Ohne rumzupflaumen: Švestková dráha


Publiziert von lainari , 29. September 2016 um 23:08.

Region: Welt » Tschechien » České středohoří
Tour Datum:25 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 760 m
Abstieg: 760 m
Strecke:21,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Bad Schandau, RB der DB/Os der ČD (U 28) Bad Schandau-Děčín hl. n., R der ČD Děčín hl. n.-Lovosice, Zug von Railway Capital (T 4) Lovosice-Sinutec
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Zug von Railway Capital (T 4) Bělušice-Most, Os der ČD (U 1) Most-Děčín hl. n., Os der ČD/RB der DB (U 28) Děčín hl. n.-Bad Schandau
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 10 České středohoří západ

Über die Pflaumenbahn zur Vier-Berge-Tour ins Böhmische Mittelgebirge
 
Seit einiger Zeit hatte ich eine ÖV-Tour ins České středohoří (Böhmisches Mittelgebirge) in Planung. Nun schienen die Bedingungen ideal zu sein. Am klaren, jahreszeitlich angemessen kühlen Morgen begab ich mich nach Bad Schandau. Am wie ausgestorben wirkenden Bahnhof hatte gerade ein Nachtzug einen Kurzhalt. Ich bewaffnete mich am Automaten mit einem Elbe-Labe-Tagesticket als wie aus dem Nichts eine dunkelhäutige Person neben mir auftauchte. In gutem, leicht akzentuiertem Deutsch stellte sich der Mann als Tscheche vor, der sich in einer Notlage befinde. Ich solle ihm Geld für eine Fahrkarte nach Děčín geben. Meine Preisfrage wurde ausweichend mit drei oder vier Euro, jedenfalls wäre es billig, beantwortet. So konnte er nichts gewinnen, billig war hier nur eins - seine Masche! Er rechnete sich kurz seine Chance aus, meine Geldbörse komplett an sich zu bringen und war, kaum hatte ich ein definitives Nein ausgesprochen, wie vom Erdboden verschluckt. Wie ich im Nachgang aus Sicherheitskreisen erfuhr, kann diese Person einer einschlägig personenbekannten/aktenkundigen Klientel zugerechnet werden. Also Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste…
Ich stieg dann in den Desiro-Triebwagen, der auf der Linie U 28 verkehrt. Zügig ging es Richtung Děčín. Auf dem glatten deutschen Oberbau erzeugten Resonanzen ein aufdringliches Geräusch hinter einer Verkleidung des Zuges. Ich wusste gar nicht, dass „Plastik“ so einen Krach machen kann. Auf dem etwas welligeren tschechischen Oberbau hatte sich das Geräusch dann zurechtgerüttelt und war verschwunden. Das obere Elbtal war total vernebelt. Hatte ich etwa das falsche Tourenziel gewählt? Problemlos wechselte ich in Děčín hl. n. in den R 677 „Radobýl“. Der Schnellzug bestand aus einem doppelstöckigen CityElefant. Zügig und komfortabel rauschte dieser das Elbtal hinauf. Kurz vor Lovosice schien die Sonnenscheibe kurz durch den Nebel, es würde sich also noch bessern. In Lovosice erreichte ich den bereitstehenden historischen Railway Capital-Triebwagen (M 240.0/820), der als Středohorský motoráček über die Švestková dráha (Pflaumenbahn) verkehrt. Die Bahnstrecke Lovosice-Most, die bereits ihren Verkehr verloren hatte und vor der Stilllegung stand, wurde 2016 für regelmäßige Wochenendfahrten von April bis Oktober als Turistická linka T 4 reaktiviert. Der schwach besetzte Zug begann seine Fahrt durch die Nebellandschaft. Der Dieseltriebwagen mit hydrodynamischer Kraftübertragung war erwartungsgemäß recht laut im Innenraum. An Bahnübergängen wurde intensiv gehupt, die Sicherungsanlagen waren, wo noch vorhanden, außer Betrieb. Unser Erscheinen schreckte einige Fasane, Hasen und Rehe aus den Gebüschen neben der Strecke auf. Langsam lichtete sich der Nebel und ich bekam erste Eindrücke von der umliegenden Mittelgebirgslandschaft. Die Bahnhöfe und Haltestellen der Strecke hatten ihre beste Zeit bereits hinter sich. Etwaige Nebengleise waren zum Teil unbefahrbar. Ich hatte darüber nachgedacht, bereits in Třebívlice (Trieblitz) umtriebig zu werden und hatte auch mit Libčeves (Liebshausen) geliebäugelt, wollte nun aber Sinutec (Sinutz) als Ausgangspunkt benutzen. Der Triebwagen kam zum vorab beim Schaffner bestellten Halt. Ich stieg aus, der Zug fuhr weiter und nun stand ich allein im Nirgendwo.
 
