Von Sion zur Grande Dixence


Publiziert von ABoehlen , 1. August 2016 um 18:20.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:29 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 2160 m
Abstieg: 270 m
Strecke:Sion – Les Agettes – Les Mayens-de-Sion – Thyon 2000 – Pas de la Lé – Orchèra – Allèves – Barrage de la Grande Dixence, 28 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Sion
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Dixence, Le Chargeur
Kartennummer:LK1306 Sion, 1326 Rosablanche

Es handelt sich hier um eine Tour, die zwei völlig gegensätzliche Charaktere aufweist: Die erste Hälfte verläuft mehrheitlich durch Wald und konstant bergauf, während der zweite Teil oft flach, teils aber auch in munterem bergauf-bergab ausschliesslich durch offenes Gelände führt.

Die Idee zu dieser Tour kam mir 3 Wochen vorher, als ich von Sion zur «Retortenstadt» Thyon 2000 aufstieg und dort in der Ferne die Staumauer Grande Dixence erspähte. Es müsste doch möglich sein, die Tour bis dorthin fortzusetzen. Das Studium des Fahrplanes zeigte mir, dass der letzte Bus dort um 16:55 Uhr losfährt, was eigentlich reichen sollte. Somit fahre ich bei prächtigem Sonnenschein wiederum mit der frühestmöglichen Verbindung nach Sion, wo ich um 07:40 Uhr starten kann. Die Sonne heizt schon kräftig ein, als ich der schnurgeraden Strasse zur Pont du Rhône und weiter der Hauptstrasse Richtung Nendaz folge. Bald aber steigt der Wanderweg steil in die Rebberge hinauf. Das Klima hier ist derart mild und sonnig, dass sogar diese schattseitigen Hänge mit Reben bepflanzt werden können!

Vom Gebiet Les Bouillets (ca. 610 m) geniesse ich einen schönen Blick hinunter auf die Walliser Kantonshauptstadt und der Schweiss fliesst bereits in Strömen. Zum Glück geht es jetzt eine Weile durch den Wald, allerdings ist es auch dort «tüppig» und der Weg verläuft durchwegs steil bergan. Ganz in der Nähe werden mit einem Hubschrauber Baumstämme ausgeflogen – erst sehe ich ihn über mir, dann auf gleicher Höhe und schliesslich unter mir. Nach etwas über einer Stunde erreiche ich die ersten Häuser der Siedlung Crête à l'Oeil, wo ich beim Dorfbrunnen meine erste Flasche nachfüllen kann. Ein Liter ist bereits verheizt!

Nun beginnt lockeres Siedlungsgebiet mit den Dörfern La Vernaz, dessen Kirche man vom Tal aus gut sehen kann, Les Agettes und den «Maiensässen von Sitten», Les Mayens-de-Sion . Viel lockerer Baumbestand und Buschwerk sorgt aber auch in diesem Teil für meist schattige Verhältnisse, was das Bergaufwandern sehr angenehm macht. Ohnehin ist die Luft hier oben schon viel weniger schwül als unten im Tal. Bei einer Kapelle erreiche ich den Beginn des Waldgebietes, das sich bis zur Spitze des riesigen Hügels erstreckt, und mache eine Pause (ca. 1400 m). Obwohl dieser Abhang südlich von Sion höher ist als viele Voralpengipfel, ist er vom Charakter her tatsächlich eher ein grüner Hügel als ein Berg!

Durch diesen Wald führen zahlreiche Wege und die tadellosen Markierungen helfen einem, sich zurechtzufinden. Gouilly d'en Bas und Gouilly d'en Haut heissen die nächsten Wegpunkte; kleine Teiche, die bei den Feriengästen sehr beliebt sind, wie es den Anschein macht. Überhaupt kommen mir zunehmend Wanderer entgegen, die wohl in Thyon Urlaub machen, während ich bis jetzt niemandem begegnet bin.

Oberhalb von La Matse verlasse ich den Wald für einen Moment und geniesse zum ersten Mal einen Ausblick nach Süden ins Gebiet der Täler Val d'Hérens und Val d'Hérémence. Und dort, ganz zuhinterst, erspähe ich jetzt das Tagesziel, die Barrage de la Grande Dixence. Noch weit, weit enfernt…

Vorerst erreiche ich aber Thyon 2000, jene Siedlung, die oben auf dem Hügel liegt, von dem vorhin die Rede war. Obwohl ich mich hier auf 2095 m Höhe befinde, bin ich immer noch ringsum von dichtem Wald umgeben. Es ist immer wieder erstaunlich und faszinierend, wie hoch die Waldgrenze im Wallis liegt, verglichen mit anderen Gebieten der Schweiz!

Thyon 2000 ist eine reine Feriensiedlung, fast wie eine kleine Stadt mit einem grossen Hauptplatz, umgeben von Läden und Restaurants und natürlich Ferienwohnungen. Vor 3 Wochen war hier mehr oder weniger «tote Hose», aber jetzt herrscht reger Betrieb und auch die beiden Parkplätze für Tagesausflügler (gratis der untere, mit Parkuhr der obere) sind gut belegt. Ich lasse mich auf einem Stein am Rande der kleinen «Stadt» nieder und geniesse mein bescheidenes Picknick und die schöne Aussicht. Gegenüber dem letzten Mal, wo immer wieder Wolken aufzogen und es relativ kühl war, ist es heute sonnig und angenehm warm.

