Hangendgletscherhorn - Hampelmannen über den Chammligrat


Publiziert von amphibol , 29. September 2016 um 07:25.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:25 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:Gaulihütte - Chammlibach -Scharte zu P 2821 - Chammligrat - Hangendgletscherhorn - Chammligletscher - Chipfestock - Gaulihütte
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Innertkirchen, Grimseltor, Taxi ins Urbachtal
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mitfahrgelegenheit bis cff logo Meiringen
Unterkunftmöglichkeiten:Gaulihütte (hier)
Kartennummer:1230 - Guttannen 1:25'000, Höhenmeter und Wegzeit beziehen sich nur auf Auf- und Abstieg (Gaulihütte- Hangendgletscherhorn - Gaulihütte) ohne Hüttenzu-, und Abstieg

Das leckere Dessert einer grossartigen Sommersaison


Vor etwas mehr als zwei Jahren waren wir an einem ersten August auf der Gauli.Von diesem Augenblick an waren wir fasziniert vom Urbachtal und dem Gauli. Ich mag mich gut erinnern, als wir uns als einzige Sielschaft nach einer überaus unruhigen Nacht im Dachstock am 2. August etwas nach 4:30 Uhr auf den Weg machten, um das Rosenhorn zu bestiegen. Bei strömendem Regen vertraten wir im engen Eingangsbereich unsere Bergschuhe, um endlich Fährte aufzunehmen. Als der Regen endlich etwas nachliess, konnten wir von Dannen ziehen. Die Geschichte, die zum Gipfel führte, kann ich aber nicht erzählen, weil uns unüberwindbare Spalten und das anhaltende schlechte Wetter sowie aufkommender Nebel davon abhielten auf die westliche Wetterlimi zu gelangen. Trotzdem hat das Gauli einen besonderen Platz in unseren Erinnerungen behalten.

Hangendgletscherhorn

Das Hangendgletscherhorn ist ein 3292m hoher Berg, der das Urbachtal gegen Süden hin abschliesst. Der Berg kann über die Normalroute via den Hangendgletscher und einen relativ kurzen aber ausgesetzten und etwas brüchigen oberen Ostgrat erreicht werden. Der Ostgrat läuft unten Richtung Osten in den Tälligrat aus. Der Hangendgletscher führt vom Gipfelbereich in die Nordwand, weswegen er wohl diesen Namen trägt. Zu bemerken ist auch aber hier: "hangen tut da nicht mehr viel". Die gescheiterte Grüne Wirtschaft wird an diesem Fakt wohl nun auch keine Verbesserung erreichen. Alternativ bleibt der Westgrat vom Ränfenhorn (ZS, brüchig, Routenfindung!), die Nordwand, auch eher brüchig und der formschöne und relativ lange Südostgrat, der sogenannte Chammligrat. Der Chammligrat hat den Vorteil, dass seine teils luftige Gratkante mit ziemlich gutem und festem Gneis bestückt ist. Der Chammligrat weist keine Borhacken und auch sonst kein Sicherungsmaterial auf. Die Gneise sind teilweise mit Flechten überzogen, weswegen es sich rät, ihn eher bei trockenen Bedingungen anzugehen. Wegen seiner Ausrichtung von Südosten nach Nordwesten, sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass er im Osten (Morgensonne) eher trocken wird, als im Westen, gerade im Herbst. Die Wegfindung zum Einstieg ist nicht einfach und bei der Planung sollte gerade hier etwas Zeit investiert werden. Der Grat selber ist im besten Fall immer auf der Gratkante zu begehen, so wird man nicht von den brüchigeren und daher heiklen Flanken im negativen Sinne überrascht. Zudem sind die Seiten des Grats, wo das überhaupt im Bereich des Möglichen liegt (nur selten) mit mehr Vorsicht und dadurch viel Zeitverlust verbunden.

