Schusterplatte 2957m - Die Welt der Steine


Publiziert von georgb , 26. September 2016 um 11:12.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:25 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1550 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Pustertal-Innichen-Innerfeldtal-Antoniusstein
Kartennummer:tabacco Sextener Dolomiten

Eigentlich sind die Sextener Dolomiten nichts weiter als eine Anhäufung von Steinen und Felsen. Doch diese steinerne Welt übt eine so gewaltige Faszination aus, dass das Gebiet um die Drei Zinnen Menschenmassen aus aller Welt anzieht. Viel weniger anziehend sind allerdings die schroffen, abweisenden Zacken und Türme des Dreischustermassivs. Nur einer der Gipfel ist einigermaßen zugänglich und wird häufiger besucht: Die Schusterplatte.
Bei meinen Recherchen stoße ich zufällig auf den überragenden Bericht unseres Dolomitengesteinsfetischisten ;-) gero hier. Schnell steht mein Tourenplan fest, ich präge mir seine detaillierte Beschreibung ein und ziehe los ins Reich der Sextener Steinwelten.
Vom Antoniusstein folge ich den Markierungen Richtung Dreizinnenhütte bis auf knapp über 2000m. An einer Senke mit Ruhebank zieht links der schwach erkennbare Steig hinauf zu den Hängen über dem Innichbachergraben. Direktere Varianten durch das Bachbett weiter unten oder auf dem in der Karte verzeichneten abgebrochenen Kriegssteig sind nur abenteuerlustigen Hasardeuren vorbehalten! 
Doch auch unsere Variante wartet mit Überraschungen auf, denn die Wegspur hinunter in den Innichbacher Graben ist gefährlich ausgewaschen und abgebrochen. An den Begrenzungsfelsen entlang krieche ich teils auf allen Vieren und der Adrenalinspiegel steigt zum erstenmal an. Bald wird die Spur wieder besser und durch den wilden Graben helfen Steinmänner und Begehungsspuren hinauf in das weite Hochtal unter der Schusterplatte. Der Blick öffnet sich und beim Anblick der gewaltigen Szenerie schießt das Adrenalin schon wieder. Ein bestens markierter  Steig zieht meist im Gehgelände durch die Felsen einfach zum Gipfelhang. Eine brüchige, aber gut begehbare Rinne steht im Weg (Stelle II-) und später wieder im Wandermodus erreiche ich das eindrucksvolle Gipfelplateau, von überraschenderweise rotem Geröll bedeckt mit vielen kunstvollen Steinmännern. Ein ungewöhnlicher Gipfel mit gewaltiger Aussicht. Der klare Herbsthimmel erlaubt Blicke auf viele Steine weit über die Grenzen Südtirols hinaus ;-)
Erst jetzt kommt mir Bergfreund gero wieder in den Sinn und ich werfe einen Blick nach Norden in die unberührte Schusterwelt. Ein kleines Schneefeld lässt mich zögern, aber wildentschlossen und mit seiner perfekten Wegbeschreibung im Hinterkopf stürze ich mich hinunter Richtung Schusterplattenscharte.
Was jetzt folgt bringt mich an die Grenzen meiner nervlichen Belastbarkeit. Eine schwache, nicht durchgehende Trittspur ist vorhanden und gelegentliche Steindauben helfen bei der Orientierung, aber die Steilhänge sind vom Regen abgespült und immer wieder gilt es ausgewaschene, heikle Rinnen zu queren. Im leichten Auf und Ab quert das, was von dem Steig übriggeblieben ist, durch die Westflanke der Weisslahnspitze, unterbrochen von mehreren Scharten und gewürzt mit steilen unangenehmen Schotterrinnen. Typisch für wenig begangene Touren in den Dolomiten verändert sich das Gelände in kurzer Zeit oft drastisch!
Endlich kommt unter mir das Neuejagdkar in Sicht und ich atme durch. Ein zauberhafter Platz, groß wie ein Fußballfeld, übersäht mit riesenhaften Blöcken. Doch beim Tiefblick in die Schusterlahne ahne ich weitere Unannehmlichkeiten. Von Spuren ist kaum noch etwas zu erkennen und das Geröll eignet sich nicht zum Abfahren. Schritt für Schritt mit herzhaftem Kanteneinsatz quäle ich mich abwärts immer auf der Suche nach der besten Variante. Dank Georgs Beschreibung halte ich mich immer an die orografisch linke Flanke, doch seine "Wegspuren" sind längst abgespült und seither war offensichtlich wenig "Bewegung" in dem Gebiet. Mühsam erreiche ich ein Mäuerchen, hier findet  sich endlich ein angedeutetes Steiglein und das Geröll wird freundlicher. Nach 1300 Höhenmetern Abfahrts"vergnügen" kommt die Dreischusterhütte in Sicht und ich frage mich, was mehr gelitten hat, meine Knie oder die neuen Leichtbergschuhe.
Nach so viel Steinkontakt genieße ich den Rückweg zum Parkplatz zurück in der sanften Welt der Bäume und Wurzeln und bin mir noch unschlüssig, ob ich gero danken soll für die Inspiration zu dieser wilden Steinbeißerrunde ;-)))

 

Tourengänger: georgb


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Kommentare (9)


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mong hat gesagt:
Gesendet am 27. September 2016 um 01:46
Ist fantastisch, eure Gegend!

georgb hat gesagt:
Gesendet am 28. September 2016 um 18:35
Bist du jetzt auch Steinfetischist! Ich dachte eher, du stehst mehr auf Blätter ;-)))

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. September 2016 um 00:06
Zugegeben, die Blätter sind faul. Sie machen nur, ganz knapp, was sie müssen - nämlich die Photosynthese.

