zem lôche!


Publiziert von Nik Brückner , 11. April 2016 um 12:45.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum: 9 April 2016
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 30 m
Abstieg: 30 m
Strecke:27km

Der Nibelungenhort ist einer der berühmtesten Schätze der Weltliteratur. Seit der ersten Aufzeichnung des Nibelungslieds um 1200 hat man seine Geschichte immer wieder neu erzählt - und immer von neuem nach ihm gesucht. Jedoch wurde das Rheingold bis heute nicht gefunden... Diese Tour führt direkt zum Schatzversteck, zem lôche am Schwarzen Ort.

Hagen von Tronje, so die Erzählung, hat den Nibelungenhort bei "Loche" im Rhein versenkt:


E daz die chunige widere     ze Rine wæren chomen
die wile hete Hagene     den grozen hort genomen
er sancten da zem loche     allen in den Rin
er wande in niezen eine     des enchunde sider niht gesin

Er versenkte ihn dort bei "lôche" komplett in den Rhein, so lässt sich der entscheidende Vers übersetzen. Doch was ist mit "zem loche" gemeint?

Ein Loch, ist doch klar. Hagen hat den Schatz in ein Loch geworfen, das er zuvor gebuddelt hatte. Doch so einfach ist es nicht. Denn das mittelhochdeutsche Wort "lôch" (mit langem -o-) bedeutet nicht dasselbe wie das heutige Wort "Loch", gemeint ist vielmehr "Loh", mit der Bedeutung 'Wäldchen; nasse Wiese'. Der Textstelle lassen sich also zwei Ortsangaben entnehmen: Hagen hat den Nibelungenhort im Rhein versenkt, und zwar in der Nähe eines Ortes, der "lôch" hieß oder wo ein Wäldchen bzw. eine nasse Wiese war. Nicht gerade sehr spezifisch...

Und das ist eigentlich ungewöhnlich für den Verfasser des Nibelungenlieds: Der hat sich nämlich in der fraglichen Gegend ziemlich gut ausgekannt. Und nicht nur Ortsangaben wie Worms oder Lorsch lassen sich heute noch festmachen, auch Namen und Ereignisse des Nibelungenlieds, von Gunther über Brünhild bis hin zum Untergang der Burgunden, haben einen historischen Hintergrund. Also warum nicht auch der Nibelungenhort?

Eine (zu Recht umstrittene) Deutung identifiziert "lôche" seit Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Ort Lochheim am Rheinknie, bei den heutigen Orten Biebesheim und Stockstadt. Dort soll der Nibelungenschatz am wahrscheinlichsten liegen.

Lochheim ist eine Wüstung, der Ort existiert nicht mehr. Wegen der ständigen Hochwassergefahr wurde er im Mittelalter aufgegeben. Aber im Codex Laureshamensis, einer Zusammenstellung verschiedener Texte aus dem Kloster Lorsch, sind acht Schenkungen vermerkt, die die Existenz des Ortes belegen, ausgestellt vom 9. Oktober 770 bis zum 6. Juni 799. 815 erfolgte eine weitere Schenkung an das Kloster Hersfeld.

Lochheim wurde wohl vor 1210 aufgegeben, in einer Urkunde aus diesem Jahr heißt es: "locus, qui dicitur Locheim, qui totus redactus est in prarum" ('an dem Ort, der Lochheim genannt wird und vollständig zu Wiesenland geworden ist'). In einer Aufzählung der Dörfer der Region aus dem Jahr 1252 wird es dann überhaupt nicht mehr erwähnt.

Es gab zwei Ortsteile, das untere, oder kleine Lochheim (inferior) und das obere oder große Lochheim (superior). Die Erinnerung daran bleibt bis heute in den Flurnamen der Gegend erhalten: So gibt es westlich von Stockstadt die Gemarkung "Kleines Lochheim", sowie zwischen Stockstadt und Biebesheim die Gemarkung "Flochheim", deren Name wohl durch eine falsche Worttrennung aus "uff lochheim" entstanden ist.

Sollte das Versteck des Nibelungenhorts tatsächlich bei Lochheim zu finden sein (wohlgemerkt: es handelt sich um Literatur) fragt sich, wo genau Hagen von Tronje den Nibelungenhort im Rhein versenkt haben könnte. "In den Rin" heißt es, also in den Rhein. Trotz der Unklarheit über den genauen Ort haben immer wieder Schatzsucher versucht, den Nibelungenhort im Bereich des Rheinknies zu lokalisieren. Dabei rückte insbesondere der Schwarze Ort ins Blickfeld, ein weiterer Flurname, gelegen bei der schärfsten Krümmung des Rheins.