Von der weit ab des Ortes liegenden Station Sinutec - zastávka (Sinutz - Haltepunkt) lief ich entlang eines Sträßchens durch die kleinen Orte Charvatce (Charwatz) und Mnichov (Minichhof). Letzte Nebelfetzen zogen herum. Ab Mnichov folgte ich einer grünen Wanderwegmarkierung und arbeitete mich über die bewaldete Nordflanke auf den Gipfel des Oblík (Hoblik) hinauf. Der am Südabhang baumfreie Berg bot einen schönen Rundblick im Dreiviertelkreis. Hier legte ich eine kurze Frühstücksrast ein. Über einige Kehren ging es danach auf einem schönen Pfad an der Südflanke talwärts. Loser Schotter erforderte bisweilen erhöhte Konzentration. Vorbei am aufwendig renovierten Gutshof Oblík lief ich bis zu einem Teich und bog dort vom Wanderweg Richtung Hauptstraße ab. Am Straßenrand bot ein breiter Randstreifen Platz zum Gehen, richtig Spaß machte dieses Stück trotzdem nicht. Nach kurzer Zeit bog ich nach links auf ein bergwärts führendes Sträßchen ab. Dort gelangte ich vorbei an touristischen Einrichtungen (Parkplatz, Imbiss, Landeplatz für Gleitschirmflieger) an den Fuß des Raná. Trotz eines hohen Besucherandranges fühlen sich hier auf den Magerwiesen Europäische Ziesel zu Hause. Ich konnte etliche der quirligen Tiere beim Nahrungssammeln und Sonnen beobachten. Der Berg ist ringsherum fast komplett baumfrei und befindet sich in einer Art Grassteppe. Am halben Berg mündete ein blau markierter Wanderweg ein, den ich fortan benutzte. Auf dem Gipfel des Raná (Rannayer Berg) traf ich auf ein Dutzend Gleitschirmflieger die auf eine günstige Startgelegenheit warteten und andere Piloten beobachteten.
 
Nach einer Trinkpause stieg ich nach Westen ab und kam später an der Ortsrand von Hrádek (Hradek). Entlang eines verkehrsarmen Sträßchens wanderte ich bis zum Wegweiser Milá. Dort bog ich relativ weglos nach links ab und erklomm den Hügel Písečný vrch. Hier befand sich einst eine urgeschichtliche Siedlungsstätte. Ausgrabungen haben besonders viele Funde aus der Mittleren Altsteinzeit und der Bronzezeit zu Tage gebracht. Die frühen Siedler bauten hier Quarzit ab, aus dem sie Messerklingen fertigten. Der Quarzit war auch der Grund neuzeitlicher Steinbruchtätigkeit auf dem Berg. Heute steht der Berg unter Schutz. Auf einem bequemen Quarzitfelsen legte ich in aussichtsreicher Position meine Mittagspause ein. Frisch gestärkt ging ich schließlich durch die Ortslage Milá - obec (Millay) bergwärts. Auf den Gipfelzugang abgebogen, schraubte ich mich auf einem schönen Pfad über die bewaldete Nordseite auf den Milá - vrchol (Millayer Berg) hinauf. Bei einer Trinkpause überdachte ich das weitere Vorgehen. Die erste recherchierte Zugverbindung vom geplanten Zielpunkt Bečov u Mostu (Hochpetsch) würde ich nicht mehr erreichen, zur Zweiten wäre eine Wartezeit von zwei Stunden erforderlich. Deshalb stieg ich gemütlich vom Berg ab und verkürzte die Tour mit einem Ende in Bělušice (Bieloschitz). Am Ortsrand passierte ich zunächst das Hochsicherheitsgefängnis und bog am Buswendeplatz vom Wanderweg ab. Über eine Straße kam ich zum Bahnhaltepunkt an der Švestková dráha.
 
Der Triebwagen erschien nach der halben Wartezeit und brachte mich nach Most. Jetzt am Nachmittag war die Verbindung etwas besser nachgefragt. An einem Halt mitten im Nirgendwo, der nicht mal mehr eine Namenstafel hatte, wurden zwei Radfahrer abgesetzt. Mit geplanten zwei Minuten Umsteigezeit wechselte ich in Most problemlos in einen RegioPanther-Triebwagen der Linie U 1 nach Děčín. Dort verbrachte ich die Restwartezeit in interessanterer Umgebung und fuhr schließlich mit dem Triebwagen der Linie U 28 zurück nach Bad Schandau.

Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h.
Die Bergzugänge sind mit T2 zu bewerten, die übrige Strecke mit T1.

Tourengänger: lainari


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