Zustieg über das Urbachtal

[24.09.2016] Wir organisierten uns dafür das Taxi Wyss (auf der Homepage der Gaulihütte hier zu finden), den der Hüttenzustieg zieht sich bereits von Mürvorsees, wo sich der Parkplatz im tiefen Urbachtal befindet, ziemlich in die Länge. Die Bergwegbeschilderung von der Gaulihütte SAC zeigt 4:50h an, der Weg ist aber abwechslungsreich und sehr schön in die Landschaft eingebettet.

Dem Bergweg folgten wir zuerst über die Alpstrasse, entlang von Kuhweiden um danach im ostseitigen Wald hochzusteigen. Weiter oben, unterhalb des Gallouwisteck erreichten wir die offenen Schafalpen, wo wir uns eine Pause an der schön wärmenden Sonne gönnten. Die Aussicht auf die Engelhörner, die Dossengrate, sowie - Hütte und auch auf das Hangendgletscherhorn sind überaus genussreich und laden zum Verweilen ein.

Danach steigt der Bergweg hoch hinauf Richtung Tälligrat. Auf ca. 1850m gabelt sich er sich entzwei, ein Weg führt zum Mattenalpsee, der andere direkt hoch zum Tälligrat (dem eigentlichen Ostarm des Hangendgletscherhorns). Wir entschieden uns für den steilen Aufstieg zum Tälligrat, im Wissen darum, dass wir danach die Höhe der Gaulihütte bereits gemeistert hatten. Im Aufstieg konnten wir einen Einsatz von Rega 10 am Ritzlihorn beobachten. Irgendwo in der Nähe des grossen Gendarmen südlich des Südgipfels des Ritzlihorns lud die Rega einen Bergsteiger am Grat ein, danach flog sie zur Gaulihütte. Etwa 10 Minuten später flogen sie ein zweites Mal, um einen weiteren Bergsteiger an der Longline aus der Westflanke zu holen. Komischerweise mutmasslich fast an der gleichen Stelle, wie der Dok auf SRF (hier) ebenfalls am Ritzlihorn Bergsteiger wegen eines Unfalls wegen Steinschlags herausflog. Wir hoffen, das ging glimpflich aus. 

Etwa nach 4h 50 Minuten inkl. Pausen erreichten wir die Gaulihütte und genossen den Hüttennachmittag in widererwarten total ausgebuchten Haus (80 Anmeldungen). 

Hangendgletscherhorn über den Südostsgrat - Chammligrat

[25.09.2016] Wie geschrieben, ist die Wegfindung zum Einstieg im Dunkeln nicht zu unterschätzen. Nicht zu letzt mochten wir bei diesem Teil der Tour auch keine Zeit verlieren, das wäre schade. So erkundigte ich mich noch beim Hüttenwart. Man müsse einfach Richtung Rosenhorn und dann irgendwann mal nach rechts abbiegen. Es gebe verschiedene Möglichkeiten. Es wurde also interessant. Ca. 06.15 Uhr verliessen wir als erste die Gaulihütte. Die anderen rund 75 Besucher schliefen noch mehr oder weniger tief. Zwei Seilschaften mit dem selben Ziel waren nun auf sich gestellt. Nach der Leiter, die über den Chammlibach führt, zogen wir dem Weg Richtung Gauligletscher (Rosenhorn) entlang hoch und entschieden uns bald mal, nach ca. der zweiten Möglichkeit nach rechts in einem Quergang leicht nach oben zu steigen. Das ging ganz gut, bald mal erreichten wir einen Rücken, der oberhalb in einen breiten Stock ausläuft. Dieser verdeckte uns aber noch die Sicht zum Einstieg zum Chammligrat. Es handelt sich hierbei um die breite Gestalt mit Kulmination von Pkt. 2720.

