Söllnspitze (2186 m) - Plafetschspitze (2204 m) - unterwegs am einsamen Plafetschkamm


Publiziert von gero , 28. Mai 2016 um 19:00.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:27 Mai 2016
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1170 m
Abstieg: 1170 m
Strecke:St. Zyprian (P Runggun) - Tschamintal - Söllnspitz - Plafetschspitze - Weissental - Tschamintal - Runggun (16,3 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Aus dem Eisacktal bei Blumau hinauf nach Tiers / St- Zyprian. Auf der Nigerpaßstraße bis nach der ersten Kehre, kurz danach scharf links abbiegen zum gebührenfreien P Runggun.
Kartennummer:Tabacco Nr. 029 (Schlern-Rosengarten-Latemar 1:25.000)

Schon mal was vom Plafetsch-Kamm gehört? Nein? Kein Wunder - von den Tschaminspitzen und dem daran anschließenden Plogerkamm ausgehend, bildet er einen westlichen Ausläufer des Rosengartens von verhältnismäßig geringer Höhe und steht sehr im Schatten der umliegenden namhaften Gipfel. Kein Wegweiser zeigt zur Söllnspitze, und nur zwei Markierungen an völlig unbedeutenden Stellen habe ich gefunden. Schon im Frühjahr ist der Plafetschkamm schneefrei, und wenn die Rosengartenspitzen schneebedingt noch unzugänglich sind, belohnt der Aufstieg zu seinen Höhen mit großartiger Aussicht, nachhaltigen Landschaftseindrücken - und totaler Einsamkeit.

Teil 1: Anstieg zur Söllnspitze

Es ist Ende Mai, in dieser schönen Jahreszeit ist es um 5 Uhr bereits hell, und ich starte vom Parkplatz Runggun (1220 m; gemäß Lk liegt das gleichnamige Anwesen gut 100 m höher) in einen der wunderschönen südtiroler Bergtage. Weg Nr. 13 führt, gleich gut beschildert, über die Dosswiesen hinüber ins Tschamintal. Die Wiesen stehen in üppiger Blüte, ein Labsal für Auge und Nase mit den Frühlingsfarben und -gerüchen. Nach etwa 50 Minuten erreiche ich die Stelle, an der sich die Almstraße gabelt: nach links geht es mit etlichen Wegweisern ins Tschamintal - hinauf zum Plafetschkamm muß man sich hier aber rechts halten: kein Wegweiser, keine Markierung, die kurvenreiche Forststraße führt  im Wald von Norden hinan zum Plafetschkamm.

Der Wald oberhalb des Tschamintals ist relativ dicht; der GPS-Empfang ist nicht gut, deshalb weicht mein Track gelegentlich von der Straße ab. Man sollte sich im folgenden gut mit der Lk auskennen und sich den Anstieg eingeprägt haben, denn es gibt etliche Straßenverzweigungen, an denen es wichtig ist, den richtigen Weg zu benutzen. Wie schon gesagt: irgendwelche Markierungen oder Wegweiser gibt es nicht, und es ist auch kaum möglich, hier mit Worten die richtige Wegführung zu beschreiben.

Nach 1,5 Std. erreiche ich eine Stelle im Wald, wo die bisher ständig steigende Forstsraße geradeaus abwärts ins Tschamintal hinunter leitet (sie erreicht den Talgrund am Rechten Leger). Hier findet man unter einem markanten Felsblock einen Wegweiser "Schneeschuhwanderweg" (siehe Fotos), und nun geht es - wiederum nicht markiert - weiterhin aufwärts Richtung Plafetsch-Kammhöhe. Je höher man kommt, desto mehr wird die bisherige Forststraße zum Bergsteig. Erstmals ragt kurz das Ziel - die Söllnspitze - über den Baumwipfeln auf. Und nach 2,5 Std. ist die Plafetschkammhöhe erreicht: etwa mittig zwischen Kesselschneide und Söllnspitze (vgl. Lk).

