Snæfellsjökull - Eine Reise zum Mittelpunkt der Erde (ohne Gertrud)


Publiziert von pika8x14 , 24. Juni 2016 um 04:02.

Region: Welt » Island
Tour Datum:22 Mai 2016
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: IS 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Per Pkw von Arnarstapi aus auf die unbefestigte Straße F570. Dort weiter, solange es die Schneesituation zulässt. Grundsätzlich ist - wiederum abhängig von der Schneesituation auch die Anfahrt über die F570 aus Richtung Ólafsvík möglich.
Unterkunftmöglichkeiten:Verschiedene Unterkünfte, z. B. in Arnarstapi oder Hellnar.
Kartennummer:Sérkort 10 "Snæfellsnes", 1:100.000/1:55.000

Jahrelang wandern und steigen wir nun schon auf mehr oder weniger bekannte Berge. Und kaum sind wir oben - am Gipfel - angelangt, dackeln wir wieder hinunter…

Da kann man sich zwischendurch ja mal die Frage stellen, ob es nicht auch andere Freizeitaktivitäten gibt. Wie wäre es zum Beispiel mit einer


Reise zum Mittelpunkt der Erde?

Das klingt doch wirklich interessant. Umso mehr verwundert es, dass man dazu aktuell wenig Hilfreiches findet: Von den „üblichen Verdächtigen“ - SAC bzw. AV - gibt’s tatsächlich keinerlei Literatur. Und auch im Internet sind die Informationen sehr dürftig.

Zum Glück hat aber ein gewisser Jules Verne bereits 1864 das passende Buch zum Thema verfasst, welches unserer Meinung nach durchaus als Standartwerk für Aktivitäten im Erdinneren angesehen werden kann: „Voyage au centre de la terre“.

Wir halten uns an die deutschsprachige Ausgabe und recherchieren den groben Ablauf: Zuerst steigt man auf den Vulkan Snæfellsjökull und gelangt dort ins Unterirdische. Im weiteren Verlauf der Tour wird man offenbar immer wieder von seltenen Tier- und Pflanzenarten überrascht. Die Unwettergefahr soll erheblich sein, und vermutlich ist ein Teil des Weges per Floß zurückzulegen. Zu guter Letzt kehrt man am Stromboli wieder ans Tageslicht zurück. Unterm Strich dauert die Unternehmung also eine ganze Weile, immerhin geht’s vom Nordatlantik bis zum Mittelmeer.

Darüber hinaus liefert uns ein (Dokumentar?-) Film von 1959 weitere sachdienliche Hinweise: Danach reist man am besten in Begleitung einer Ente, welche idealerweise Gertrud heißen sollte…


Unsere Tour

20. und 21.05.2015,
Letzte Vorbereitungen, Anreise und erste Erkundungen vor Ort


Seit einer Woche sind wir nun bereits in Island und haben etliche Sehenswürdigkeiten besichtigt.

Da für die kommende Woche ohnehin nicht das beste Wetter angekündigt ist, beschließen wir kurzerhand, die Reise zum Mittelpunkt der Erde anzugehen. Schließlich sollten bei dieser „Wanderung“ Sonne und Wolken eher keine Rolle spielen (- denken wir zumindest im Moment).

Nach der Besteigung des *Hvannadalshnúkur geht’s also sofort an die Vorbereitungen für unser neues Vorhaben.

Der Freitag steht dabei ganz im Zeichen der Akklimatisierung: In der „Blauen Lagune“ (Bláa Lónið) bei Grindavík gewöhnen wir uns schon einmal an heiße Temperaturen und fragwürdige Gerüche aus dem Erdinneren.

Derart gerüstet fahren wir am Samstag auf die Halbinsel Snæfellsnes. Hier erkunden wir als erstes die Zufahrt zum Ausgangspunkt unserer Tour: Von Süden her, d. h. von Arnarstapi aus, hoppeln wir die unbefestigte Straße F570 hinauf. Auf etwa 340 m Höhe endet unser Ausflug jedoch. Ab hier versteckt sich der - eigentlich bis nach Ólafsvík führende - Fahrweg unter einer geschlossenen Schneedecke.

