja schon viel über die Gipfelbesteigung geschrieben, aber ich möchte doch nicht auf den Bericht verzichten, Nach dem Piz Bernina erholten wir uns  an den norditalienischen Seen, bis es uns dann nach Chamonix trieb. Übernachtet wurde wieder auf dem  mir bekannten Campingplatz in Les Praz de Chamonix. Das genaue Datum der Besteigung weiß ich nicht mehr, Ende Juli/Anfang August auf jeden Fall. 
Hier wieder der "O-Ton":

Kaum hatten wir beim Nid d'Aigle die Zahnradbahn verlassen, spurtete kalli los, um uns zu zeigen, in welcher guten Verfassung er nun wieder war. Der Weg war nicht zu verfehlen, ich ging langsam hinterher auf bekannten Wegen und in einer bekannten Gegend. So hatte ich Zeit genug, hinüber zur Aig. de Bionnassay und den Gletscher zu schauen. Auf der Aig. du Gouter sah ich in der Sonne die Hütte stehen. Sie sollte unser heutiges Ziel werden.
Als der Weg über die Felsen ging, erreichte ich die beiden (Kalli und Peter) wieder. Gemeinsam stiegen wir weiter. Heute war kein Wind, es war angenehm, hier zu laufen. Bald kam auch die Cab. Tete Rousse in Sicht.
Wi aßen eine "Gletschersuppe", wie Kalli sie taufte und schauten hinauf zur Gouter-Hütte (3817 m) . Die Felswand, auf der sie steht, sieht unbezwingar aus. Wo mochte der Weg sein, der zur Hütte führt? Von hier unten aus wara nichts zu erkennen. Auch für mich war das Terrain nun neu. Wir folgten den Spuren im Schnee, die zur Wand führten. Der Pfad war auch in dem Felsen erstaunlich gut ausgetreten, wir hatten keine Mühe, den Weg zu finden. Viele Berggänger waren unterwegs. Wir mußten noch ziemlich am Fuße der Wand das berüchtigte Couloir überschreiten. Es zieht sich vom Gipfel bis hierher und weiter nach unten. Alle Minuten stürzten Steine diese Rinne herab, begleitet von einem großen Gepolter. Wer von so einem Stein getroffen wurde, wurde mit in die Tiefe gerissen. Also galt es, hier sehr vorsichtig zu sein. Einzeln liefen wir so schnell es ging durch das Couloir, Fixseile waren im Schnee angebracht, während von den geschützten Seiten zugerufen wurde, falls Steine sich von oben näherten. Es ging aber alles gut. Nun war es nicht mehr so schlimm. Der Weg war zwar furchtbar steil, der Rucksack drückte ganz schön, aber die Tete Rousse-Hütte wurde doch immer kleiner, während die Gouter-Hütte und damit das Ende dieser Plagerei von der Wand aus nicht zu sehen war. Einige Seile erleichterten den Aufstieg, wir hörten über uns Stimmen, die Hütte war nicht mehr weit. Sofort hinter ihr beganan der Firn zum Dome du Gouter. Würden die Sochneemassen die Hütte nicht einmal über den Abgrund drücken?
Die Hütte war viel zu voll. Wir bekamen noch Platz für 1 1/2 Matrazen. Vier Leute mußten auf diesem engen Raum schlafen! Jetzt war Saison, ganz Frankreich hatte Ferien und schien hier zu sein. Kein Wunder, daß Kalli bei dieser Platzenge Mireille kennenlernte und wir beschlossen, am nächsten Tag mit ihrem Vater zusammen auf den Gipfel zu steigen.
Am Abend stiegen wir noch die wenigen Meter bis zum Firngrat auf. Es war auch für uns überraschend, in dieses Chaos von zerrissenen Gletschern und bizarren Felsen zu schauen. Durch das Fernglas erkannten wir die Hütten der Grands Mulets in 3051 m Höhe, während wir selbst fast 800 m höher waren. Wir erkannten due Aig. du Midi, den Col du Midi sowie den Mont Blanc du Tacul, am Horizont mit der Wetterfahne die Aig. Verte und links davon die Aig. du Chardonnet.
Aber hier oben war es doch zu kalt, um das ganze Bild in sich aufzunehmen. Die Wetterfahnre zeigte uns Wetterverschlechterung an, sie ist so etwas wie das Barometer von Chamonix und dem Montblanc. Würden wir es noch schaffen?

