Sisiger Spitz (1914m): Gratüberschreitung Chlingenstock bis Driangel


Publiziert von Chrichen , 16. November 2016 um 07:49.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:29 Oktober 2016
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Fronalpstock - Kette   CH-SZ 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 580 m
Abstieg: 1150 m
Strecke:ca. 14 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug bis Schwyz / Bus bis Schwyz, Stoosbahn / Standseilbahn bis Stoos / ca. 30 min Fussmarsch / Sesselbahn bis Chlingenstock
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem ÖV: Standseilbahn ab Stoos bis Schwyz, Stossbahn / Bus bis Schwyz / Weiter mit dem Zug

Die Gratwanderung vom Chlingenstock bis zum Fronalpstock ist bekannt und wird häufig begangen. Vor einigen Jahren konnte ich diese kurze und schöne Wanderung bereits einmal machen. Damals war ich fasziniert vom einsamen Grasgrat, der sich vom Chlingenstock weiter nach Osten zum Sisiger Spitz hin fortsetzt. Erst viel später wurden mir Details zu dieser Route bekannt, dank Hikr und dem SAC Führer. Schliesslich sollte es nochmals ein Weilchen dauern, bis sich eine gute Gelegenheit fand, dieses Projekt tatsächlich in Angriff zu nehmen. Entgegen der ursprünglichen Planung konnte ich mich dabei sogar ziemlich konsequent an den Gratverlauf halten, was eine besonders spannende Variante darstellt.

Eigentlich war ich zunächst davon ausgegangen, dass die Bahn zum Chlingenstock nicht mehr fährt, wie die meisten Bahnen um diese Jahreszeit. Auf dem Hinweg konnte ich mich jedoch erfreulicherweise vom Gegenteil überzeugen, und somit wollte ich diese Möglichkeit trotz dem relativ hohen Preis für die Einfach-Fahrt auch ausnutzen. Der Fussmarsch von Stoos bis zur Talstation der Sesselbahn ist ausgeschildert und in ca. 20-30 Minuten zu bewerkstelligen.

Chlingenstock - Hengst (eine Stelle T4)
Der Weg vom Chlingenstock zum Hengst und weiter zum Lauchstock ist eigentlich klar: Man kann stets ziemlich genau dem Grat folgen. Über weite Strecken gibt es eine mehr oder weniger deutliche Wegspur, die öfter mal etwas in die Nordflanke ausweicht. Stellenweise kann es lohnend sein, diese Spur zu ignorieren und direkt auf dem Grat zu gehen. Die im SAC Führer Alpinwandern / Gipfelziele Zentralschweiz speziell erwähnten Stacheldrahtzäune sind bereits abgelegt worden, was das ganze Unterfangen wesentlich angenehmer macht. Bis kurz vor dem Hengst ist das Gelände in einigem Auf und Ab recht sanft. Der Hengst wird über einen gegen Ende hin schmalen Grat gewonnen. Danach muss kurz etwas ausgesetzt abgekraxelt werden, bevor man wieder weiträumiges Wiesengelände erreicht. Dies ist die erste kurze Schlüsselstelle der Tour (T4).

Da ich dank Bahnbenützung viel Zeit gewonnen habe, erlaube ich es mir die beiden kurzen Gratausläufer gegen Norden hin kurz zu erkunden (Wegspuren vorhanden), wobei ich nicht wesentlich absteige. Beim Hengst mache ich eine erste Pause. Es herrscht schönstes T-Shirtwetter, Musse pur!

Hengst - Lauchstock (eine Stelle ca. T4-)
Weiter gehe ich nun zum Lauchstock, im Wissen, dass dies eine Sackgasse ist. Zwar bin ich sonst nicht so der Gipfelsammler, doch Zeit ist zur Genüge vorhanden, und ich erhoffe mir einen schönen Blick auf den Sisiger Spitz. Zwischen Hengst und Lauchstock darf ich erste Erfahrungen mit der leicht feuchten und z.T. sogar noch gefrorenen Nordflanke machen. Die vorhandene Wegspur erleichtert das Vorankommen massiv, und es ist insgesamt weniger rutschig als befürchtet. Die nötige Konzentration sollte dennoch aufgebracht werden. Am Schluss leicht ausgesetzt lässt sich der Lauchstock problemlos erreichen (geschätzt T4- für die letzten paar Meter vor dem Gipfel).

