Herzogstand über Nordostwand - einsam geht immer!


Publiziert von Wagemut , 4. Juni 2016 um 15:01. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:29 Mai 2016
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1150 m
Abstieg: 1150 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz auf der Kesselberghöhe
Unterkunftmöglichkeiten:Herzogstandhaus
Kartennummer:AV-Karte BY 9 Estergebirge

Auf zum Herzogstand? Jawohl! Aber warum? Wenn man seine Ruh haben will, ist man hier doch völlig falsch, oder?! Schließlich ist der Berg vollkommen überlaufen, ja fast schon dauerhaft bevölkert. Was gibt es da noch Reizvolles zu entdecken? Einiges! Die Herzogstandnordwände haben landschaftlich durchaus etwas zu bieten. Allerdings ist der Aufstieg über diese nicht leicht. Neben sehr exponiertem und sehr brüchigem Gelände im unteren Abschnitt darf man sich aber bei optimalem Routenverlauf sogar auf längere festfelsige Abschnitte freuen. Und, wer sich nach so viel Einsamkeit nicht doch noch zum Schluss die Zivilisationsdröhnung am Herzogstandhaus geben will, der beschließt die Runde, indem er beim Gipfelchen 1666 m zwischen Herzogstand und Heimgarten auf einem nicht bezeichneten, aber gut erkennbaren Steiglein Richtung Norden absteigt...



Los geht es für uns am Parkplatz auf der Kesselberghöhe. Auf dem Normalweg (Urfelder Reitweg) gehen wir zügig in ungefähr 30 min bis zum rechts abzweigenden Pionierweg auf 1142 m. Kaum auf den Pionierweg abgebogen, wird der Weg auch schon wieder verlassen, denn hinter der Almwiese liegt schon die Nordwand vor uns. Wir überqueren die Wiese und halten auf die Wände zu. An diesen entlang steigen wir rechts hinauf auf das Haupt des gras-, strauch- und latschenbewachsenen Geröllkegels, der schon von der Alm aus sichtbar ist. Rechts zieht eine meist mit Altschnee gefüllte, große Rinne talwärts. Hier ist der Einstieg in die Route "Nordostwand" (siehe Zebhauser Kletterführer) Wer die gehen will muss gerade nach oben klettern!!

Aber da ich gedanklich noch bei der Begehung vom letzten Mal bin, als ich eine Variante zur "Nordostwandroute" kletterte,  geh ich gewissermaßen gedankenverloren (:-)) etwas die Rinne hinab und halte mich dann schräg rechts aufwärts zu einem markanten kleinen Wasserfall, der die meiste Zeit des Jahres Wasser führt. Da wir nunmal schon soweit geklettert sind, entscheiden wir uns, hier weiter unser Glück zu suchen.:-) Die "richtige" Nordostwand muss halt bis zum nächsten Mal warten...

Kurze Wandübersicht:

Zwischen Gipfelpavillon und Kreuzgipfel erstreckt sich in der Nordwand eine kesselartige Schlucht. Sie verzweigt sich nach unten in eine östliche in einen Wandabbruch mündende Rinne und eine westliche Rinne, die zunächst nördlich gerade nach unten zieht, dann nach Osten umbiegt und schließlich wieder nördlich im oben erwähnten Wasserfall endigt.

Aufstieg:

Unser Anstieg umgeht den Wasserfall westlich über sehr steiles Latschenschrofengelände, führt dann kurz absteigend in die westliche Rinne, vorbei am Turm des Nordgrats (siehe den Bericht von frehel) , quert dann nach links in den oberen Teil der östlichen Rinne und verläuft zuletzt in der östlichen Begrenzungswand des Kessels zum Kreuzgipfel. 

