Spitzi - Botanische Wanderung von Göschenen nach Andermatt


Publiziert von kopfsalat , 25. August 2016 um 10:14.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:23 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Göschenen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Andermatt
Unterkunftmöglichkeiten:"Jägerhüttli" auf dem Spitzi.
Kartennummer:1231 Urseren

Den Tourentipp hab ich aus dem SAC Alpinwanderführer Gipfelziele Gotthard von Kundert/Volken.

Vom Bahnhof Göschenen folge ich dem Wanderweg zur Göscheneralp bis Bitzi. Genau unter den Kabeln der Werksseilbahn biegt links - kaum erkennbar und nicht markiert - ein Pfad ab. In Fallline gehts hinauf. Dabei lohnt es sich, den Blick auf den Boden zu richten, so verpasst man all die (z.T. leider schon verblühten) Orchideen nicht.

Ab 1250m wirds noch botanischer. Vor lauter grün ist der, nun im Zickzack aufsteigene, Weg stellenweise gar nicht mehr zu erkennen und erfordert ein ein gutes Mass an Trittsicherheit.

Auf 1380m quert der Pfad nach Osten bis zu einem Stolleneingang. Kurz davor zweigt der Weiterweg auf ein paar Stufen nach rechts ab und überquert den Stolleneingang. Durch dichtes Gestrüpp führt der Weg unerkennbar um einen Geländerücken, um dann unvermittelt als gut ausgeprägter Waldpfad weiter aufzusteigen.

Der Aufstieg durch das Felsband auf 1500m ist üppig mit Stahlseilen versichert. Auch finden sich hier zahlreiche Markierungen. Die orangen sind die richtigen. Nun wird das Gelände flacher und der Wald lichtet sich, bald erreicht man die Bergstation Stock der Seilbahn.

Weiter auf gut erkennbarem Pfad durch den sich immer stärker auflockernden und nun fast mediterran anmutenden Wald auf den Rötiboden. Hier lohnt es sich, nach Tannenhähern und Birkhühnern Ausschau zu halten. Letztere fliegen meist genau in dem Moment mit lautem Geflatter auf- und davon, wenn man an ihnen vorbeigeht. Auch ein Adler gibt kurz ein Stelldichein.

Und dann passierts. Der Weg ist weg und das mitten in der Schyssgrueben. Erst nach ein wenig konzentriertem Umherschauen erkenne ich die Pfadspuren, die sich geschickt zwischen den Gletscherschlifffelsen durchschlängeln. So gehts weiter bis zu einem - auf der Karte nicht eingezeichneten - Hochspannungsmasten nahe Pt. 2066.

Hier hats definitv keinen Weg mehr. Wie im SAC-Führer empfohlen, halte ich Ausschau nach einer Variante, auf der ich das unsägliche Blockschutt-Chaos im Taleinschnitt ostseitig umgehen kann. Und siehe da, nicht einmal 20m entfernt, thront ein weisslicher Stein auf einer Steinplatte. Ob bewusst von Menschenhand dort hin gelegt oder nicht. Er weist mir auf jeden Fall den Weg zu einer Aufstiegsstelle durch ein kleines Felsband.

Nun folge ich mehr oder weniger der über mir hängenden Hochspannungsleitung und erreiche so mit einigem Gekraxle durch und über dichte Alpenrosenbüsche eine dunkle Felswand, wo wieder Wegspuren erst nach rechts und kurz darauf nach links (Süden) abzweigen. Danach gilt es, weitere kleinere Felsriegel zu erkraxeln, -klettern oder geschickt zu umgehen ohne in den Blockschutt zu gelangen.

Beim nächsten Hochspannungsmasten (ca. Pt. 2153) sind die gröbsten botanischen Hindernisse überwunden. Nun folgt der Genuss. An den gutgriffigen, überhaupt nicht exponierten Gletscherschliff-Rundhügeln lässt es sich hervorragend herumturnen. Vom Kraxeln bis zu leichter Kletterei (II) findet sich für jeden eine Variante.

Leider schon zu bald erreiche ich den Sattel auf ca. 2250m. Als Aufstieg zum Grat wähle ich die linke Grashalde (dort wo auf der Karte die Gemeindegrenze verläuft). Dafür umgehe ich den groben Blockschutt so gut es geht auf vereinzelten Pfadspuren auf der linken Seite. Zwischen den Blöcken hängen unzählige Spinnennetze. Berührt man einen der erstaunlich elastischen Fäden, zittert die in der Mitte des Netzes sitzende Spinne so stark, dass sie nur noch als grauer Punkt wahrgenommen wird. Die Grashalde ist zwar steil aber gutgriffig, sodass ich schon bald auf den Pfad treffe, der von Pt. 2318 heraufführt. Diesem folge ich bis zum "Gipfel"-Plateau des Spitzi Pt. 2392, wo eine Ziegenherde herumlungert.

Der Kiosk ist zwar (entgegen den Angben im SAC-Führer) geöffnet, aber die Kaffeemaschine ist gerade im Service, sodass ich mit einem grossen Schluck aus meiner Wasserflasche vorlieb nehmen muss. Just in dem Moment taucht der einzige andere Wanderer auf, den ich heute antreffe. Er sei von Andermatt her aufgestiegen. Der Weg liesse etwas zu wünschen übrig. Er verabschiedet sich, da er nach irgendwo da hinten weiter will.

