Tour d'Ai 1971


Publiziert von FJung , 27. April 2017 um 16:11.

Region: Welt » Schweiz » Waadt » Waadtländer Alpen
Tour Datum:20 Juni 1971
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VD 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 1914 m
Abstieg: 1914 m
Strecke:Aigle - Leysin - Tour d'Ai - Eau froide - Roche (VD)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Aigle im Rhonetal
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Roche im Rhonetal

Wieder war der Sonnabend verregnet, aber für alle Fälle hatten wir für Sonntag um 4 Uhr (in der Frühe) ein Rendezvous abgemacht, um bei den Pucelles klettern zu gehen, falls das Wetter besser würde. Ich wachte aber erst um 5 Uhr auf. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne war schon aufgegangen, und wieder mußte ich eine Tour alleine machen, weil die Kollegen natürlich schon fort waren. Weit wollte ich nicht fahren, und so bot sich die Gelegenheit, auf den Tour d'Ai zu gehen.
In Aigle stieg ich aus den Zug. Es war erst 8.50 Uhr, und ich wollte nun alles zu Fuß laufen. Neben mir fuhr mit einem Riesenkrach die Zahnradbahn durch die Straßen Richtung Leysin hinauf, aber ich pfiff darauf und ging auf Schusters Rappen.
Der Weg ging durch die Weinberge und führte direkt in den Wald hinein. Die Luft war feucht, die Bäume und Sträucher schwitzten genauso wie ich. Dazu mußte ich noch im tiefen Laub gehen, der sich im Laufe der Jahre auf dem Weg angesammelt hatte. Der Schweiß stand mir auf der Stirn, meine Kleidung war bald vollkommen durchnäßt. Endlich kam ich zu einer Bank, von wo ich eine wunderbare Sicht hatte hinunter auf Aigle und das Schloß, auf die Dents du Midi und das Plateau du Trient, das mir auch nicht mehr unbekannt war. Nirgends war eine Wolke zu sehen, es war windstill, die Rhoneebene lag wie reingewaschen unter mir, ich konnte jede Einzelheit erkennen.
Kurz darauf kam ich bei dem Gehöft Drapel (685 m)  vorbei, das ganz herrlich zwischen den Wiesen lag. Auch von hier aus hatte ich wieder eine herrliche Sicht.
Aber ich wollte ja weiter, und nun mußte ich steil bergan gehen. Aus meinen Gedanken wurde ich aufgescheucht, als ich über mir im Gehölz ein Krachen hörte und urplötzlich zwei Gemsen den Steilhang hinuntersprangen, auf dem Weg mir einige Meter entgegenliefen und dann mit riesigen Sprüngen wieder im Unterholz verschwanden. Sie hatten mir einen großen Schrecken eingejagt, und ich staunte über die Geschwindigkeit, mit der sie durch das Gebüsch hetzten. Auch wunderte ich mich, daß  so  tief, unterhalb 1000 Höhenmetern, noch Gemsen anzutreffen waren. 
Der Weg endete in eine Wiese. Die Sonne schien auf sie hinab, sie war gefüllt mit Blumen aller Größe und Farbe.
Es war nun Zeit, die nasse Kleidung zu wechseln, und ich ging in Shorts und leichtem Hemd durch die Wiesen, bis ich um 11.30 Uhr in Leysin ankam. Ich mußte durch das Dorf, denn die Sonnenbrille hatte ich vergessen, so daß ich mir eine neue kaufen mußte.
Als ich außerhalb des Dorfes nicht weiterwußte, setzte ich mich in eine Wiese und vesperte etwas und dann  ging es gestärkt weiter. Der Weg führte durch eine Almwiese und dann durch Wald, bis ich um einen Bergbuckel herumging und dahinter einige Almhütten lagen. Von hier konnte ich auf den kleinen Lac de Meyen und den Tour de Mayen schauen.
Eine Stunde Aufstieg lag nch vor mir. Zunächst ging der Weg über Gras, bis sogar eine Leiter im Fels war, damit es bequemer hinaufging. Oben war der Grat sehr schmal, links und rechts waren steile Felswände. Aber es waren gemütliche Minuten beim Aufstieg, und als ich auf dem  Gipfel stand, konnte ich nicht glauben, daß es eine so schöne Aussicht gibt.