Dafür stehen zwei Pistenraupen und etliche Schneemobile bereit. Damit können sich lauffaule/zahlungsfreudige Touristen und Skifreunde tatsächlich bis zum Sattel zwischen Snæfellsjökull-Mittel- und -Nordgipfel auf knapp 1.400 m bringen lassen - also ziemlich nah heran an den vermeintlichen Eingang in die Unterwelt. Dorthin möchten wir natürlich zu Fuß - allerdings noch nicht heute.

Erst einmal geht’s nämlich wieder zurück nach Arnarstapi. Wir schlendern eine ganze Weile an der Küste entlang und beobachten dabei viele Seevögel. Unseren dringend benötigten, dritten Expeditionsteilnehmer können wir aber leider nicht finden: Wir rufen zwar mehrmals laut nach Gertrud, allerdings reagiert keine der zahlreich anwesenden Enten auf unsere Bemühungen. Und auch ein abendlicher Spaziergang beim Leuchtturm Malarrif bleibt diesbezüglich erfolglos…


22.05.2015,
Unterwegs zum Mittelpunkt der Erde


Nach einer Übernachtung in Hellnar geht’s bestens ausgestattet los. Wir haben den üblichen Hochtourenkram und reichlich Verpflegung dabei (- sogar unseren traditionellen Fencheltee konnten wir zuvor noch in der Hotelküche zubereiten). Es fehlt also eigentlich nur Gertrud.

In wenigen Minuten Anfahrt erreichen wir den vom Vortag bereits bekannten Ausgangspunkt unserer Wanderung an der F570 in etwa 340 m. Bis zum Snæfellsjökull-Mittelgipfel (1.446 m) stehen uns also gut 1.100 Aufstiegs-Höhenmeter bevor. Grundsätzlich können wir heute aus zwei Routen wählen, die als deutliche Spuren durch die weiße Landschaft ziehen:

Die eine führt ziemlich direkt zu unserem Etappenziel und ist offenbar bei Skitourengängern beliebt. Die andere macht einen größeren Bogen und wird - unübersehbar - von den  Pistenraupen benutzt.

Wir entscheiden uns für letztere Variante. Diese ist vielleicht nicht ganz so romantisch und auch deutlich länger - allerdings sinken wir so hoffentlich seltener in den weichen Schnee, weil dort ja „Jemand noch schwereres“ tagelang gut vorverdichtet hat. Anfangs folgen wir dabei wohl noch dem Verlauf der unter dem Schnee versteckten Piste. Auf ca. 770 m machen wir neben einem markanten Hügel eine längere Pause.

Kurz darauf schwenken wir immer mehr west- und südwestwärts. Die bisher meist gut erkennbaren Snæfellsjökull-Kuppen sind nun leider nicht mehr zu sehen, weil immer mehr Wolken aufziehen. So stapfen wir eine ganze Weile durch die weiß-graue Tristesse. Als wir den Sattel (ca. 1.390 m) zwischen Snæfellsjökull-Mittel- und Nordgipfel erreichen, dringt die Sonne dann doch noch einmal für wenige Minuten bis zu uns durch und wir können die wirklich genialen Eisgebilde in voller Schönheit betrachten.

Nach kurzer Pause geht’s - deutlich steiler als bisher und deshalb jetzt mit Steigeisen sowie Pickeln ausgestattet - hinauf zum Mittelgipfel.

Auf den allerletzten Meter wird’s dann richtig spannend. Kurz bevor die kleine Einsattelung zwischen den beiden Mittelgipfel-Buckeln erreicht wird, befindet sich heute die heikelste Stelle: Von rechts wird man von „Eisgewächsen“ abgedrängt, links fällt die Flanke fast senkrecht ab. Und genau dorthin verabschiedet sich eine Sonnenbrille - wie von Magie geleitet (bzw. von der Schwerkraft animiert) entschwindet sie in nicht einsehbare Tiefen…

Das muss der Eingang ins Erdinnere sein!!!

Dummerweise umgeben uns mittlerweile aber derart dicke Wolken, dass wir uns kaum noch orientieren können. So ist nicht nur die Aussicht vom Gipfel bescheiden, d. h. eigentlich nicht vorhanden.

Viel schlimmer: Im Whiteout können wir nicht erkennen, wo denn nun unsere Reise zum Mittelpunkt der Erde weitergehen soll. Nie wäre Gertrud so wertvoll gewesen wie in diesem Augenblick!