In stockdunkler Nacht seilten wir uns an. Mireille und ihr Vater hatten im Auto ihre Taschenlampen vergessen. So stolperten sie hinter uns her. Es war wieder kalt, aber nicht windig.
Den Firngrata zum Dome du Gouter gingen wir langsam an. Kalli mahnte immer wieder, doch langsamer zu gehen. Er hatte große Schwierigkeiten, sich an die Höhe zu gewöhnen. Wenn er nicht mehr weiterkonnte, ruckte er am Seil, so daß ich stehenbleiben mußte. Als wir im Sattel zwischen Dome du Gouter und Vallothütte ankamen, war es bereits hell. Wir hatten sehr viel Zeit verloren. Peter und ich fühlten uns noch sehr  gut in Form. Sollten wir wegen auf die Besteigung verzichten? Er war total erschöpft, so daß ich ihn noch vor der Vallothütte sagte, daß ich ihn nicht mit auf den Montblanc nehmen würde. Er war darüber sehr verändert in der Unkenntnis seines Erschöpfungszustandes. Die letzten Meter zur Vallothütte mußte ich Kalli mehr ziehen, als daß er selber ging.. In der ungemütlichen Hütte, in 4362 m Höhe, war es sehr kalt. Kalli zog sich die Schuhe aus und ließ sich die Füße massieren. Er konnte unmöglich mit auf den Gipfel. Auch ich überlegte mir, ob der Anstieg mit Peter zu probieren sei. Auf dem Weg zur Hütte waren wir bereits einige Male in Wolken gehüllt, auch jetzt zogen Wolkenschwaden um den Gipfel. Es war nicht sicher, daß das Wetter sich halten würde.
Mireille und ihr Vater wollten nicht weiter. Peter stand, eine Schokolade kauend, in einer Ecke und überlegte. Um ihn anzuspornen, sagte ich ihm, daß ich mit einer anderen Gruppe noch zum Gipfel gehen könnte. Das weckte seine Geister. Er sah nicht erschöpft aus, mit ihm konnte ich den Anstieg ruhig wagen, ging es mir durch den Kopf. Vater und Tochter waren bereit, Kalli wieder mit zur Hütte zu nehmen. Auf uns hier zu warten, hatte keinen Sinn, weil es zu kalt war.
Peter war sogar in sehr guter Verfassung, er ging nun zügiger als ich. Es sollte sein dritter Viertausender werden, es war sogar erst das dritte mal, daß er überhaupt einen Berg bestieg. Eine tolle Leistung von ihm! Wir brauchten auf dem Aufstieg nicht viel zu reden, außerdem brauchten wir die Luft zum Atmen dringend. Allerdings hatte ich gedacht, daß die Belastung auf den Körper in dieser Höhe größer sei. Aber bei etwa 4000 m Höhe ist eine Schwelle erreicht, und wenn sie überwunden wird, sind keine weiteren Belastungen bis etwa 4900 m zu spüren (jedenfalls war das bei uns der Fall). Es kommt nur darauf an, daß man genügend Ausdauer und Kraft hat. Wir brauchten fast 2 Stunden von der Vallothütte bis zum Gipfel. Die letzten Meter auf einer schmalen Firnschneide werden für mich wohl unvergessen bleiben. Ich fand es so feierlich und mußte einige Tränen unterdrücken. Ein Traum war Wirklichkeit geworden. Wir reichten uns die Hände, waren glücklich. Auf dem Gipfel trafen wir eine andere deutsche Gruppe, wir gratulierten uns gegenseitig.
Das Wetter hatte sich noch gehalten, es war aber kalt.  Die Sicht war aber nicht besonders schön, überall waren Wolken um die Gipfel. Und wie klein sahen sie alle aus!!!  Die ganze Herrlichkeit der Felswände war weg, vor allen Dingen, wenn man weiter Richtung Matterhorn schaute. Das sollte er sein?   Wir aßen nur ein Stückchen Schokolade, dann gingen wir wieder den gleichen Weg hinab. 
Bei der Vallothütte schaute ich kurz rein, aber die Restgruppe war schon längst in der Gouter-Hütte, wo sie sich schon ausruhte. Auch mir wurden die Knie immer  weicher. Ich habe schon viele anstrengende Touren gemacht, aber solche wackeligen Knie wie hier habe ich noch nie gehabt. Bei jedem Schritt glaubte ich, daß das Knie sich verschieben würde, es tat nur langsam weh, wurde aber während des Abstiegs immer schlimmer. Peter schien hiervon nichts zu spüren. Woher nahm er nur die Kraft und Ausdauer? Jede kleine Rast tat meinen Knien gut. Nur langsam erreichten wir die Gouterhütte. Kalli war schon wieder guter Laune und stieg mit Mireille und Vater hinab zur Zahnradstation, während wir uns noch etwas ausruhten. Auch wir mußten wieder bergwärts. Übernachten durften wir nicht, weil die Hütte wieder bis oben hin gefüllt sein würde mit neuen Montblanc-Aspiranten.
Nach der Ruhepause machte der Abstieg zur Tete Rousse keine Schwierigkeiten, auch das Couloir passierten wir alle gefahrlos, trotz des späten Nachmittages. Ab der Tete Rousse machten sich wieder meine Knie bemerkbar, Wo ein kleines Schneefeld war, stieg ich dort hin und rutschte darauf ab, mich mit dem Pickel haltend. 
Peter war auf dem Weg geblieben. Kurz vor dem Nid d'Aigle trafen wir uns wieder. Zusammen gingen wir zum Kiosk, zogen uns die Schuhe aus und warteten auf den nächsten Zug, während vor uns eine Flasche Bier stand. Auf dem Parkplatz in Les Houches wartete Kalli auf uns, der eine Einladung nach Annecy von Mireille und Vater erhalten hatte.
Erholung am Lac d'Annecy, in der Altstadt mit den Kanälen und Gaststätten, welch ein schöner Kontrast! 

Tourengänger: FJung


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