Vom Tourenführer her war uns in Erinnerung geblieben, dass wir diesen eher rechts umgehen, was wir dann auch taten. Das Gelände war wild und wir mussten etwas absteigen, bis wir schlussendlich ziemlich brüchig auf ein quer abfallendes, sehr hartes Firnfeld gelangten. Nach ca. 40 Tritten, die ich schlug, erreichten wir wieder soliden Boden und nach Betrachtung des weiteren Weges, der uns in einem Kanal bis zum Einstieg führen sollte, waren wir guter Dinge. Von hier an waren die Blöcke und Steine mit einer ganz feinen gefrorenen Schicht überzogen, was sehr rutschig war. Nach knapp 1.5 Stunden erreichten wir gerade zum Sonnenaufgang den Einstieg zum Chammligrat südlich von Punkt 2821, die Planung ging somit gut auf.  Die andere Seilschaft verlor sich leider etwas, indem sie den Pkt. 2720 nach gescheitertem Versuch vorne (rechts rum) dann hinten rum kam. Sie verloren dadurch viel Zeit. 

Nun zogen wir vorerst unangeseilt den ersten blockigen Teil des Grates hoch, bis wir auf den Punkt 2821 angelangten. Da seilten wir an. Der Grat wird sofort eng und ausgesetzt, weswegen wir entschieden, noch nicht das kurze Seil zu installieren. Ich stieg jeweils vor und sicherte ab und zu. Der Grat hat eine gute Eigenschaft, denn man kann das Seil um die vielen herausragenden Gneise legen, die oft spitzig aus dem Grat schauen. Nach der ersten grossen Abkletterstelle (ca. 40m) stiegen wir in stetigem Auf- und wieder Abklettern dem Grat entlang, was unheimlich Spass machte. Es ist ein wunderbarer Grat, in ständig fordernder Manier aber einfach ein Genuss. Die ganze Geschichte zieht sich aber in die Länge, ich habe nicht gezählt wie viel wir abkletterten, um danach wieder aufzuklettern aber wie geschrieben, das zieht sich dahin. Die Kletterstellen sind gepaart mit kurzen ganz ausgesetzten Stellen und wir taten gut daran, alles auf der Gratkante zu klettern.  

Nach einer wiederum längerer Abkletterstelle, die wir sicherten, kommt ein erneut schöner etwas plattigerer Anstieg und danach gute 20 Minuten Gehgelände über Blöcke. Dort ist darauf acht zu legen, dass man rechts geht, nicht Richtung Kulminationspunkt, den dieser fällt danach mehrere 10 Meter ab und da ist kein runterkommen. Danach folgt ein von dieser Seite nicht hoher Felsgrat, auf die andere Seite aber mit ziemlich viel Luft unter den Füssen. An seinem Anfang ist er brüchig, auf der linken Seite befindet sich der Aufstieg auf Firn/Gletscher auf der Normalroute. Wir entschieden uns aber für den Grat, der dann die schwierigsten Kletterstellen der ganzen Tour, auch wenn nur kurz, bietet. Der Vorgipfelturm ist bereits vorher sichtbar, diesen umgingen wir direkt an der senkrechten Wand rechts rum, wo zwei kleine Steinmänner stehen. Danach gelangten wir auf den Vorgipfel. Dieser führt nun kombiniert in Fels und Schnee über eine Abkletterstelle (etwa 4m) realtiv ausgesetzt auf eine Scharte im Abstieg, danach noch ca. 5 Minuten über den Schlussaufstieg zum Gipfel! 

Nach fast 5 Stunden waren wir oben und freuten uns riesig! Die Gipfelsicht vom Hangendgletscherhorn ist überragend, da schauen sogar manch 4000er blöd aus der Wäsche! ;-)

Wir vergnügten unseren Aufenthalt einfach da sitzend, etwas essend, es war wirklich einmalig schön!

Der Abstieg bot keine Überraschungen, ausser dass der obere Teil vom Vorgipfel überaus brüchig ist. Danach zogen wir bald mal die Steigeisen an und stiegen ab. Glücklicherweise war am Vortag ein Bergführer über das Ränfenhorn gekommen und hatte uns eine Spur gelegt. So konnten wir die zwei grösseren Spalten über die Brücken mit etwas ruhigerem Gewissen gehen. 