Schweren Herzens brechen wir also unsere Expedition ab - bevor sie richtig begonnen hat. Während eines mehrsekündigen „Schönwetterfensters“ können wir aber wenigstens noch in Richtung Nordgipfel blicken. Dann zieht es sich erneut komplett zu, und im leichten Schneegestöber tasten wir uns wieder hinunter zum Sattel.

Hier warten wir länger und hoffen, dass sich die weiße Suppe doch noch verzieht. Nach und nach kommen nun Skitouren-Freunde an, und die Pistenraupe wirft zwischendurch einige Abenteurer ab. Leider haben auch die Neuankömmlinge keine Idee, wo man hier elegant nach Untertage gelangen könnte.

Wir versuchen es nochmal auf dem Nordgipfel, der schnell erkraxelt ist. Aber auch dort ist kein Tor zur Unterwelt zu finden.

Also begeben wir uns - ein bisschen enttäuscht - wieder an den Abstieg. Diesmal nehmen wir die kürzere, direkte Route. Weiter unten geht’s dabei über viel weichen Schnee, der uns nicht wirklich begeistert. Aber wenigstens zeigt sich die Sonne, als wir wieder den Ausgangspunkt unserer Tour an der F570 erreichen.

Am Nachmittag und Abend erkunden wir dann die Halbinsel Snæfellsnes noch während eines kleinen Ausflugs mit dem Auto - im Uhrzeigersinn umrunden wir den Snæfellsjökull und können diesen nochmals aus allen Richtungen betrachten. Irgendwelche Erkenntnisse bezüglich unserer Erd-Mittelpunkt-Reise gewinnen wir dabei aber auch nicht. Immerhin spazieren wir noch zu einigen schönen Aussichtspunkten - u. a. zum Svörtuloft-Leuchtturm. Und zu dem Zeitpunkt, als wir uns eigentlich schon längst mit riesigen Urweltechsen prügeln wollten, nehmen wir stattessen in Ólafsvík die ortsübliche Schnell-Nahrung ein. Mann, sind wir Langweiler… (aber wenigstens satte).


22.05.2015,
Der Tag danach…


Wir ziehen nochmals Fazit und müssen uns eingestehen, dass unsere Expedition sang- und klanglos gescheitert ist. Insgesamt waren wir zwar perfekt vorbereitet. Aber: Ohne Ente hatten wir keine Chance!

Also bleibt freizeitmäßig alles beim Alten - wir dackeln auch weiterhin auf Berge.

Und weil für die nächsten Tage auf Snæfellsnes viel Regen vorhergesagt ist, „flüchten“ wir deshalb erst einmal in den Nordosten von Island.


PS

Falls demnächst mal jemand am Stromboli unterwegs ist und eine Sonnenbrille (Julbo Explorer XL) findet - bitte bei uns melden, denn:

1. Die Brille gehört uns.
2. Die Jules-Verne‘sche Theorie wäre damit endgültig bewiesen.


Ansonsten und ganz im Ernst…

ist der Snæfellsjökull definitiv einen Besuch wert. Der gletscherbedeckte Stratovulkan ist nicht nur eine Berühmtheit, sondern weithin auch ein Blickfang - selbst von Reykjavík aus ist er bei gutem Wetter zu sehen. Den Gipfelbereich überragen drei markante „Hügelchen“ - Vesturþúfa (1.442 m), Miðþúfa (mit offiziell 1.446 m die höchste Erhebung) und Norðurþúfa (knapp 1.400 m) - also der West-, Mittel- sowie Nord- „Hügel“.

Die Besteigung des Snæfellsjökull ist überwiegend eine leichte Hochtour im mäßig geneigten Gelände, Spalten gibt’s freilich auch auf diesem Gletscher. Der Schlussaufstieg zum Mittelgipfel ist deutlich steiler, die allerletzten Meter sind dann - je nach Schnee- und Eissituation - „wenig schwierig“ bis „Kamikaze“.


Übrigens…

findet man auch anderenorts Kopien des berühmten isländischen Kult-Berges - beispielsweise in Colorado. Dort ist das Duplikat zwar nicht ganz gelungen - die „Fälschung“ ist weniger eisig, dafür aber viel höher. Trotzdem kann man den *Mount Sneffels durchaus auch als Traumberg bezeichnen.


pika8x14 sind heute: A. + A.

