Abwechslungsreicher Dreitager in der Hardangervidda


Publiziert von Judith7 , 31. August 2016 um 17:06.

Region: Welt » Norwegen
Tour Datum:16 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: N 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:50 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Roldal an der E 134 ins Valldalen abzweigen und noch 16km den "Valldalsvegen" zum Parkplatz am Ende des Valldalsvatnet.
Unterkunftmöglichkeiten:Zelten ist überall erlaubt und es gibt zahllose wunderschöne Zeltmöglichkeiten entlang des Weges (man könnte die Tour aber auch als Hüttentour machen und an Tag 1 bis Litlos (bewirtschaftet) und an Tag 2 bis Hellevassbu (unbewirtschaftet) laufen).

Kreuzbandriss. Da ist die Wandersaison vorbei, bevor sie erst richtig angefangen hat. Dachte ich. Der Arzt hat gesagt, ich darf flache Spaziergänge machen, aber der geplante reine Wander- und Zelturlaub in Norwegen kann definitiv nicht so wie geplant stattfinden. Naja, wir disponieren um, nehmen aber vorsichtshalber Zelt, Isomatte und Schlafsack trotzdem mit. Und natürlich die Wanderschuhe. Man weiß ja nie, vielleicht geht doch was. Und tatsächlich. Zwei Wochen nach dem Kreuzbandriss probieren wir die erste kleine Tour – über steiniges Terrain, zwar mit wenig Höhenmetern, aber dafür auch ein kurzes Stück weglos. Ich gehe ganz vorsichtig und langsam, aber das Knie hält und ich habe keine Schmerzen. Ein paar Tage später die nächste Tour – dieses Mal mit 370 Höhenmetern. Der Arzt hat gesagt ich darf flache Touren machen – 370 Höhenmeter zählen doch noch dazu, oder? Und als ich auch am Abend nach den 370 Höhenmetern Abstieg schmerzfrei bin und die Wettervorhersage für die nächsten Tage Sonne pur ankündigt, entscheiden wir uns spontan, einen Dreitager in der Hardangervidda zu machen. Wird schon gutgehen. 1400 Höhenmeter mit Gepäck. Flache Spaziergänge...

Wir brauchen den Vormittag noch für die Anfahrt, die letzten Einkäufe und das Packen der Rucksäcke und sind dann komplett stressfrei um 15.00 Uhr abmarschbereit. Wir können sowieso nicht einschätzen, wie es läuft und haben alle Optionen: in drei Tagen die Runde drehen, in vier Tagen die Runde drehen, nach einem Tag wieder umdrehen. Wir warten einfach ab, was passiert und wie ich mich fühle.
Das Wetter ist phantastisch und die Landschaft ein absoluter Traum. Ich war als Kind einmal in der Hardangervidda und habe in meinem Kopf ein Bild von einer flachen und sumpfigen Ebene abgespeichert – weit gefehlt. Die drei Tage waren so abwechslungsreich, wie man es sich nur wünschen kann.

Wir starten am ersten Tag auf 650m und steigen gemächlich und mit häufigeren (Photo-)Pausen bis auf ca. 1200m, vorbei an Seen, Flüssen und Wasserfällen, und je höher wir kommen umso besser wird die Sicht. Die Stimmung ist genial, v.a. da wir in den Abend hineinlaufen, mit der Sonne im Rücken, die die Berge um uns herum in ein wunderbares Licht taucht. Ich komme aus dem Grinsen nicht mehr heraus, so glücklich bin ich darüber, dass es tatsächlich klappt mit einer normalen Wanderung, und so sehr genieße ich das Gefühl, endlich mal wieder mit großem Rucksack zu wandern. Mit der untergehenden Sonne erreichen wir den See Holmavatnet und finden dort einen tollen Platz an dem wir unser Zelt aufstellen. Das Ein- und Aussteigen ist mit dem kaputten Knie zwar ein wenig schwierig, aber machbar.

Und auch am nächsten Morgen ist immer noch alles gut und schmerzfrei. Zuträglich war bestimmt auch die Tatsache, dass ich zum ersten Mal beim Zelten ein richtiges Kissen mitgenommen habe - für das Knie! Aber was tut man nicht alles, wenn man gebrechlich wird aber trotzdem unbedingt wandern will. :-)

