Vor der Street Parade auf den Säntis geflohen


Publiziert von Dodovogel , 15. August 2016 um 16:18.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:13 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 250 m
Strecke:10 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW oder Postauto bis Schwägalp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:PW oder Postauto ab Schwägalp
Unterkunftmöglichkeiten:Schwägalp oder Säntis
Kartennummer:1115 Säntis

Wir wählen den Aufstieg über den Nasenlöchersteig zum Öhrligipfel. Dann via Rossegg und Blau Schnee auf den Säntis.

Auf Hikr sind wohl so ziemlich alle Routen auf den Säntis bereits zu genüge beschrieben worden, weshalb ich diesbezüglich nichts berichten werde. Gute Beschreibungen finden sich zum Beispiel hier *Nasenlöcher - Öhrli - Blau Schnee - Säntis und hier *Öhrli und Säntis via Nasenlöcherroute und ansonsten sind die Wege abgesehen vom Öhrli gut markiert und meist stark frequentiert. Die Wegfindung sollte also kein Problem sein.

Von der Abzweigung zur Nasenlöcher-Route bis zum Öhrlisattel waren nur wenige Berggänger unterwegs. Im Aufstieg zum Öhrli waren wir alleine. Auf den restlichen Routenabschnitten war heute Hochbetrieb.

Der Nasenlöchersteig war feucht und etwas rutschig. Ansonsten waren die Bedingungen sehr gut. Im Aufstieg zum Öhrli liegt viel loses Geröll. Deshalb muss man bei der leichten Kletterei, welche hier nötig ist seine Griffe und Tritte lieber gut prüfen. Ein Helm wäre hier nicht verkehrt – daran hatte ich nicht gedacht. 

1. Akt: Die Menschenparade

Samstag ist Street Parade in Zürich. Nichts wie raus aus der Stadt.

Am Freitag hatte ich eine Fluchtroute in die hohen Bündner Berge geplant. Es sollte etwas Aufregendes sein, mit Kraxelei. Aber Věra ist am Abend in den Sinn gekommen, dass ihre Versicherung nicht über 3000 m gültig ist. Es ist zu spät, um noch eine Zusatzversicherung zu machen. Also muss schnell eine Alternative her. Da kam mir der Säntis in den Sinn. Einmal standen wir schon auf der Schwägalp. Aber wir konnten nicht rauf. Zeit für unsere Erstbesteigung dieses bekannten Gipfels.

Das mit dem früh Aufstehen klappt wegen der spätabendlichen Planänderung und einer strengen Arbeitswoche nicht so gut. Wir starten erst um 8:30 in Zürich. Mit dem Auto sollten wir aber in knapp über einer Stunde bei der Schwägalp sein.

2. Akt: Die Viehparade

In Herisau werde ich erstmals suspekt. Irgendwas ist im Busch. Hinter uns ein Auto vom Verkehrsdienst. Auf den Strassen viele Autos. Muss am schönen Wetter liegen.

In Urnäsch Verkehrspolizei. Das Zentrum ist gesperrt. Es stehen Toilettenanhänger herum. Chilbi. Umleitung. Ich ahne schon was kommt. Viehtrieb. Von der Strassenparade in die Alpenparade. Haben die Bauern den Sommer schon aufgegeben?

Auf der Strasse zur Schwägalp gilt jetzt Kuhvortritt. Immer wieder dürfen wir warten, bis die Bauern mit ihren Kühen, Geissen und Hunden vorbeiziehen. Eine grosse Kuh ist offenbar in schlechter Laune und macht uns eine Delle ins Auto. Die Anfahrt dauert fast 40 Minuten länger. Aber es ist wenigstens schön anzusehen.

3. Akt: Sägemehl

Endlich erreichen wir die Passhöhe. Aber hier parken die Autos schon vor der Passhöhe. Jetzt sehen wir, warum der Verkehrsdienst hinter uns hochfährt. Hier wimmelt es von Leuten, Autos und anderem Gerät. Das muss geregelt werden. Als wir das Säntis-Hotel passieren, sehen wir, dass hier eine Bühne gebaut wird; nein ein Stadion. Auch dass noch. Am Sonntag ist das Schwägalp Schwinget und hier wird fleissig vorbereitet. Dazu kommen alle Tagesausflügler an diesem perfekten Sommertag. Was für ein Betrieb. Wenigstens finde ich dank unseres kleinen Autos noch eine Parklücke zwischen zwei Parkfeldern auf dem ansonsten überfüllten Parkplatz. 