 

Tourengänger: pika8x14


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Kommentare (10)


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Baldy und Conny hat gesagt:
Gesendet am 24. Juni 2016 um 10:28
sali Zäme

Eure Berichte macht die Vorfreude noch grösser wenn wir Anfang Juli nach Island gehen

Gruess Angelo und Conny

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juni 2016 um 21:22
Hallo zusammen,

dann wünschen wir Euch schon einmal eine gute Reise und vor allem auch etwas Wetterglück.

Besten Dank für Euren Kommentar und viele Grüße,
Andrea + André.

Stevo47 hat gesagt:
Gesendet am 24. Juni 2016 um 15:52
Wunderbar geschrieben, hab mich köstlich amüsiert - Klasse! Hoffe, die Sonnenbrille taucht (im wahrsten Sinne des Wortes) wieder auf ;o).

Danke und viele Grüsse, Steve

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juni 2016 um 23:21
Hallo Steve,

es freut uns natürlich, dass Dir unser Bericht - trotz stellenweise mangelnder Sachlichkeit - gefällt;-). Die nächsten Beschreibungen werden wieder kürzer und vor allem viel seriöser.

Was die Sonnenbrille anbelangt, haben wir allerdings wenig Hoffnung, dass diese wieder auftaucht: Vermutlich hat sich längst irgendeine Urweltechse die Brille unter den Nagel gerissen und chillt damit nun ganz lässig im Riesenpilz-Wald...

Viele Grüße, Andrea + André.

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2016 um 09:14
Hallo zusammen,

auch ohne Gertrud und finalem happy end: eine schöne Tour, amüsant geschriebene Geschichte, angereichert mit wiederum tollen Fotos!

Gruss, Richard

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Juni 2016 um 00:27
Hallo Richard,

Du hast völlig recht: Die Tour zum Snæfellsjökull war auch so sehr schön. Die Besteigung des vergletscherten Vulkans hatten wir uns von Vornherein fest vorgenommen - sozusagen als eines der "Hauptziele" unserer Island-Ferien. Deshalb sind wir natürlich froh, dass das insgesamt gut geklappt hat.

Und die Reise zum Mittelpunkt der Erde werden wir sicherlich später nochmals angehen - vom Stromboli aus...

Danke für Deinen Kommentar und viele Grüße, Andrea + André.

Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 28. Juni 2016 um 12:10
Super récit ! J'ai adoré le récit de Jules Verne quand j'étais jeune, le film aussi - merci de faire revivre tout ça.

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Juni 2016 um 00:46
Uns haben das Buch und der Film in der Kindheit auch begeistert. Deshalb wollten wir uns den berühmten Vulkan unbedingt einmal aus der Nähe ansehen. Und die kleine Tour hat sich wirklich gelohnt, auch ohne Abstecher zum Erdmittelpunkt…

Danke für Deinen Kommentar und viele Grüße.
(Unsere Französisch-Kenntnisse sind leider sehr dürftig,
Dein Deutsch ist garantiert besser ;-).

Henrik hat gesagt: Schlechte Luft in Reykjavík
Gesendet am 16. Januar 2018 um 10:48
Das muss man sich wirklich auf der Zunge vergehen lassen:
Schlechte Luft in Reykjavík

Mein Interesse für Island ist zwar nach wie vor vorhanden... aber....
Schlechte Luft in Reykjavík

Herzlich


Henrik

pika8x14 hat gesagt: RE:Schlechte Luft in Reykjavík
Gesendet am 16. Januar 2018 um 13:26
… wir haben heute Morgen auch gelesen, dass die Luftqualität an bestimmten Messstellen in Reykjavík schlecht ist - offenbar aufgrund einer Inversionswetterlage.

Allerdings sehen wir keinen direkten Zusammenhang zu unserem Snæfellsjökull-Bericht aus dem Jahr 2016.

Übrigens: Wie im letzten Absatz des Deinerseits verlinkten Artikels beschrieben - haben wir uns soeben die aktuellen Daten angeschaut. Momentan heißt es für alle Messstellen: Loftgæði góð, also: Luftqualität gut…

Viele Grüße, Andrea + André.


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