Eine deltailierte Beschreibung des Aufstiegs würde zu weit führen. Deshalb lass ich im Folgenden die Bilder sprechen.:-) Nur noch so viel: Der erste Abschnitt im Latschengelände ist enorm steil und durch die felsigen, teilweise trittarmen Bereiche unangenehm zu begehen und nicht leicht zu überwinden. Hat man diese ca. 50 hm hinter sich, und ist nach links in die westliche Rinne abgestiegen, beginnt der spaßige Teil der Unternehmung mit schönen Kletterstellen! Ab Höhe Nordgratturm gibt es mehrere Routenmöglichkeiten, die nicht über den II. Grad hinausgehen.

Abstieg:

Vom Gipfelpavillon auf dem Grat nach Westen zum Gratgipfel auf 1666 m. Direkt vom Gipfel nördlich hinab in eine freigeschnittene Latschengasse. Aus der Scharte vor dem Rauteckkopf weglos rechts ab und zwischendrin über kurze Geröllrinnen gerade östlich hinab zu den Jägerständen auf 1300 m. Danach hält man sich nördlich auf einem Pfad zur Unteraueralm. Ab hier muss man nochmal aufpassen, weil sich die Pfadspur (auch in der AV-Karte verzeichnet) im Wald ab und zu verliert und trifft auf 960 m auf den Pionierweg. Jener leitet südöstlich ansteigend zum Abzweig auf 1142 m. Hier schließt sich der Kreis und in Bälde ist auch die letzte Strecke bis zum Parkplatz geschafft. 

Schwierigkeiten:

Vom Einstieg bis zum Grasflecken (siehe Photos) IIIer Stellen; Latschenabschnitt, steil mit kurzen IIer Stellen; ab Betreten der westlichen Rinne nicht mehr so exponiert bis auf die letzten 30 hm vorm Kreuzgipfel, je nach Wegwahl I-II bzw. Stellen III

Ernsthaftigkeit der Bergtour

Die Tour sollte im unteren Teil in punkto Ausgesetztheit, Unübersichtlichkeit des Geländes und Brüchigkeit nicht unterschätzt werden. Die Orientierung ist nicht einfach. Ab dem Einstieg ergeben sich mehrere von der Originalführe "Nordostwand" (siehe Zebhauser Kletterführer) abweichende Routenmöglichkeiten. Insgesamt sind die ersten 50- 100  hm ab dem Einstieg durchweg als brüchig und dadurch als gefährlich einzustufen. Wenn man sich hier versteigt, kann es sehr schnell unangenehm werden.
Außerdem sollte die Tour nur bei trockenen Bedingungen durchgeführt werden!

Fazit:

Eine lohnende Halbtagestour in brüchigem, aber im oberen Bereich auch weitgehend brauchbarem Fels!
Zum Kennenlernen der Nordwand des Herzogstand empfehle ich, erst den Nordgrat zu gehen, um sich einen Überblick über die Wand verschaffen zu können. Die Orientierung fällt dann einfach leichter.  


Update:

Die Erfahrungen vom Tourengänger dude nehme ich zum Anlass, hier darauf hinzuweisen, dass die in meinen Tourenberichten aufgeführten Angaben zu klettertechnischen Schwierigkeiten (UIAA-Skala) oder Routen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden, jedoch keine Gewähr für ihre Richtigkeit übernommen werden kann. Das Begehen von nichtmarkierten Routen erfolgt vollständig auf eigene Verantwortung für Unfälle übernehme ich keinerlei Haftung.

Ich bitte darum, meine Tourenberichte vor allem als Erfahrungsberichte, nicht aber als "Anleitung" für eine Bergtour zu verstehen. Als alleinige Informationsquelle sind meine Berichte ebenfalls nicht geeignet. Bitte informiert Euch bei schwierigen Touren gründlich z.B. anhand des AV-Führers, mit Hilfe von Luftbildern, Karten oder am besten durch Erkundungstouren im jeweiligen Gebiet.
Im mitunter brüchigen Gelände bis UIAA III  ist eigenverantwortliches Handeln und eine gute, realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten gefragt. Im Zweifelfall sollte eine Tour früh- und rechtzeitig abgebrochen werden können.