Auf dem Lauchstock treffe ich auf einen anderen Wanderer. Er hatte mich zuvor bei meiner Pause beim Hengst überholt. Es ist eine der wenigen Begegnungen an diesem sonnigen Samstag seit Verlassen des Chlingenstocks. Er telefoniert gerade mit Freunden, die offenbar auf dem Sisiger Spitz stehen, uns gesehen und deshalb angerufen haben. Das Gespräch dreht sich um den möglichen Weiterweg. Ich hatte eigentlich vorgesehen der im SAC Führer Alpinwandern / Gipfelziele Zentralschweiz vorgeschlagenen Route zu folgen. D.h. den senkrechten Abbruch am Lauchstock nordseitig zu umgehen, in der Nordflanke zu traversieren und dann den Sisiger Spitz von Norden her zu erreichen (T4+, Details im Führer). Die Umgehung auf der Südseite erschien mir Berichten zufolge zu anspruchsvoll. Der Kollege am Telefon erfährt aber aus erster Hand, dass es ein Drahtseil gäbe, welches in die Südflanke hinabführt. Davon wusste ich nichts, oder ich habe es vielleicht vergessen. Jedenfalls machen wir uns zu zweit auf, um das Seil zu suchen. Schlussendlich werden wir den ganzen weiteren Weg gemeinsam bestreiten inklusive Ausklang in der Bergbeiz.

Lauchstock - Sisiger Spitz (T5+)
Das dünne Seil finden wir einige Meter vor dem Gipfel (schlecht geschätzt ca. 30-40m) an einem Baumstamm befestigt. Viel weiter vom Gipfel entfernt könnte es nicht sein, denn da kommt bald einmal eine Felswand in den Weg. Auf guten Gras-/Erdtritten geht es ausgesprochen steil in die Südflanke hinab. Das Seil ist eine grosse Hilfe, auch wenn es dünn und etwas lose aufgehängt ist. Wieviel Vertrauen man der Einrichtung schenken will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Unten angekommen legt sich die Hangneigung etwas. Wir traversieren zunächst direkt den Felsen entlang, dann etwas darunter zurück zum Grat. Dieser lässt sich durch einen wenige Meter langen steilen Schlussaufstieg erreichen. Im Führer ist die südseitige Umgehung des Lauchstocks als T6 angegeben. In einigen Hikr-Berichten wird sie als T5+ gewertet, wobei das Drahtseil jeweils keine Erwähnung findet (d.h. vermutlich noch nicht da war, nicht gesehen oder ignoriert wurde) und scheinbar eine leicht andere Route gewählt wurde. Dank dem Drahtseil würde ich ein gutes T5 schätzen.

Der folgende Gratabschnitt bis gegen den Sisiger Spitz ist stellenweise schmal und exponiert (ca. T5). Im ersten Teil empfiehlt es sich möglichst konsequent auf der Gratschneide zu bleiben. Später wird kurz in die Nordflanke ausgewichen (v.a. wegen einigen Bäumchen, die den Weg versperren). Bei gutem Hinsehen sind stets schwache Begehungsspuren erkennbar. Einige der exponiertesten Stellen v.a. in der ersten Hälfte überschreiten meine Wohlfühlgrenze, und ich entscheide mich für eine eher unelegante Art der Fortbewegung (die nicht näher beschrieben werden soll). Hier gilt es einen Dank an meinen neuen Begleiter auszusprechen für das Verständnis und die Geduld. Beruhigend ist, dass der Grat an einigen Stellen nach Norden hin verlassen werden könnte. Liebhaber von exponierten Graten werden dieses Teilstück in ihr Herz schliessen.

Am Fusse vom Sisiger Spitz angelangt beraten wir über die weitere Route, denn es stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Der SAC Führer steht beratend zur Seite. Am einfachsten geht es über die Nordflanke (T4+). Nachdem wir aber schon extra den scharfen Grat vom Lauchstock her bezwungen haben, erscheint die direkte Besteigung über den W-Grat lukrativer. Diese sieht gut machbar aus (im Führer als T5+ ausgewiesen). Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Variante über die Flanke ist ausserdem, dass das Gras hier schon länger von der Sonne beschienen wurde und schön trocken ist. Da ich für den Fall des Falles einen Pickel mitgenommen habe, nehme ich diesen jetzt zur Hand. Für steiles Gras ist er ein grosser Sicherheitsgewinn. Dass es auch ohne geht beweist mein Begleiter.