4. Akt: Der Stein

Beim Abstieg vom Öhrli rutscht mir ein Stein unter den Füssen weg, obwohl ich sehr vorsichtig bin. Mit ungutem Gefühl sehe ich, wie er auf den Bergweg zu rollt und springt. Ich rufe noch eine Warnung. Ein paar Sekunden später verlässt der Stein meinen Sichtbereich. Ich höre erschreckte Schreie vom Bergweg. Dann nichts. Jetzt ist mir mulmig zumute. Ich steige weiter vorsichtig ab und versuche zu sehen, was auf dem Bergweg los ist; ich kann den Weg aber nicht sehen. Ich beobachte, wie eine Gruppe vor der Stelle wo der Stein runter ist aus meiner Sicht verschwindet und danach wieder auftaucht. Alle sehen ruhig aus. Auch eine andere Gruppe, die schon etwas weiter ist, macht keine Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung wäre – das müsste eigentlich die Gruppe sein, welche da geschrien hat. Zurück beim Öhrlisattel kann ich den Weg jetzt einsehen. Zum Glück ist nichts passiert!

5. Akt: Die Bergparade

Die Route hat uns begeistert. Der Alpstein ist wunderschön. Der Nasenlöchersteig ist anstrengend und etwas abenteuerlich. Das Öhrli ist noch aufregender. Es liess unseren Adrenalinspiegel steigen. Auf der Rossegg beruhigen wir uns wieder. Zum Abschluss kommt beim Aufstieg zum Girensattel und auf der Himmelsleiter trotz der übermässigen Sicherungsmassnahmen etwas Bergsteigerfeeling auf. Mit einem riesigen Grinsen und in Hochstimmung kommen wir auf dem Säntis an. 

Wir sind nicht schnell unterwegs. Obwohl wir spät aufgebrochen sind, pausieren wir immer wieder um die herrliche Bergwelt zu geniessen. Das Wetter ist super. Der Säntis zieht am Nachmittag einige Wolken an aber meistens ist der Himmel frei und die Fernsicht sehr gut. Kurz nach fünf sind wir oben und sehen weit in alle Richtungen. Die anderen Alpsteingipfel und -Grate, die Churfirsten, der Bodensee, Rigi und Pilatus, ja sogar das Bernina Massiv. Wunderschön.

6. Akt: Verrückt

Eigentlich möchten wir zu fuss absteigen aber weil es schon nach sechs Uhr ist, entscheiden wir uns dagegen. Wir kennen uns hier noch nicht gut aus und alle Abstiege dauern so lange, dass es dunkel werden könnte und kein ÖV Anschluss zur Schwägalp mehr besteht. Also nehmen wir die Bahn hinunter. Heute ist der Billetautomat kaputt und die mobile Kasse hat eine elendig lange Warteschlange. Egal. Das kann unsere Stimmung nicht trüben - auch nicht das Rivella für 5.60 Fr.

Zum Abschluss sitzen wir noch für eine Stunde auf der Terrasse des Säntis Hotels und geniessen den Abend. Irgendwie kommt mir der Mann am Nachbartisch bekannt vor. "Hallo Samuel" tönt es von einem uniformierten Divisionär zum besagten Herren. Es ist Altbundesrat Samuel Schmid. Verrückter Tag denke ich.

Dann kommt noch eine Swisslos-Verkäuferin an unseren Tisch. Ich will kein Los, doch Věra kauft eines für mich. Ich gewinne 20 Fr. Verrückt!

Tourengänger: Dodovogel


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 31351.gpx Route am Computer eingezeichnet. Keine Garantie auf Richtigkeit.

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Kommentare (5)


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silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 15. August 2016 um 18:37
"Haben die Bauern den Sommer schon aufgegeben?"

Dachte gestern hier die Abfahrt sei enorm früh.

Toller Bericht!

Dodovogel hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. August 2016 um 09:12
Danke!

Ja es scheint früh aber es hatte durchaus noch viel Vieh auf verschiedenen Alpen.

Mit diesen Traditionen bin ich nicht sehr vertraut aber ich denke es wird noch mehr Abfahrten geben.

SCM hat gesagt:
Gesendet am 16. August 2016 um 15:26
Schöner Bericht, diese Route kommt auf meine Todo Liste. Ich wusste bis jetzt nicht, dass es Versicherungen gibt mit Höhenbeschränkungen. Wieder was gelernt.

Dodovogel hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. August 2016 um 15:59
Sie ist halt in Tschechien versichert und benötigt fürs Ausland immer private Zusatzversicherungungen. Und die Ausweitung des normalen Versicherungsschutzes auf die Schweiz, Deutschland, etc. schliesst alles über 3000 m aus. Mühsam, aber wäre dumm wenn etwas passiert.

SCM hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. August 2016 um 09:00
Ja natürlich, war einfach völlig neu für mich :)


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