Aber die Steine sind noch viel schlimmer. Die Steine machen überhaupt nichts. Nur wenn sie dazu gezwungen werden, rollen sie ein bisschen talwärts - aber nur, wenn sie dazu gezwungen werden. Es ist ein Skandal. Siehe hier

georgb hat gesagt: Das Lied der Steine
Gesendet am 29. September 2016 um 09:22
mong, ich bin begeistert, dein Lied der Steine ist für mich eines der Highlights der gesamten hikr-Berichte!
Bravo!

mong hat gesagt: RE:Das Lied der Steine
Gesendet am 30. September 2016 um 00:42
Hey Georg
Ich habe den Steinen von deinem netten Feedback erzählt. Sie haben Dankeschön an dich gesagt, sind dann aber sofort wieder in ihr GeoKoma zurückgefallen.
;-)

Menek hat gesagt:
Gesendet am 3. Oktober 2016 um 11:06
Gran bel giro....

gero hat gesagt: Der Dolomitengesteinsfetischist ...
Gesendet am 30. Oktober 2016 um 15:12
... fühlt sich angesprochen und meldet sich zu Wort!

Servus Namensvetter,

irgendwie kommt es mir vor, als seien wir unterschiedliche Wege gegangen. Nun, beim Innichbachergraben kann ich nicht mitreden - den hab ich bisher immer gemieden und bin brav auf dem 3-Zinnen-Hütten-Weg Nr. 105 geblieben.

Aber weshalb Du beim Abstieg über die Schusterlahn solche Schwierigkeiten vorgefunden hast, kann ich nicht nachvollziehen. Klar, ich bin HINAUF gegangen - da ist bekanntlich alles leichter als abwärts. Trotzdem ... ich bin ja nun bekanntlich absolut kein Freund heiklen Geländes, damals war vor allem der Anstieg oberhalb der Neugjaidscharte ein Genuß - sowohl landschaftlich als auch von den (moderaten) Anforderungen her. Alles "wanderbar", also Gehgelände mit durchgehend dünnem, aber deutlichem Steig.

Ob wirklich das ganze Gelände durch Niederschlag so grundlegend verändert worden ist? Wasser hat ja bekanntlich ungeahnte Kräfte .... Beim Westhang der Weißlahnspitze halte ich das für möglich: selbige ist ja ein übler Bruchhaufen (s. mein Bericht), aber das riesige Geröllfeld der Schusterlahn?

Jedenfalls tut es mir Leid, wenn diese Tour, die mir damals ja außerordentlich gut gefallen hat, für Dich so einen ganz anderen Charakter hatte! Von T6 war bei mir absolut keine Rede, normalerweise enden meine Fähigkeiten bei T4 - also VOR Anforderungen, die von Dir oder auch von Tef mit T5 (Referenz: Mieminger Hochwand, WESENTLICH anspruchsvoller als dieser Anstieg über die Schusterlahn) bewertet wird.

Ich finde die T-Skala sowieso äußerst "unpraktisch" (weil sie wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt und der Begriff des "BergWANDERNS", auf dem sie ja aufbaut, nach meiner Lesart grundsätzlich einen geringeren Anspruch als das "BergSTEIGEN" suggeriert) und verwende sie deshalb praktisch nie - aber hier hätte ich, wenn überhaupt, T3, allerhöchstens T4 vergeben. Und vom klettertechnischen Schwierigkeitsgrad II war sowieso keine Rede - ich hatte damals an keiner einzigen Stelle die Hände wirklich zwingend zum Fortkommen benutzen müssen, mal abgesehen von der kleinen Wandstelle südlich unterhalb der Schusterplatte auf derem NORMALweg.

Insofern tut mir leider Dein letzter Satz richtig weh ..... aber ich kann das - wie gesagt - höchstens verstehen unter dem Aspekt, daß sich durch Regen der Charakter des Geländes völlig verändert hat.

Beste Grüße vom gero

georgb hat gesagt: RE:Der Dolomitengesteinsfetischist ...
Gesendet am 30. August 2023 um 21:43
Mein letzter Satz war ironisch gemeint Georg, die Tour war genau nach meinem Geschmack und ich bin dankbar für deine Beschreibung!!! Die Verhältnisse scheinen sich aber gravierend verändert zu haben, die Witterung hat hier ganze Arbeit geleistet und aus meiner Sicht eben T5, auch wenn ich die T-Skala auch nicht besonders mag. II bezieht sich wie in deinem Bericht auf die kurze Stelle im Aufstieg!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2017 um 19:12
legendär schönes Gelände.....

;-))


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