Tourengänger: Wagemut, bula_f


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Kommentare (10)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 4. Juni 2016 um 18:12
Individuelle und rassige Tour auf einen bekannten Modeberg. Klasse! Euren Abstieg via Rauteckkopf hatte ich mir schon einmal als einsame Wanderung im Aufstieg überlegt.

Gruß Nico

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. Juni 2016 um 19:12
Servus Nico,

Danke! Ja, im Aufstieg via Rauteckkopf ist es auch schön. Bin ich vor 2 Jahren mal gegangen. Ziemlich einsam!

Viele Grüße,

Joseph

frehel hat gesagt:
Gesendet am 4. Juni 2016 um 18:42
Gratulation, wieder mal eine schöne rustikale Tour; wie's sich gehört! Obwohl es bei trockenem Fels vielleicht noch ein bisschen mehr Spaß machen würde... ;)
Schade, dass ich nicht mitkommen konnte.

VG,
Moritz

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. Juni 2016 um 19:15
Servus Moritz,

schade, dass Du nicht dabei warst! Beim nächsten Mal klappts bestimmt. Und, wenn diese Feuchtwetterphase irgendwann aufhören sollte, auch bei trockenem Fels.:-)

Viele Grüße,

Joseph

Vielhygler hat gesagt:
Gesendet am 5. Juni 2016 um 00:05
Tolle Untenehmung! Schöne Bilder...

Auf dem Rauteckkopf war ich mal im Frühling bei Schnee. Daß man von da über Gassen zum Grat hinauf kommt, überrascht mich allerdings!
(Nebenbei: vom Rauteck (1042 m) unterhalb, einem Hochsitz, hat man einen sehr guten Überblick über das ganze Gebiet...an euren Aufstieg hab ich damals natürlich nicht gedacht...)

Viele Grüße Andreas


Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. Juni 2016 um 13:40
Danke! Beim ersten Besuch lag auf den letzten Höhenmetern vom Rauteckkopf bis zum Schlehdorfer Kreuz noch Schnee, deswegen hab ich von dem Pfad nur weiter unten etwas "gemerkt". Auf Luftbildern kann man ganz gut erkennen, wo die Pfadspur vom Gipfel aus verläuft. Am Anfang muss man noch aufpassen, dass man nicht zu weit nach rechts (Osten) abtriftet, aber für den aufmerksamen Geher ist die Latschengasse nicht zu verfehlen. Es gibt sogar (oder fast logischerweise :-)) einen Verbindungsweg zwischen Rauteckkopf und Rauteckalm, immer schön am nordwestlichen Rücken hinab. Als eigenständige Tour durchaus empfehlenswert. Es muss ja nicht immer K..äh Fels sein. Obwohl meine Felsabhängigkeit groß ist, bin ich auch gerne wandernder Weise unterwegs, auch, wenn das bisher nicht in meinen Berichten aufscheint.

Du machst ja auch recht schöne Touren! Da muss ich auch mal das eine oder andere machen!

Viele Grüße vom Joseph

Vielhygler hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. Juni 2016 um 20:52
Das ist interessant: Von der Rauteck-Alm bin ich dann schon zum zum Rauteck hinunter, aber der Rauteckkopf weiter oben war für mich nur ein Straßenabstecher...das ganze muß ja ein schöner einsamer Anstieg zum Schlehdorfer Kreuz hinauf sein!

Freu mich schon auf weitere solche Berichte von Dir! Schon der "Fotoblock" sieht toll aus, mit den gelben und grauen Felsen, dem Nebel und den wilden Wolken...

