Selten begangen - Pollux SW/SO Grat Überschreitung + Castor


Publiziert von Kris , 26. April 2017 um 21:36.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:19 Juli 2016
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1150 m
Strecke:Val d'Ayas - Pollux SW Grat - Madonna - Pollux - Pollux SO Grat - Zwillingsjoch - Castor - Punta Felik - Quintino Sella

Die doppelte Überschreitung von Pollux und Castor wurde uns von unserem Führer als "Erholungstour" angekündigt. So unterschiedlich können die Perspektiven sein: Zwar bei weitem nicht so arg wie die Vortags-Tour bei der wie das Breithorn verkehrt herum überschritten. Dennoch kein Pappenstiel, zumal
es uns wieder auf eine selten begangene Route verschlug...


Noch geschlaucht aber deutlich ausgeschlafener legen wir früh morgens wieder die Steigeisen an und können direkt an der Hütte zwei Steinböcke auf etwa 5-10 Meter Entfernung beobachten. Über den gleichen Gletscher wie vortags gehen wir nun mäßig steil in Richtung Pollux-Einstieg (WS-). Dabei werden ca. 3-400hm zurückgelegt. Diesmal tummeln sich bereits viele Bergsteiger am Aufschwung, sodass es deutlich wuseliger als Breithorn wird.

Ab nun wird es "zünftiger". Die schmale Schwachstelle der Felsen unter des SW Grats in Richtung Madonna nutzen wir, um steil bis sehr steil zu den Felspassagen aufzusteigen. Leider baue ich bereits wieder ab, ich bin einfach irgendwie nicht fit. Der Firn ist zwar gut gestuft (ca. 40-45°) allerdings ist das Schritttempo über meiner Wohlfühlzone. Ich quäle mich voran und dann haben wir etwas Glück - kurz vor dem Ausstieg in Richtung Felspassage fliegt uns ein Stein von ebenjener entgegen. Wir werden um ca. 1,5-2m verfehlt, puh.

Die nun folgenden Kletterpassagen sind zunächst unschwierig (I-II) und schnell erreicht man die allseitsbekannte Krux, mit 2 Ketten gesichert. Einmal über den Kamin aufwärts und einmal für den Abstieg über ein schmales Band herausquerend. Der Kamin ist gerade in den unteren Metern wenig gutgriffig bzw. hat meines Erachtens für Steigeisen-Gehen keine gute Tritte. Ohne die verbauten Ketten lt. Quellen etwa mit VI zu bewerten bzw. mit Ketten mit einer III habe ich somit auch meine liebe Mühe, dieses Hindernis zu überwinden. Ich brauche einige Versuche, was natürlich unangenehm wird, da es genug Zuschauer und Wartende gibt. Nachdem ich die Steigeisen doch noch zum Greifen bringe, wird es oben leichter und bis zum Ausstieg bei der Madonna gibt es keine Probleme mehr (II). Nun wartet nur noch der kurze Schlussaufstieg zum Gipfel, der ohne jegliche Schwierigkeiten bleibt.

Zu allem Überfluss passiert mir auch am Gipfel noch ein kleines Malheur: der Pickel rutscht den Gipfelhang herunter und nur dadurch das der Führer hinterherrutscht stehe ich nicht ohne Eisgerät da, was sich noch als absolut notwendig erweisen wird beim Abstieg. Zum Glück habe ich noch ein Ersatzpaar Handschuhe dabei, da sich einer davon bereits verabschiedet hat. Nach kurzer Rast und dem Genießen der Sicht + Fotos geht es nun an den ungewöhnlichen Teil der Pollux Tour: der Abstieg über den SO-Grat in Richtung Zwillingsjoch, der aus der Tour eine Pollux Überschreitung macht.