Erstmals unmißverständlich geht nun ein Bergsteig ostwärts durch den Wald aufwärts Richtung Söllnspitze; je mehr man sich dem Gipfelaufbau nähert, desto steiler wird das Wiesengelände. Der Steig ist deutlich ausgeprägt und nirgends schwierig, aber etwas ausgesetzt. Man muß in diesem Gelände unbedingt trittsicher sein, Trockenheit begünstigt das Sicherheitsgefühl ungemein (ich hatte leider nasse Bedingungen - langhalmige Graspolster und schmierige Abschnitte haben mir vor allem beim Abstieg etwas zu schaffen gemacht).

Auf halber Höhe der Gipfelflanke passiere ich einen auffallenden Felszahn; der Steig wird noch ein bißchen steiler, gelegentliche kurze Kraxeleinlagen würzen den Anstieg. Aber dann ist die Gipfelwiese erreicht, es geht nicht mehr höher, ich stehe exakt 3 Std. nach Abmarsch auf der Söllnspitze (2186 m, seltener auch als Gesellenspitze bezeichnet). Die Kuppe bricht nach allen Seiten senkrecht ab (Ausnahme: westseitiger Anstiegshang), man hat eine prächtige Aussicht nach Osten auf die viel höheren Hauptgipfel des Rosengartens, nach Westen blickt man auf das tief drunten, sonnenüberflutete Tierser Tal hinunter. Leider ist es sehr dunstig, bis Bozen oder gar bis in die Ortlergruppe reicht der Blick heute nicht, aber ich bin trotzdem mit dem Erreichten zufrieden.

Im Hinblick auf das steile Grasgelände würde ich den Gipfelbereich der Söllnspitze als T3 einstufen; für den Zustieg durch den Wald erübrigt sich eine Schwierigkeitsangabe,.

Teil 2: Weiterweg zur Plafetschspitze

Mein weiterer Plan sieht vor, als nächstes zur ostseits gelegenen, 20 m höheren Plafetschspitze zu wandern, dann dem Plafetschkamm noch etwas weiter aufwärts zu folgen und schließlich hinab ins Tschamintal zu gelangen.

Vorsichtig steige ich das steile Grasgelände wieder hinunter; etwa dort, wo das Gelände flacher wird, zweigt in einer Kehre des Steiges ein weiteres, anfangs schwach ausgeprägtes Steiglein ab, das nordseitig durch Latschen um die Söllnspitze herumführt (es wird ein kurzer Graben gequert, hier erleichtert ein Stahlseil dessen Begehung). Nach kurzer Zeit enden die Latschen, ich gelange an den ostseitigen Fuß der hier senkrechten Felswände der Söllnspitze.

Der Weiterweg führt nun südseitig um die Plafetschspitze herum - großartige Landschaft, unschwieriges Wiesengelände, Sonnenschein - was will man mehr? 40 Minuten nach Abmarsch von der Söllnspitze erreiche ich den Osthang der Plafetschspitze - eine steile Wiesenrinne zieht zu deren Gipfel hinauf. Ich zögere nicht lang, hinauf ! Ich gelange zu einem kleinen, sattelartigen Wiesenfleck, von dem es kurz links (im Sinne des Anstiegs) um eine Felsecke herum geht, und nun wird die Sache etwas kniffliger: schrofiger, kleinsplittriger Fels ist zu erklettern, das Gelände ausgesetzt.

Aber ich lasse mich nicht entmutigen: ein paar Mal "Ruck und Zuck", kurze Einserstellen, dann stehe ich auf der Plafetschspitze (2204 m, 70 Minuten ab Söllnspitze) - und staune nicht schlecht: sie besteht aus einem für mich unzugänglichen Westturm und - durch eine scharfe Scharte getrennt - dem östlichen Kulminationspunkt, den ich ereicht habe. Ein winziges Kreuz aus Latschenästen ziert die sehr kleine Gipfelfläche - kaum genügend Platz, um sich gemütlich hinzusetzen. Der Abstieg nagt ein bißchen an meinem Gemüt: auf diesem exponierten Fleck will keine rechte Muße aufkommen. So steige ich wieder hinunter, außerordentlich vorsichtig, bis ich entspannt die besagte Wiesenrinne absteigen kann und an deren Fußpunkt den regulären Steig wieder erreiche.

Den obersten Bereich der Plafetschspitze würde ich als T4- einstufen, mit kurzen Einser-Kraxelstellen in kleinsplittrigem, unzuverlässigen Felsgelände.

