Vom Königssee auf die Mittelspitze 2713m - Einlaufen auf die härtere Art


Publiziert von alpensucht , 3. Juli 2016 um 23:23.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum: 1 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 800 m
Strecke:Königssee-Kühroint-Watzmannhaus-Hocheck-Mittelsp.- retour bis Wmhs: ca. 13km

Eine lange nächtliche Reise mit wenig Schlaf und später Ankunft zur Folge geht bei Flachländern oft einer schönen Tour voraus. So auch diesmal. Die Prognosen für heute sind zum Nachmittag wenig sicher, es können Schauer auftreten. Zunächst möchte ich meine Zustiegsschuhe einlaufen und nehme mir zuvor den Kleinen Watzmann vor.

Königssee - Watzmannhaus T3, 2h 50min
10:45 starte ich in Königssee und haste genussvoll los. Schnell spüre ich, dass es heute noch schmerzhaft werden wird. Meine Fersen rutschen rauf und runter bei dem steilen Asphaltweg vorbei an der Bobbahn. Nach kaum 15min kommen Blasenpflaster auf beide schon wunden Haksen. Dann gehts weiter, der Schmerz nimmt zu, dennoch gehe ich ziemlich zügig hinauf durch die Hitze (T1).

An der Kührointalm ist mächtig was los, ein Versorgungszelt der Bundespolizei als Stützpunkt für Spitzensport (welche Sportart?) steht hier und am Folgetag wird riesengroß der 60. Geburtstag der Alm gefeiert. Also schnell durch und etwas oberhalb um 12:10 Uhr Pause machen. Blasenpflaster erneuern und in Ruhe die Entscheidung zur heutigen Tour treffen.

Ich bin solo unterwegs, das Wetter ist unsicher und ich laufe mit neuen Schuhe herum - da fällt auch angesichts des entstehenden Gegenanstiegs zum Watzmannhaus die Entscheidung gegen die Watzmannfrau nicht schwer. Also gehe ich zunächst mal zum Watzmannhaus und schaue, wie es geht und wieviel Zeit noch bleibt. Dann kann ich über weiteres Vorgehen mit Hilfe der aktuellen Prognose an der Hütte entscheiden.
Erneut setze ich zum hohen Tempo an (ca. 700Hm/h), wobei bei diesem Abschnitt (T3) die Fersen weniger Schmerzen bereiten, da der Weg viele schöne steinige Stüfchen und Tritte bietet.

Insgesamt wirkt das Wetter auf Sicht deutlich stabiler, als es prognostiziert wurde. Ursprünglich (Prognose vom Mittwoch) gab es auch eine gewisse Gewittergefahr für heute, doch auch eine westliche Höhenströmung liegt vor. Die veruracht heute unter anderem, dass sich die Cumuli nicht so hoch auftürmen, sondern "verwehen" bevor sie sich der Tropopause zu sehr annähern.

Gegen 13:35 Uhr erreiche ich das Watzmannhaus und informiere mich gleich nach Hüttenbucheintrag über das Wetter.  Bisher habe ich die Gehzeiten etwa in der halben angegebenen Zeit geschafft. Also könnte ich durchaus noch auf das Hocheck (3h laut Wegweiser) kommen.

Watzmannhaus-Hocheck-Mittelspitze-Abstieg  T5, II, WS;  4h 2min
Nach einer kleinen Stärkung und dem Halbieren des Rucksackgewichts geht's 14:08 Uhr weiter.
Ich halte mich die meiste Zeit sehr weit links abseits der markierten Route im schrofigen Gelände. Eine längere brüchige Rinne (I) und wieder Schrofen (I und Gegelände) führen mich schnell aufwärts. Vor 14 Jahren war ich einmal hier und brach an einer für mich damals ausgesetzten Stelle weiter oben ab. Heute geht's mit inzwischen bemerkbarer Beinmuskulatur flott und genussvoll aufwärts.