Schlagartig sind wir wieder allein. Kein Wunder: es geht gleich zur Sache, da wir nun exponiert ein Firnwandl nach unten absteigen, vorsichtig und Schritt um Schritt (45-50°). Hier steigen wir nun teilweise auf den Frontzacken ab und müssen natürlich selbst spuren und der Führer übernimmt die Wegfindung. Nach der ersten heiklen Firnpassage wechseln sich nun Fels und Firnpassagen ab, wobei wir die Felspassagen wechselnd klettern und abseilen. Die Variante über den SO Grat ist auch wegen der Wegfindung anspruchsvoller als der Normalweg, wo sich die Schwierigkeiten auf den steilen Firneinstieg und die Krux-Meter im unteren Kamin beschränken. Die Firnpassagen sind allerdings folgend nicht mehr so steil wie zu Beginn (max. 40°) und der Fels, den wir nicht abseilen, sondern klettern (Achtung: Keine Abseilstellen eingerichtet) ist einigermaßen fest und bewegt sich bis in den oberen zweiten, unteren dritten Grat. Tatsächlich macht diese Route mehr Spaß als der überlaufene Aufstieg, und man bleibt überwiegend in der Nähe oder aus Abstiegssicht rechts vom eigentlichen Grat (ZS).

Da das Zwillingsjoch näherrückt, kann man sich wieder etwas mehr entspannen. Allerdings schaue ich bereits etwas bang in die nochmal über 400hm zum Castor, da der Abstieg auch geschlaucht hat auf dieser Variante. Im Zwillingsjoch bei einer kurzen Pause dann die Überraschung: eine Alpendohle wartet auf fast 4000m auf unsere Brotkrumen, direkt in der Eiswelt. Bei der Jause können wir unterhalb des Lyskamms eine kleine Lawine beobachten und auch der wahnsinnige Eisnagel an der Castor Ostseite wird sicher nicht mehr ewig halten ..

Der Castor als Teil der "normalen" Spaghetti-Tour ist deutlich einfacher als die Pollux Überschreitung - die Krux war bei uns die Begehung des kleinen Bergschrunds mit anschließendem Aufstieg auf den Grat (35-40°, WS). Vorher begeht man quasi in Kehren. Stolpern sollte man auch hier nicht, gerade in einer der oberen schmalen Spuren, durch die Flanke querend. Nach einem kurzen Plateau kommt der besagte kleine Schrund und die Steilpassage. Das Wetter ist weiterhin bestens. Später werden die Führer sagen es ist eine der stabilsten Wetterphasen die sie im Wallis bisher über Tage erlebt haben.. Somit schnaufe ich mich auch noch den kurzen Grat hinauf auf den Castor Gipfel, was die heikelste Stelle des Aufstiegs darstellt. Etwa ein oder zwei Monate später sterben hier 2 Deutsche Bergsteiger.

Auf dem Gipfel angekommen abermals erschöpft erwartet mich Licht & Schatten. Licht, da die Gipfel beide geschafft wurden und da die Ausblicke enorm sind. Schatten, da der Führer mir noch auf dem Gipfel eröffnet, dass er mich morgen nicht auf dem Lyskamm sieht. Wohl nach meinen Patzern am Vortag. Verständlich, aber nicht aufbauend und während der Tour der falsche Zeitpunkt - da braucht man seinen Kopf woanders als bei der Frage wie der nächste Tag dann wohl für einen selbst ablaufen wird..

Der Abstieg vom Castor läuft teils wieder auf etwas schmaleren Firnpassagen in Richtung des Felikjochs. Allerdings bei Konzentration ohne Probleme.. danach geht es nur noch schnell etwa 500hm in Richtung Sella Hütte, was sehr leicht von der Hand geht (L). Einzig auf Spalten gilt es zu achten.

DIe Hütte ist dann bis auf die sanitären Einrichtungen gut ausgestattet und ich kann den Aufenthalt im Vgl. zum Vortag auch genießen .. so gibt es ein Nickerchen, ein Essen, Fotos en masse aber auch Gedanken über das Vorgehen am morgigen Tag - und natürlich zu dem Zeitpunkt auch die Enttäuschung dass der Traumgipfel Lyskamm nicht bestiegen werden kann von mir. Aber in der Retroperspektive natürlich: der Berg bleibt stehen - irgendwann ..


KONDITION 3.5/5
ORIENTIERUNG 5/5
TECHNIK 4/5
EXPONIERTHEIT 4/5

Tourengänger: Kris


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Kommentare (1)


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Stevo47 hat gesagt:
Gesendet am 26. April 2017 um 23:21
Wie schon dein Breithorn-Bericht sehr spannend geschrieben und mit beeindruckender Ehrlichkeit, dazu noch tolle Fotos - einfach genial! Vielen Dank und viele Grüsse, Steve


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