Blatenský příkop (Plattener Erbwassergraben)


Publiziert von lainari , 12. Mai 2016 um 20:28.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum: 8 Mai 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 250 m
Abstieg: 250 m
Strecke:25,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Blatenský příkop - začátec oder Zug der ČD bis Horní Blatná (Bhf. bis Graben hin und zurück + 2 km)
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 4 Krušné hory Karlovarsko

Bergmännische Wasserbauwerke II
 
Meine Frühlingswetterbestellung ist in den Status „In Bearbeitung“ gewechselt. Zumindest für das Flachland soll es T-Shirt-Temperaturen geben, so dass ich mit Aussicht auf Prachtwetter zu einer Tour auf das Dach des böhmischen Erzgebirges starte. Ob der frühen Stunde verläuft die Anfahrt zügig und störungsfrei, nur ein Rudel unschlüssiger Hirschdamen am Straßenrand erfordert einmal erhöhte Aufmerksamkeit. Die Wanderparkplätze sind alle noch verwaist, außer dem verrückten Němec ist bisher niemand unterwegs.
 
Auch im böhmischen Erzgebirge stellten sich im Bergbau dieselben Probleme wie auf sächsischer Seite. Hochgelegenen Bergrevieren fehlte auf den weiten Kammflächen oft eine ausreichende Wasserzufuhr für den Betrieb von Bergwerken und der Verarbeitung von Erzen, so auch in Horní Blatná (Bergstadt Platten). Daher wurde zwischen 1540-1554 unter der Leitung des Baumeisters Stephan Lenk ein reichlich 12 km langer Kunstgraben erbaut, der auf der Kammlinie Wasser aus dem Bach Černá (Schwarzwasser) und dem Božídarské rašeliniště (Gottesgaber Hochmoor) nach Platten heranführte. Wegen der Länge und der Untergrundbedingungen in Moor-Randlage wurde der Graben mehrheitlich mit einem Holzausbau, sogenannten Türstöcken mit seitlicher Eichenbeplankung, versehen. Heute sind durch Änderungen an Fassung und Ende noch etwa 11,5 km Grabenlauf vorhanden. Mit dem Niedergang des Bergbaus und der Einführung der Elektrizität verlor er an Bedeutung, wurde aber bis 1945 als Industrie- und Löschwasserspender weitergenutzt. Danach verfiel er und wurde später zum Denkmal erklärt. Eine Rekonstruktion erfolgte bis Anfang der 2000er Jahre. Wegen offensichtlich mangelnder Wartung sind große Teile heute erneut reparaturbedürftig.
 
Ich stelle mein Auto ab und begebe mich zunächst zum Wasserteiler am Bach Černá, Blatenský příkop - začátec (Plattner Graben - Anfang). Die einst idyllische Hochfläche wurde jüngst mit einem kombinierten Rad-/Fußweg bzw. einer Skiloipe und zwei überdimensionierten Brücken verziert. Bestimmt hat der Fördermittelgeber dabei auf Einhaltung dieser und jener Normen bestanden. Der Graben legt seine ersten Meter in Straßenseitenlage zurück und unterquert diese dann. Ab dem Parkplatz führt ein Pfad am Rand entlang. Die Schautafeln dieses Lehrpfades sind meist verschwunden. Bach und Straße fallen deutlich talwärts ab, während der Graben entlang der Höhenlinie am Rande des Moores verläuft. Dieses ist ein Schutzgebiet mit Betretungsverbot, welches in Tschechien mit zwei roten Streifen an Bäumen und Pfählen markiert wird. Der Graben weist unzählige Zuläufe aus, die meist mit Geschiebesammlern ausgestattet sind. Gegenüber befinden sich bei größeren Bächen jeweils Abschläge, die bei zu großen Wassermengen den Grabenpegel regulieren helfen. Der Graben ist durchgängig mit Grenzsteinen (Inschrift „E“ für Erbwassergraben) abgemarkt, da er als wichtiges Bauwerk unter dem Privileg königlichen Schutzes stand. Durch abwechslungsreiches Gelände wird im Verlauf eine Straße erreicht. In Straßenseitenlage führt der Graben nun nach Ryžovna (Seifen). Der Ortsname gibt über die Tätigkeit der einstigen Bewohner Auskunft, hier wurden sekundäre Erzlagerstätten in Verwitterungsschutt und/oder Bachschottern und -sanden ausgebeutet. Heute gibt es hier nur noch wenige Häuser. Zunächst weiter entlang der Straße angelegt, dreht der Graben später entlang der Höhenlinie in Wiesenland ab und erreicht wieder Wald. Am Waldrand wird fast das gesamte Grabenwasser abgeschlagen. Durch die geringe Fließgeschwindigkeit verlandet er in der Folge zusehends, so dass der begleitende Pfad bereits stauwassergetränkt und dadurch schwierig begehbar ist (T2-Abschnitt). Nun wird ein vom Bergbau zerfurchter Waldabschnitt mit einigen Pingenzügen durchquert. An einem Waldweg finde ich einen Rastplatz, den ich dankbar zur Frühstückspause nutze. Ein letzter herrlicher Wald- und Wiesenabschnitt führt den Graben an den oberen Rand von Horní Blatná (Bergstadt Platten), wo er heute in einem Teich endet.
 