Die Devise war nun schnell zum Gletscherausstieg und danach verliefen wir uns so richtig in den Abhängen unmittelbar oberhalb der Gaulihütte (Stichwort: "ganzheitliche Planung"). Denn wir hatten uns im Voraus keinen Deut um den Abstieg geschert, so kommts dann.. Nach mehreren Versuchen und einer Stunden Verlustzeit auf dem ansonsten für uns rund 2 stündigen Abstieg (nun waren es 3!!) erreichten wir aber dann irgendwo durchs Bachbett des Chammlibachs doch noch die Gaulihütte.. Der Normalweg führt links vom Chipfestock vorbei, nicht rechts (von oben her gesehen).... 

Der Abstieg ins Tal zieht sich in die Länge.. Am Tag danach war der Muskelkater präsent...:-)

Tagesbudget (mit Verschneider): 
11h (mit Pausen und Kaffee in der Gauli), 1200 hoch, 2600m Abstieg und eine nicht ausser Acht zu lassende Marschdistanz (in den Auf- wie in den Abstiegen sind die vielen Auf und Ab nicht eingerechnet)..


Angaben zur Tour
Länge:
Die Tour ist in der Länge nicht zu unterschätzen. Silbernagel veranschlagt 5 Stunden für Aufstieg ab Gaulihütte. Dann muss die Tour aber ohne Schnitzer verlaufen. Die Nachfolgeseilschaft (3 Personen) hatte beträchtlich länger und entschied sich danach, den Gipfel ab Hangendgletscher nicht mehr zu besteigen (Auf- und Abstieg mit Gipfelaufenthalt ist von da sicher nochmals eine Stunde hinzuzurechnen). Der Abstieg (vom Gipfel) ist bei guten Bedingungen in 2-2.5h auf der Normalroute realistisch. Wenn am selben Tag noch ins Tal abgestiegen wird, ist das eine grosse Unternehmung von 10-12 Stunden!

Tourenschwierigkeit: Die Tour ist gem. Silbernagel mit WS+ II bewertet. Die Kletterstellen sind zwar im generellen nicht schwierig, allerdings sind die exponierten Stellen und die immer wieder kurzen Klettereien gerade durch dass "WS" nicht zu unterschätzen. Allerdings gibt es meiner Meinung nach zwei III-Stellen. Wenn man oben, vor dem Vorgipfel anstelle der Traverse über den Firn weiterhin dem Grat folgt, würde ich die Kletterstellen im III. Grad einordnen. Daher in der Summe eher ZS- als WS+, kombiniert mit der Länge der Tour. Der Hangendgletscher weist einige Spalten auf, im Abstieg ist daher besondere Beachtung auf die richtige Seilhandhabung zu legen. Je nach Bedingungen, kann der obere Abstieg auf Grund der nicht zu unterschätzenden Steilheit heikel sein. Das WS+ ist verglichen mit anderen WS-Touren- vielleicht etwas zu tief bewertet.

Material: Ein paar Bandschlingen, Gletscherausrüstung (Pickel, Schnüre, Steigeisen, Eisschraube), 2-3 Karabiner, 30m Seil (Abseilgerät, allerdings nicht gebraucht).

Besonderheiten: Der Chammligrat ist, wie es auch im erwähnten Führer steht, eine ausgesprochen gute "Übung" für die wirklich langen und schwierigeren Grattouren. Gerade in der Abwechslung zwischen dem Gehen am kurzen Seil und der Absicherung am Seil oder improvisierten Ständen ist das eine ausserordentlich gute Übung. Der Chammligrat ist rund 2Km lang und die Tour ist sehr alpin in wunderbarem Ambiente. Der Gipfel bietet eine Aussicht der Superlativen und man ist meist alleine unterwegs auf der ganzen Tour. Daher extra-lohenswert!
Tourenbewertung daher.: ***** (5 Sterne). ;-)

Tourengänger: amphibol, TinTin
Communities: ÖV Touren


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