Teil 3: Abstieg ins Tschamintal und Rückweg

Inzwischen sind Gewitterwolken aufgezogen, sie spielen um die Latemargruppe und den Hammerwandkamm. Noch sind sie nicht bedrohlich, aber es gilt, ihre weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. Wer oft in Südtirol unterwegs ist, weiß, daß sich im Tagesverlauf derartige Wolken wieder auflösen und erst am späteren Nachmittag für meteorologisches Ungemach sorgen können. So auch heute - ich beschließe, meinen weiteren Plan nicht aufzugeben, und steige weiterhin auf gutem Steig den Plafetschkamm aufwärts. Lang ist er sowieso nicht mehr: ein letzter kleiner Grataufschwung wird wiederum südseitig umgangen, danach folgt die Plafetschscharte (2112 m). Hier habe ich die Wahl: nach rechts geht es südwärts zur Hanicker Schwaige abwärts (Begehung ein Jahr später, Bericht hier), oder nach links nordseitig zur noch fernen Mündung des Großen Valbontales und von dort hinab ins Tschamintal.

Ich wähle die zweitgenannte Variante, meinem ursprünglichen Plan folgend. In einigem Auf und Ab quert der Steig unter den nordwestlichen Ausläufern des Plogerkammes entlang. Eine eindrucksvolle, noch schneegefüllte Steilrinne zieht zwischen Sattelspitzen und Plogerkamm herunter. Sie markiert das obere Ende des grabenartigen Weissentales, und hier muß ich einige Schneefelder queren, die erfreulicherweise gutmütig zu begehen sind. Ob ich der diesjährige Erstbegeher bin? Spuren sind keine zu erkennen, aber ich erreiche wohlbehalten den Ostrand des Weissentales (es zieht als steiler, ungangbarer Graben direkt hinab ins Tschamintal - vgl. Lk).

Bis hierher habe ich ab Plafetschspitze 30 min. gebraucht; der Abstieg entlang des Weissentales ist mir von meiner Begehung des Valbontales bekannt: ohne jegliche Schwierigkeit geht es auf einem wenig ausgeprägten Pfad direkt hinab, mit etwas "Geländeblick" zwischen den Latschen hindurch. Dann erreiche ich den Hauptweg im Grund des Tschamintales und den Rechten Leger (1610 m).

Hier gibt es eine ausgiebige Rast, üppiger Sonnenschein und eine Brotzeit lassen Wohlgefühl aufkommen, und dann schlendere ich durchs Tschamintal hinaus nach Runggun zum Parkplatz.

Fazit

Eine großartige, einsame Runde im Rosengarten mit eindrucksvoller Landschaft, die neben Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und einer gehörigen Portion "Geländeblick" den geübten Umgang mit einer detaillgenauen Landkarte bedingt. Keine Wegweiser, keine Markierungen, jedoch durchgehende Steiganlagen. Wem die Besteigung von Sölln- und Plafetschspitze zu anspruchsvoll ist, kann die beiden Gipfel auslassen oder dort jeweils nach eigenem Ermessen umkehren.

Tourengänger: gero


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden


Geodaten
 30178.gpx Von Tiers auf den Plafetschkamm

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (3)


Kommentar hinzufügen

Felix hat gesagt:
Gesendet am 3. Juni 2016 um 19:52
Gratulation, lieber Georg!

wieder ein tolle Tour im "nahen" Südtirol" ;-)

der Sommer darf kommen ...

hg Felix

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Juni 2016 um 07:00
Servus Felix,

vielen Dank für Deinen netten Kommentar - die Tour steht so ähnlich in dem Südtirol-Buch drin, das Ihr mal von mir bekommen habt, ziemlich am Schluß.

Ja, Du hast recht: der Sommer darf schon lange kommen! Aber erst gab es so spät im Frühjahr viel Neuschnee, und jetzt versteckt er sich alpenweit hinter schwarzen Gewitterwolken.

Wird schon noch werden!

Gruß allseits vom Gero

Felix hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. Juni 2016 um 08:14
Ciao Georg

diese Verbindung erkannte ich sofort ;-)

ja, es wird - und muss (morgen führe ich eine Clubtour - Orchideenwanderung!) - schon werden ...

lieber Gruss

Felix


Kommentar hinzufügen»