So lege ich eine längere Pause ein, geniesse die Ruhe und die grandiose Aussicht hier oben. Aber schliesslich muss ich mich doch an den Abstieg machen. Die unzähligen Serpentinen sind stellenweise mit unangenehmem "Kugellager" bedeckten. Eigentlich ein klarer Fall für Microspikes. Da mir aber ein versierter UL-Bergsteiger vor kurzem des langen und breiten erläuterte, dass Microspikes ausserhalb von Schnee und Eis nichts verloren haben, da sie einzig dazu dienen, die fehlende Sicherheit des Trägers zu kompensieren (was ja mit allen bergsteigerischen Hilfsmitteln so ist), verzichte ich darauf und gebe mir stattdessen etwas mehr Mühe beim Bergabtänzeln.

Vom Hochspannungsmasten bei Pt. 2067 hat man eine gute Aussicht auf das ehemalige Fort Bäzbärg, mit seinen, an gelandete UFOs erinnernden, Panzertürmen. Nun wird der Pfad etwas ruppiger und führt zuletzt über ein wenig Blockschutt zur Fahrstrasse bei Rotmutsch hinunter.

Hier holt mich der Wanderer vom Gipfel, der sehr sportlich unterwegs ist, wieder ein, trinkt einen Schluck Wasser aus dem Strassengraben und weist mich, bevor er davoneilt, darauf hin, dass es keinen Wegweiser zum Wanderweg nach Andermatt gibt. Der Weg beginne hinter dem Grossen Haus unter dem Sendemasten.

Nachdem ich mir die grotesken Panzertürme aus der Nähe angesehen habe, mache ich mich auf die Suche nach dem Wanderweg. Tatsächlich findet sich hinter dem Haus mit den Sendeanlagen und der Webcam ein Stein mit einer nahezu verblassten weiss-rot-weissen Markierung.

Ein ungepflegter Pfad führt auf einem breiten Band nach Südwesten, wo er sich nach einem kleinen Bach gabelt. Links führen unscheinbare Wegspuren leicht nach unten. Ich folge dem ausgetretenen Pfad der geradeaus weitergeht. Inmitten eines Erlengestrüpps rund 100m weiter hören die Spuren dann unvermittelt auf. Mit dem Feldstecher sehe ich auf dem unteren Pfad eine verblichene Markierung. Halt! Das Ganze zurück! An einen Direktabstieg, durch den reichlich mit Botanik und darunter verborgenem grobem Blockschutt gesegneten Hang, ist nicht zu denken. Schon gar nicht ohne Microspikes.

Von nun an beobachte ich den Weg mit Argusaugen. Zum Glück ist der andere Wanderer hier heute schon rauf und runter, sodass ich an der abgetretenen Botanik erkennen kann,  wo der Pfad verlaufen sollte. Trotzdem bringts der Weg fertig, mich ein paar Mal zu foppen. Alpenrosen-, Wacholder- und mannshohes Erlengestrüpp verhindert jeglichen Durchblick auf den eventuell darunterliegen Pfad. Auch einige wüste Flüche nimmt der Weg auf die kalte Schulter und lässt mich wer-weisen, ob der Weg nun tatsächlich im grobblockigen Bett des gut wasserführenden Bachs weiterführt. Ja, er tut es!

Wohl um mich bei der Stange zu halten, lässt er ab und zu einzelne rot-weisse Striche durch das üppige Grün spienzeln. Nur um kurz darauf meine Beine mit stachligen Himbeerbüschen zu traktieren. Das Gute daran, sobalds unten sticht und kratzt, hats am anderen Ende süsseste Beeren, welche all die Mühen für einen Moment vergessen lassen.

Auf Rund 1600m wird es mir dann aber zu bunt. Ich montiere die Microspikes und verlasse dieses Theater in der Direttissima zum Oberen Bäz Pt. 1435 hinunter. Wo ein Wegweiser, ganz unschuldig, weiss-rot-weiss auf auf einen 5m breiten Fahrweg zeigt. Diesem entlang bei Pt. 1432 über die Reuss und nach Andermatt.

Fazit: Eine empfehlenswerte Wanderung für jeden Möchtegern-Indiana-Jones.

Schwierigkeitszuordnungsbirchermüesli: Das T4 bezieht sich einzig auf die anspruchsvolle Wegfindung vom Bätzbärg nach Andermatt, ansonsten reicht auch ein T3.

Ein spezieller Dank geht an die Urner-Wanderwege für ihren aktiven Beitrag zur Mehrung der vergessenen Pfädli.

Tourengänger: kopfsalat


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Kommentare (4)


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chaeppi Pro hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2016 um 10:31
Vor vier Jahren wollte ich auch einmal auf das Spitzi, habe es aber aufgegeben. *hier

Schneemann hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2016 um 12:54
Weckt bei mir auch Erinnerungen an die mühsame Spitzi-Tour. Schön beschrieben, genau dieses Indiana-Jones-Feeling hatte ich auch ;)

Becks hat gesagt: Brav gemacht
Gesendet am 25. August 2016 um 16:14
"Da mir aber ein versierter UL-Bergsteiger vor kurzem des langen und breiten erläuterte, dass Microspikes ausserhalb von Schnee und Eis nichts verloren haben, da sie einzig dazu dienen, die fehlende Sicherheit des Trägers zu kompensieren, verzichte ich darauf gebe mir stattdessen etwas mehr Mühe beim Bergabtänzeln"

Klappt doch. Kaum bekommt der Salat etwas Ansporn, schon gibt er sich Mühe. :)

kopfsalat hat gesagt: RE:Brav gemacht
Gesendet am 25. August 2016 um 17:00
Wenn ich jemandem mit wenig Aufwand - und ohne dass meine eigene Sicherheit darunter leidet - eine grosse Freude bereiten kann, dann mach ich das doch noch so gerne.


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