Der Genfer See lag wie eine glitzernde Wurst in der Landschaft, ich erkannte Evian und Lausanne, dahinter sogar den Neuenburger See, der Rochers de Naye leuchtete mit seinem Hotel zu mir herüber, den Moléson mit der Seilbahnstation, den Mont d'Or, Pic Chaussy, die Gummfluh und in den Wolken das  Berner Oberland erkannte ich. Dann waren klar zu erkennen das Oldenhorn, Les Diablerets, hinter der Grand-Muveran-Kette das Matterhorn, dann das Montblancgebiet und davor die Dents du Midi. Daran schlossen sich die Berge des benachbarten Frankreichs an, und beim Genfer See blieben die Augen wieder hängen.
Direkt unter mir sah ich den kleinen Lac d'Ai und die beiden Seen des Argnauley mit seinen Gehöften im Norden. Dann wagte ich noch einen Blick die Nordostwand hinunter, die Klettereien im 6. Schwierigkeitsgrad bietet. 
Ein leichter Wind vertrieb mich vom Gipfel, und einige Meter tiefer legte ich mich ins Gras. Als ich verträumt aufwachte, waren die Diablerets in Wolken gehüllt, es war kälter geworden, und die Sonne stand auch schon ziemlich tief.
 Bald kam ich wieder am Fuße der Felsen an. Ein Weg führte im Geröll um den Felsen herum, dort stieg ich wieder empor, bis ich zum Grat kam, der vom Tour d'Ai zur Berneuse führt. Vom  Gipfel hatte ich eine Schneerunse ausgemacht, und im Stehen fuhr ich hinab. Es ging sehr gut, nur zu früh war diese Freude u Ende. Durch Gebüsch schlug ich mich nach unten. Als ich bei den beiden Seen (Lacs d'Ai) ankam, zogen bereits Wolken um die Berge, die ich gerade verlassen hatte. Es fing sogar leicht zu regnen an. 
Es war bereits 20 Uhr, aber in Anbetracht der Jahreszeit hoffte ich auf einen langen Tag. Weil mir weiter keine Möglichkeit blieb, nahm ich den Weg an der Eau Froide hinab nach Roche in der Rhonebene. Noch war ich in 1500 m Höhe, auf der Tafel stand: Roche 3 h. Ich mußte mich also sputen, ging mit raschen Schritten auf der rechten Seite des Baches entlang, durchquerte kleine Lichtungen, auf denen verlassene Hütten und Häuser standen. Es wurde immer dunkler. Der Wald ließ nicht mehr viel Licht hindurch. Zum Glück gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, der Weg war auch frei von Steinen und Baumwurzeln, so daß ich nie stolperte oder sogar hinfiel. Der Bach rauschte, der Wald war still, nur noch ein Uhu schrie etwas in die Einsamkeit hinaus.
Vor mir war eine Brücke über den Bach. Rechts davon stürzte das Wasser etwa 40 m über einen Felsbruch hinab, unter der Brücke (Pont d'Egras) sprudelte es durch freigewaschene  Felsritzen. Ein gespenstiges Bild, wie das Wasser im Dunkel hinabfiel. Mit der Taschenlampe, die ich bei mir hatte, beleuchtete ich die Szenerie. 
Im Licht der Taschenlampe schienen mir immer riesige Ratten zwischen den  Beinen hindurch zu laufen. Endlich erkannte ich, daß es die Schatten der Grasbüschel waren, die links und rechts des Weges standen.
Der Wald strömte einen ganz eigentümlichen Geruch aus. Einmal war die Luft erfüllt von Wacholder und Himbeergeist, weiter tiefer stank plötzlich alles, und ich atmete so flach wie möglich.
Unter mir sah ich nun die beleuchteten Häuser von Roche. Endlich tauchte ein großer weißer Block aus dem Nichts auf, das Gebäude der Zementfabrik. Noch einige Schritte, und ich war im Licht. Häuser links und rechts von mir, dann ein Restaurant! Es war 21.45 Uhr, und es begann zu regnen.

Siehe auch den Bericht (über die Brücke, auf französisch):
http://www.hikr.org/dir/Pont_d_Egras_33264/



Tourengänger: FJung


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