Der untere Teil des Gipfelaufstiegs besteht aus einem steilen und eher schmalen Gras-/Schrofengrat, der sich angenehm erklimmen lässt. Anschliessend legt sich dieser zurück und verläuft sich nach einem kleinen Aufschwung in einer Grasflanke, die wir leicht nach links querend ersteigen. Dies ist die steilste Stelle, wobei das Gras gut gestuft ist und schöne Tritte vorhanden sind. Schliesslich erreichen wir nochmals einen letzten Gratabschnitt, der unschwierig zum Gipfelkreuz führt. Wir gratulieren uns gegenseitig und gönnen uns eine Gipfelpause.

Sisiger Spitz - Driangel (ca. T4)
Vom Sisiger Spitz steigen wir nun über den SE-Grat in Richtung Driangel ab. Der Einstieg sieht etwas unangenehm aus, aber auch hier bieten sich gute Tritte an. Nach einem Weilchen wird der Grat nochmals richtig steil, danach ist der Zauber vorbei. Der verbleibende Weg zu den beiden auf der LK verzeichneten kleinen Tümpeln hinunter ist ziemlich vegetarisch. Spuren führen aber geschickt an den Bäumchen vorbei, ohne dass allzuviel Abstand vom Grat genommen werden muss. Die Tümpel sind recht schmutzig, einer davon reflektiert aber denoch das Himmelsblau und die Bergwelt wunderschön. Über sanfte Wiesen lässt sich der Driangel leicht erreichen. Damit haben wir unser letztes Gipfelziel geschafft.

Driangel - Laubgarten - Tröliger - Chruterenwald - Stoos (anfangs T3, danach durchgehend T1)
Vom Driangel steigen wir ein Stück sehr ergonomisch über den fluffig federnden Nordgrat ab, und queren dann in die Flanke zum Talkessel "Laubgarten" hinein. Bald erreichen wir flaches Gelände und dem Bächlein folgen wir bis zu den Alphütten beim P.1595. Mehrheitlich über breite Natursträsschen erreichen wir nach einem längeren eher unspektakulären Marsch die Talstation der Sesselbahn zum Chlingenstock. Nach einer Kaffeepause geht es weiter nach Stoss und mit der Stoosbahn zu Tale.


Die Gratwanderung vom Chlingenstock zum Sisiger Spitz und weiter zum Driangel hat mir äusserst gut gefallen. Die Überschreitung bietet Voralpenwandern der Extraklasse. Besonders schön war die unerwartete Begleitung und dass wir schlussendlich die spannende Route durchgehend dem Grat folgend verwirklichen konnten. Typisch für den Herbst waren die Nordflanken meist feucht. Ein Vorteil war hingegen, dass die zahlreichen Stacheldrahtzäune bereits abgelegt waren. Nebst der gewählten Variante ist ein Abstieg ins Riemenstaldner Tal empfehlenswert. Alternativ könnte auch bis nach Muotathal weitergegangen werden.

Tourengänger: Chrichen


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Kommentare (2)


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Stevo47 hat gesagt:
Gesendet am 16. November 2016 um 08:55
Ciao Christian, Gratulation zu dieser wunderschönen Tour! Die Bilder begeistern absolut und man würde am liebsten loslaufen. Würde sagen...die Sihltaler Grate können kommen ;o). Viele Grüsse, Steve

Chrichen hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. November 2016 um 13:15
Hoi Steve! Vielen Dank! Die Sihltaler Grate sind vermutlich schon nochmals eine andere Klasse. Da träume ich gerne noch ein bisschen weiter davon :-). Bei dieser Tour hier sind die Schlüsselstellen und exponierten Passagen eher kurz, und der Grat kann an etlichen Stellen problemlos verlassen werden. Das macht nochmals einiges aus. Schön war es auf jeden Fall!!
Viele Grüsse, Christian


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