In jüngster Zeit behaupteten Hans Jacobi, ehemaliger Bürgermeister und Baudezernent aus Mainz und sein Sohn Hans Jörg Jacobi, Stadtarchitekt aus Mainz, sie hätten den Schatz dort sogar bereits genau lokalisiert, ihn aber noch nicht bergen können. Die ZDF-Wissenschaftssendung "Terra X" (die man heute wohl eher eine Mystery-Serie nennen darf) griff diese Behauptung bereitwillig auf.

Der Schwarze Ort liegt zwischen dem linksrheinischen Hamm und dem rechtsrheinischen Gernsheim bzw. Biebesheim. Hier ist der Rhein besonders tief. Wenn man annimmt, dass das früher auch schon so war, und Hagen bzw. der Verfasser des Nibelungenlieds das wusste (wenn, wenn, wenn), dann könnte sich der Räuber mit dem Schatz von Worms aus in einem Kahn rheinabwärts haben treiben lassen, und ihn dann an dieser Stelle versenkt haben. Dumm nur, dass er die Stelle nicht markiert hat...

Vielleicht mit einer Kerbe im Kahn? Schließlich dürfte der Rhein heute völlig anders fließen und seither jede Markierung über- oder fortgespült haben.

Fragen über Rätsel über Fragen... "er sancten da zem loche     allen in den Rin"... - heute befindet sich auf der Hammer Seite das Gelände des Golfclubs Worms. 40 Hektar - und 18 Löcher...



Die Tour

Nichts wie hin! "DOT" von Karmakanic hören! Schatzsuche! Gegenüber vom Golfplatz kann man parken, kurz vor der Anlegestelle der Fähre nach Gernsheim. Dann vor an den Rhein und die erste Schleife ums Rheinknie gedreht. Bei Kilometer 464 ist der Schwarze Ort erreicht. Drüben liegt Biebesheim. Von einem Schatz weit und breit keine Spur, dennoch behaupten die Jacobis, genau hier den Nibelungenhort lokalisieren zu können. Vielleicht hat die Geschichte ja noch andere Quellen? Schließlich wurde vor noch nicht allzu langer Zeit Gold aus dem Rhein wurde gewaschen und zu Münzen geprägt. Das hat vielleicht die Geschichte vom Rheingold mit beeinflusst...

Hinter den Hammer Weiden geht es dann nach links und auf dem Saar-Rhein-Main-Weg am Golfplatz entlang zurück zur Anlegestelle der Fähre. Auf der "Helene" geht es dann hinüber auf die andere Rheinseite. Hier kurz in den Ort, dann nordwärts heraus zurück an den Rhein, der hier seine scharfe Biegung nach Westen macht. Wir befinden uns hier auf der Nordseite des Schwarzen Ortes, wieder bei Kilometer 464.

Von hier aus ein Stück auf dem Damm entlang, dann nach Norden zu einem Vogelpark. Hier kann man Störche beobachten - und ein paar Ziegen kommen auch. Es geht westlich an Biebesheim vorbei und über die Äcker zwischen Biebesheim und Stockstadt. Hier, nördlich von Biebesheim, befindet sich die Gemarkung "Flochheim", das alte superior Locheim aus dem Lorscher Codex.

Weiter im Norden geht es dann an der Modau entlang, hinüber zum Kleinen Lochheim. Irgendwo im Feld steht sogar eine Tafel, die über den untergegangenen Ort informiert. An schönen Hecken und Bächlein vorbei einmal rund um Kleinlochheim herum, und nun immer nach Südwesten, zurück an den Rhein. Am Fluss angekommen, wendet man sich nach links und folgt dem Ufer flussaufwärts bis zurück zur Fähre. Auf dieser dann über den Fluss zurück zum Parkplatz.


Fazit:

Ich geb's zu: Die Tour ist landschaftlich nicht gerade der Kieferausrenker. Das Naturreservat "Kühkopf-Knoblochsaue" etwas nördlich davon ist reizvoller. Aber wer sich auf die Spur des rätselhaften Nibelungshorts machen möchte, und sich von den Geheimnissen und Geschichten des Nibelungslieds inspireren lassen möchte, der kann hier eine spannende Runde in einem eigentlich unspannenden Gelände entdecken. Wer das Ganze in einer etwas abwechslungsreicheren Gegend machen möchte, kann in den nahen Odenwald fahren, und dort nach der Stelle suchen, an der Siegfried ermordet wurde...

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Seeger hat gesagt: Diese Nibelungen-Sagen
Gesendet am 11. April 2016 um 13:03
Ciao Nik
Das ist einer der fundiertesten Berichte welche ich kenne.
Dazu super zu lesen - wie ein Krimi.
Der Spass zwischen den Zeilen und Deine Kenntnisse machen einen Spaziergang zum Erlebnis :-))
Gruss
Andreas

Nik Brückner hat gesagt: RE:Diese Nibelungen-Sagen
Gesendet am 11. April 2016 um 14:21
Servus Andreas!

Vielen Dank, das freut mich sehr! Gleich mal schaun, was Du so machst....

Gruß,

Nik


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