Ein junger Steinbock hält sich an der östlichen Abbruchkante auf. Weiter oben posiert die Mutter für die Kamera. Leider fiel meine Suunto Vector im Aufstieg zum Watznmannhaus plötzlich aus, so dass ich mich hier nicht so gut orientieren kann, wie hoch ich mich befinde. Umso überraschter bin ich, als nach dem "Vorgupf" (von der Hütte zu sehen) eine sich noch deutlich weiter hinziehende Flanke zu einem weiteren "Geländewelle" zieht. Erst danach leitet der letzte Steilaufschwung mit Drahtseilen versichert (T4-) auf das Hocheck. 15:39 Uhr.
Ein Wanderer will gerade absteigen. Ich begutachte den Unterstand, der relativ sauber wirkt. Nach einigen weiteren Pausenminuten stelle ich fest, dass auch in den nächsten zwei Stunden kein Regen zu erwarten ist, obwohl sich der Gipfelbereich immer wieder kurz in Wolken hüllt. Also checke ich kurz das Topo der Watzmannüberschreitung und stelle fest, dass der erste Teil zur Mittelspitze nur eine Stunde dauert und als recht leicht gilt (B, II).

Gurt an - zwei Schlingen mit HMS-Karabiner dran und los. Beim ersten ausgesetzten Stück nach dem Holzsteg hänge ich es ein, stelle aber nach zwei Zwischensicherungen fest, wie viel Zeit das kostet. Deshalb benutze ich nun keine Sicherung mehr und konzentriere mich noch mehr auf jeden Tritt und jede Bewegung (T5, Zwei Stellen II, B=WS). Streckenweise erinnert das an den Jubigrat, doch ist das hier insgesamt keinesfalls damit zu vergleichen! Nach 20min anregender Kraxelei erreiche ich die Mittelspitze, wo ich mich 10min aufhalte und danach wieder zurück haste.
Auf dem Rückweg gehe ich noch auf ein Schneefeld, um die Schneequalität kennen zu lernen. Nur mit Zustiegsschuhen und ohne Gamaschen werde ich heute wohl keinen Spaß am Abfahren finden! Am Hocheck plaudere ich noch 25min mit drei Berggängern und gehe dan zügig den Abstieg an. Dabei halte ich mich wieder bis fast ganz unten sehr weit rechts nahe der Abbruchkante. Dort gibt's schönen Fels (teils ausgesetzte Stellen, Umgehung möglich) und einige brüchige Schrofen. Die Steinbockmutter posiert nochmals wunderbar und die letzten 500Hm hinab strengen nun ziemlich an. Oberschenkel und Sprungelenke geben leichter nach. Sonst gehe ich ausschließlich mit Alpinstiefeln Kat. D! Ich drossle das Tempo deutlich und trudele gemütlich in der wunderschön gelegenen Bergunterkunft um 18:10 Uhr ein.

Für mich persönlich war das eine sehr große Einlauftour. Das maximal mögliche bei so spätem Start konnte ich herausholen, obwohl ich erst vor zwei Wochen wieder ernsthaft zu Hause zu traineren begonnen habe. Schneller muss dennoch nicht wirklich sein - in einer Gruppe ohnehin nicht!  Nicht nur in den insgesamt 4 Pausen (in Summe 1h 20min) genoss ich die Stimmung und die Ruhe am Berg, auch beim Gehen bleiben wertvolle Eindücke hängen und finden den Weg in den Rucksack der Eindrücke, den Bergsteiger aus dem Flachland mit heim nehmen und in den "flachen Tagen" davon zehren.

Sehr glücklich macht mich der erreichte Watzmann-Mittelgipfel, den ich logischerweise schon lange auf meiner Wunschliste hatte. Für den Folgetag steht der Abstieg nach Ramsau, der Aufstieg zur Blaueishütte und die Schärtenspitz-Nordostwand mit zwei Freunden an. Das Wetter soll nachmittags sehr schlecht werden...


Tourengänger: alpensucht


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T6 III K2
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T4 L
28 Jul 74
Watzmann 2'713m · stkatenoqu
WS+ II

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