Unsere Route führt nun weiter den See entlang ohne eine Menschenseele und mit wunderbaren Spiegelungen auf dem Wasser. Wir gehen längs des Flusses Kvenno, immer wieder kleinere und größere Zuflüsse überquerend, und kämpfen uns unterhalb des Drykkjesteins auch durch ein unangenehmes Blockfeld. Gar nicht so einfach mit der Schiene bei eingeschränkter Beugefähigkeit des Knies... Dann weitet sich das Tal jedoch und gibt den Blick auf die Ebene unterhalb des Prestkona frei. Normalerweise ist das Gebiet sehr sumpfig mit vielen Wasserläufen, so dass man bis zum Pass am Prestkona gehen muss, um durchzukommen. Aber nach den vergangenen trockenen Tagen finden wir eine direkte halbwegs trockene Passage geradewegs zur ersten Sommerbrücke. Wir gehen noch weiter zur zweiten Sommerbrücke kurz dahinter, wo wir dann erst mal eine ausgiebige Rast auf den warmen Steinen am Wasser machen. Danach steigt der Weg wieder an und erstmals auf der Route öffnet sich auch der Blick über die Weite der Hardangervidda. Wir genießen die grandiose Sicht, bevor wir nun weiter über das anschließende Plateau laufen. Es geht immer leicht auf und ab vorbei an Seen, Steinmännern und Schneefeldern, wobei immer wieder der Blick auf die weiter entfernten Berge von Europas größter Hochebene frei wird. Erst hinunter zum See Sigridtjorni verliert man etwas mehr Höhenmeter, die man aber bei dem direkt anschließenden Aufstieg über ein ziemlich langes Schneefeld in einer Rinne wieder gewinnt. Nun geht es recht gemächlich hinunter zum See Ovre Hellevatnet, wenn auch das Laufen aufgrund der vielen Steine auf dem Weg eher beschwerlich ist.
Kurz vor der Selbstversorgerhütte Hillevasbu biegen wir nach rechts auf den Weg Richtung Middelsbu ab und steigen noch ein paar Meter Richtung Vassdalsvatnet auf. An dessen Auslauf finden wir eine gut gelegene Zeltmöglichkeit und genießen beim Abendessen noch die letzten Sonnenstrahlen, die über die Berge spitzen. Kaum ist die Sonne weg, wird es jedoch empfindlich kalt, aber immerhin übernimmt ein prachtvoller Vollmond ihren Platz.

Am nächsten Morgen wachen wir mit sehr tiefhängenden Wolken auf, aber zumindest regnet es nicht. Wir laufen den Vassdalsvatnet entlang und sehen vor uns im Schneefeld ein paar der wenigen anderen Wanderer, die wir in den drei Tagen getroffen haben. Kurz danach steigen auch wir durch den Schnee empor und finden uns oben in einer komplett anderen Landschaft wieder. Es ist karg, grau und öde. Unwirtlich. Schön. Hinter uns die Wolken bedrohlich grau, über uns die ersten Wolkenlücken, durch die die Sonne scheint und die zahlreichen Schneefelder in gleißendes Licht taucht.
Wir laufen in leichtem Auf und Ab auf der Höhe und überqueren dabei ein Schneefeld nach dem anderen, bis es dann ins Middalen-Tal hinuntergeht. Der Himmel lockert immer mehr auf, aber die Route im oberen Teil des Tales ist wegen der vielen Blöcke äußert beschwerlich. Im Hintergrund taucht bereits der Valldalsvatnet auf, der den Anfang und dementsprechend auch das Ende unserer Tour markiert. Und im unteren Teil des Tals können wir dann auch nochmal richtig entspannt laufen und die vielen schönen Ausblicke, die der Fluss und die Landschaft bieten, genießen, bevor wir dann um 16.00 Uhr, weniger als 50 Stunden nach dem Loslaufen, wieder am Parkplatz ankommen.

Fazit: Die drei Tage in der Hardangervidda waren unglaublich abwechslungsreich und haben uns einen guten Eindruck in diese faszinierende Landschaft vermittelt. Es gibt unzählige wunderschöne Stellen zum Zelten, viel Wasser, das nicht nur in Form von Wasserfällen und Seen nett anzuschauen ist, sondern das man auch ohne Filter oder Micropur trinken kann, Berge, Ebenen, einfach Natur pur. Wer gerne mit dem Zelt in einsamer Landschaft unterwegs ist, dem wird es dort sicherlich gefallen. Auch wir hätten gerne noch mehr Zeit dort verbracht, aber in Anbetracht der äußeren Umstände hatten wir schon mehr, als wir vorher zu träumen gewagt haben. Aber wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal dort.

Tourengänger: Judith7


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Kommentare (1)


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Nik Brückner hat gesagt:
Gesendet am 21. September 2016 um 12:58
Ou Män, Judl! Wie schön, dass Du so was Tolles machen konntest! Freu ich mich dick für Dich! Du Heldin! Werd bald wieder xund, Du musst mit mir auf den Viso, auf die Freispitze und auf den GeVau!

Lieben Gruß vom lieben Freund

Nik


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