Ca. um 12:00 Uhr starte ich zum zweiten Teil der Tour. Laut Karte sollte von hier ein Weg ohne nennenswerte Höhenunterschiede dem Abhang des Val d'Hérémence südwärts folgen. Der Einstieg im Bereich der La Tsermetta-Seilbahn ist allerdings ziemlich eingewachsen und nicht eindeutig markiert. Die Karte hilft aber zuverlässig und bald wird der Weg besser. Es ist in der Tat ein prächtiger Höhenweg mit herrlichen Ausblicken. Und immer im Blickfeld – die Grande Dixence. Aber das riesige Bauwerk will nicht näherkommen, scheint wie eine Fata Morgana in der Ferne zu liegen…

Nach der Umgehung des Mont Cauille folgt zum ersten Mal seit langem wieder ein steiler Aufstieg, der ins Alpgelände von Essertse führt, wo sich der Weg wieder senkt, um dann abermals zum Pas de la Lé anzusteigen. Und wieder geht es durch weitläufige Bergmatten und ringsum blühen Bergblumen aller Art. Erstaunlich: ausser mir scheint das kaum jemand geniessen zu wollen. Ich frage mich, wo die Inhaber der vielen parkierten Wagen herumwandern…? Aber mir soll es recht sein; ich geniesse die Ruhe und Einsamkeit hier oben.

Der Weg holt nun zunehmend in wenig ausgeprägte Seitentäler aus, wodurch die Staumauer oft für längere Zeit nicht mehr zu sehen ist und dann unvermittelt wieder auftaucht. Und so nach und nach erscheint sie immer mächtiger und dominanter. Nach gut 3 Stunden ohne nennenswerte Pause endet der lange mehr oder weniger ebene Teil und der Anstieg zur Alp Allèves beginnt. Obwohl die Beine langsam müde werden, geht das gut. Zum ersten Mal sehe ich weidende Tiere, genauer Schafe, die sich auf einem riesigen, eingezäunten Perimeter tummeln. Ein Herdenschutzhund bellt in der Ferne, nachdem er mich erspäht hat. Seine scharfen Augen sehen wohl, dass ich mich jenseits des Zaunes befinde, daher kommt er nicht näher. Aber dieser Zaun… Teilweise sind die Pflöcke mitten im Weg eingeschlagen und es bleibt nur ein sehr schmaler Korridor, wo man sich durchzwängen muss. Eine Berührung sollte tunlichst vermieden werden, da er sicherlich geladen ist und das verschwitzte T-Shirt den Strom sehr gut leiten würde!

Bald habe ich die Höhe der Mauerkrone erreicht, aber noch liegt ein Tal dazwischen, das durchquert werden muss – die Combe de Prafleuri. Dahinter folgt noch einmal ein Aufstieg über etwas mehr als 100 Höhenmeter zum höchsten Punkt heute: Pt. 2410. Zum ersten Mal sehe ich die Mauer nun von oben und den See, den sie aufstaut; den Lac des Dix. Dieser ist allerdings stark abgesenkt! Nur noch ein steiler Abstieg, und über die Zugangsstrasse erreiche ich kurz nach halb Vier Uhr die Mauerkrone. Geschafft!

Auch hier hält sich der Besucheransturm in Grenzen und ich kann mich in aller Ruhe umsehen. Weit erstreckt sich der Stausee von hier aus nach Süden um eine Biegung herum, sodass man das Ende nicht sehen kann. Dafür blicke ich nach Norden direkt hinunter zum Wandfuss, 250 m weiter unten. Zusammen mit dem Fundament erreicht die Mauer sogar eine Höhe von 285 m und ist damit die höchste Gewichtsstaumauer der Welt. 15 Jahre wurde daran gearbeitet und 6 Millionen m³ Beton verbaut.

Um zur Bushaltestelle Le Chargeur zu gelangen, könnte ich auf dem steilen Zickzackweg absteigen, oder dem Fahrsträsschen folgen. Ich entscheide mich, stattdessen die Luftseilbahn zu benutzen. Diese kleine Pendelbahn von 1964 verkehrt ohne fixen Fahrplan, einfach sobald die Kabinen gefüllt sind. Eine einfache Fahrt kostet CHF 5.– Beim gemütlichen zu-Tale-schweben nimmt man die gewaltigen Dimensionen dieser Mauer erst richtig wahr. Unten statte ich dem kleinen Souvenirladen einen Besuch ab und lasse mich dann auf der Terrasse des Hotels «Le Ritz» nieder, wo ich an der Sonne mein wohlverdientes Bier geniesse.

Die Tour ist zu Ende, aber der Tag noch lange nicht. Ca. um 17:00 Uhr fährt der Theytaz-Bus mit vorerst nur 3 Fahrgästen los, und vom Platz zuvorderst neben dem Fahrer, begleitet von der angenehmen Musik von RTS Option Musique aus dem Lautsprecher, kann ich die lange Reise in vollen Zügen geniessen. Obwohl wir hier in einem Tal sind, liegt die Endstation höher als manche Alpenpässe und entsprechend spektakulär ist die Fahrt zurück nach Sion. Eine Stunde später steige ich dort bei hochsommerlichen Bedingungen wieder aus und habe bald Anschluss an einen Regionalzug, dann in Visp auf den IC, die S-Bahn in Thun und das Postauto in Rubigen: Grande Dixence – Worb Dorf in 3 Stunden; es ist beeindruckend was der öffentliche Verkehr in diesem Land zu leisten vermag!

Tourengänger: ABoehlen


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