Da die geplante Route ohnehin noch lang genug ausfällt, verzichte ich hier auf einen Abstecher zu den bereits im vorigen Herbst besuchten Pingen und dem Gipfel des Plattenberges. Ich halte mich entlang des Waldrandes an einem trockenen Graben, der auf der Karte dem Erbwassergraben zugerechnet wird. Ein umgekehrtes Gefälle und einen Abmarkung mit Grenzsteinen mit der Inschrift „G“ spricht eher dagegen, es dürfte sich um einen Oberflächenwassersammler handeln. Später komme ich an eine Straße und gehe neben der Straße auf einer Schneise entlang, die wohl im Winter als Skiloipe dient. Dann stößt ein rot markierter Wanderweg, der Cesta Antona Günthera (Anton-Günther-Weg) dazu, dessen Verlauf ich folge. Nach einer Weile biegt er nach rechts ab und führt in das Flurstück Vorderer Hengst. Dieses wird im Untergrund von etwa 15 Haupterzgängen (Zinn), die sich fächerförmig kreuzen, durchzogen. Dadurch entstand hier ein früher Intensivbergbau. Im Areal befanden sich beispielsweise die beiden Wasserlösestollen „Georg“ und „Schaf“ und die Fundgruben: St. Katharina, St. Christof, Jahrküchel, Rothe Fdgr., Löwen, Wildbahner, Gnade Gottes, Rothen Trums Fdgr., Neu Jahr, St. Johannes, Profeten, Königer, Die 7te Maaß und Panthaleon. Es entstand ein fragiles Berggebäude mit riesigen unterirdischen Weitungsbauen, welches folgerichtig teilweise kollabierte. Heute wird der Bereich als Červená jáma (Rote Grube/Georgspinge) bezeichnet. Der entstandene Hauptbruch hat die Abmessung von 200 mal 30 Metern bei einer Tiefe von bis zu 20 Metern. Ich umrunde die Pinge zunächst und setze dann den Weg talwärts fort. Es bietet sich ein weiter Ausblick ins Umland. Oberflächlich betrachtet mag die weite, wald- und wiesenreiche Landschaft karg und eintönig wirken, aber bei genauerer Betrachtung atmet fast jeder Meter Montanhistorie. Der Kenner entdeckt Seifen, Halden, Einsenkungen, Kunstgräben und vieles mehr. Talwärts laufend, treffe ich in Hřebečná (Hengstererben) ein. Der Ort entstand einst aus den Siedlungen Hengst und Erb. Der Wanderweg wendet sich bergwärts und durchläuft das Flurstück Hinterer Hengst. Hier wurde über die Anlagen Štola Kryštof (Christoph-Stollen) und Důl Mauritius (Grube Mauritius) Bergbau betrieben. Letztere war von 1545-1944 mehr oder weniger durchgehend in Betrieb. Der letzte Betreiber war von 1942-1944 die Sachsenerz AG, die zu diesem Zwecke das hölzerne Fördergerüst des Berggießhübeler Schachtes 381 hierher umsetzte. Etwas weiter bergwärts liegt auch hier ein größerer Bergschaden, die Schneppova pinka (Schnepp-Pinge). Der ganze Bereich des Hengstererbener Bergrevieres ist sicher noch einmal eine genauere Erkundung wert.
 
Ein überdachter Rastplatz bietet sich zur Mittagspause an. Leider hat der Wind derart aufgefrischt, dass fast die Mahlzeit vom Tisch gerissen wird. Entlang eines trockenen Kunstgrabens gehe ich daher weiter über die Hochfläche und komme zu einer geschlossenen Rasthütte die genug Windschutz bietet. Frisch gestärkt gehe ich später in Richtung Wald. Dort passiere ich den herrlichen Mrtvý rybník (Toter Teich/Behrischer Teich), der einst den erwähnten Kunstgraben speiste. Das künstlich aufgestaute Gewässer wird vom Bach Bystřice (Rote Wistritz) durchflossen. Nun erreicht der Wanderweg das Schutzgebiet des Božídarské rašeliniště, so dass Wegegebot herrscht. Ein Besuch des Božídarský Špičák (Gottesgaber Spitzberg), des dritthöchsten Erzgebirglers, muss daher unterbleiben. An seiner weiten Flanke befinden sich die Ruinen Špičák - Wunderblume (Spitzberghäuser - Gasthaus Wunderblume). Die Pflanze soll der zu Grunde liegenden Sage nach aller tausend Jahre blühen und dem Finder den Zugang zu einer versunkenen Burg mit unermesslichen Schätzen öffnen. Jetzt weiß ich, warum sie mich nicht rauflassen wollen - sie haben Angst, dass ich die Burg auch so finde ;-)
Im Wald abwärts laufend, komme ich zum Ausgangspunkt Blatenský příkop - začátec zurück und beende so eine äußerst spannende Entdeckungstour.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 6 h 30 min. Die Schwierigkeit ist auf weiten Strecken als T1 zu bewerten, das Jonglieren an den Grabenrändern und die Umrundung der Pingen als T2.

Tourengänger: lainari


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