Viele Grüße
Andreas

dude hat gesagt: Bitte Aufpassen!
Gesendet am 14. April 2017 um 20:56
Servus beinand,
zwar hört sich die Tour nach einer einsamen Genußroute an, dennoch möchte und muss ich hier noch dringend eine Warnung aussprechen:
Der Fels der Nordwand des Herzogstands ist sehr sehr brüchig. Selbst feste und stabil erscheinende Blöcke können sich lösen und je nach Gestein ist weder abklettern noch abseilen teilweise möglich. Ich selbst musste die Erfahrung machen, als sich plötzlich beim Hochziehen eine kubikmetergroße Erd- und Felsformation löste. Klopft mal an dem Fels! Selbst einer "grünen" Latsche würd ich hier nicht vertrauen (die wurzeln außerdem flach).
Ich persönlich halte die Nordostwand des Herzogstands aufgrund ihrer Brüchigkeit für sehr gefährlich und unberechenbar. Selbst mit vollständiger Kletterausrüstung.
Bitte passt auf Euch auf!

Wagemut hat gesagt: RE:Bitte Aufpassen!
Gesendet am 17. April 2017 um 21:40
Servus Dude,

gerade der untere Teil unserer Route ist durchaus brüchig und das Gelände ist wie gesagt auch unübersichtlich. Dies birgt natürlich eine Gefahr. Der Einstieg ist auch etwas verzwickt. Hält man sich an die Beschreibung des Zebhauser-Führers (vom Einstieg ziemlich gerade empor), gerät man auch ziemlich schnell in sehr unangenehmes Gelände, was mich bis jetzt jedes Mal bewogen hat, nach rechts Auszuweichen, die Route zu verlassen und den unteren Teil über steiles Latschenschrofengelände zu umgehen Wir haben uns also in der Nordostwand, aber nicht auf der Route "Nordostwand" bewegt. Die Felsqualität auf unserer Route dürfte sicher besser sein, als auf der Originalroute. Nichts desto trotz würde ich mich schon irgendwann nochmal auf die Suche nach der richtigen begeben. Bis jetzt sind dafür die Verhältnisse denkbar schlecht. Gerade im Frühjahr löst sich ja auch noch sehr viel lockeres Gestein und abgetrockneter Fels wäre auch von Vorteil. Ende Mai oder Juni dürfte eine gute Zeit sein. Klettersausrüstung halte ich in diesem Gelände übrigens für sinnlos. Entweder man "freundet" sich mit der Brüchigkeit an oder man lässt es lieber bleiben.

Wo bist Du genau unterwegs gewesen in der Wand? Bist Du bis zum Gipfel gekommen?

Ich wünsche Dir gute Touren im Jahr 2017und komm immer gut runter!

Viele Grüße,

der Joseph

dude hat gesagt: RE:Bitte Aufpassen!
Gesendet am 10. Mai 2017 um 01:18
Servus Joseph,

ich geb dir vollkommen recht: Kletterausrüstung bringt hier rein gar nichts.
Zu deinen Fragen: Ich habe mich schlicht verstiegen und war dann sicherlich gar nicht oder kaum auf deiner beschriebenen Route unterwegs und bin auch nicht bist zum Gipfel gekommen, geschweige denn runter. Den Rest überlasse ich deiner Phantasie. Schuld war weniger Unvermögen sondern schlicht der brüchige Fels, der mich in eine ausweglose Situation gebracht hat und das sehr viel schneller trotz aller Erfahrung und Vorbereitung erwartet.
Ich möchte hier niemanden die Tour vermiesen, sondern lediglich ein paar kritische Worte zum Gestein am Herzogstand verlieren und dass es durchaus nicht so ohne ist und man sich gut überlegen sollte worauf man sich hier einlässt: brüchiger Fels und flach wurzelnde Latschen, die dadurch kaum was halten.

Ich wünsche natürlich jedem, der die Tour geht, viel Spaß und hoffe, dass er oder sie gut und ohne Probleme durch die Wand kommt. Auch dir Joseph wünsche ich weiterhin gute Touren und ich werde bestimmt noch den ein oder anderen Bericht über diese mit Freuden lesen.

Seid's vorsichtig und denkt's immer dran:
"„Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm.“

- Hans Kammerlander

Berg Heil,
Dude


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