Jardim do Mar und Paúl do Mar mit etwas Leichtsinn


Publiziert von 1Gehirner , 24. November 2015 um 21:24.

Region: Welt » Portugal » Madeira
Tour Datum:27 August 2012
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: P 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 570 m
Abstieg: 570 m
Strecke:ca. 7 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto nach Jardim do Mar
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito

Wir waren erst wenige Tage auf Madeira und mussten feststellen, dass das WLAN in unserer sonst umwerfend schönen Ferienwohnung "Casa Flores" eher dysfunktional ausgelegt war. Also mussten wir uns mit den "Printmedien" begnügen, die in grosser Zahl herumlagen. Oft älteren Datums, waren doch einige ansprechende Ausflüge darin zu finden.

Meine Frau wollte gern nach Jardim do Mar, das als blumenstrotzendes Paradies an der Küste mit schöner Strandpromenade und "kleiner Wanderung am Meer" angepriesen wurde. Also fuhren wir mit unserem treuen gemieteten Clio dorthin - um festzustellen, dass der Reiseführer wohl schon etwas outdated sein musste. Die Badestelle entpuppte sich als betonierte Rampe, die Strandpromenade als denkbar langweilig angelegte schnurgerade Gehstrecke. Blumen gab es aufgrund des heissen Sommers auch weniger als vielleicht sonst.

Wir absolvierten pflichtschuldigst die Promenade, die an einem Kieselstrand endete. Da wir nicht begriffen, dass hier die "kleine Wanderung am Meer" offiziell zu Ende war, stapften wir mutig entlang des Strands drauflos. Als wir zudem nicht zu weit weg Paúl do Mar erkannten, das ebenfalls im Reiseführer erwähnt war, fassten wir das als Ziel unserer Küstenwanderung ins Auge.

Wer Freude an Steinen, Geologie oder Farben in der Natur hat, sollte diese inoffizielle Wanderung unbedingt machen. Alle paar Meter wechselt das Gestein, von koffergrossen Lavabomben und Bruchstücken zu kugelrunden Kieseln zu Tuff, Bimsstein, hausgrossen Felsbrocken, schwefelgelben Bändern... Badestellen, oft schnucklig versteckt, gibt es genug, dafür nahmen wir uns aber keine Zeit - wir mussten ja später noch zurück! Dass Paúl do Mar etwas schwer zugänglich ist, auch mit dem Auto, wussten wir da schon. Berücksichtigt haben wir es allerdings nicht...

Je weiter wir kamen, desto unsicherer wurden wir ob der Durchführbarkeit unseres Unternehmens. Immer wieder türmten sich Brocken so hoch und ineinander verkeilt auf, dass wir nicht sicher waren, ob wir einen Durchschlupf würden finden können. Oft war der weitere Weg durch die gewundene Form der Küstenlinie nicht einsehbar. Irgendwann kam uns der Gedanke, dass eventuell auch die Gezeiten ein Problem sein könnten - gibt es auf Madeira Gezeiten? Wir wussten es nicht.

Und plötzlich standen wir doch am Hafen von Paúl do Mar. Unser Wasser war mittlerweile etwas knapp geworden - ausgerüstet waren wir ja nur für eine "kleine Wanderung am Meer", Turnschuhe, Achselshirt, schwache Sonnencreme... Hunger hatten wir auch. Nachdem sich in den malerischen kleinen Gässchen einige OpenStreetMaps-Verpflegungsmöglichkeiten als nichtexistent erwiesen, fanden wir endlich eine kleine Kneipe, die Eis verkaufte. Die Kühltruhe kam allerdings mit den Aussentemperaturen nicht mit und so liess sich das Eis eher trinken als schlecken... Immerhin, wir konnten uns notverpflegen.

Und dann, neu gestärkt, stach uns der Hafer. Am Strand zurücklaufen war uns zu langweilig und wir hatten oberhalb des Tunnels, der Paúl do Mar mit dem Landesinneren verbindet, einen kleinen Wanderweg gesehen. Den wollten wir erkunden. Den Einstieg fanden wir nach einigem Suchen recht nahe am Hafen, wo wir zwischen ein paar eng stehenden Häuschen hindurch mussten, und innert weniger Minuten waren wir in einer völlig anderen Welt. Der Caminho Real, breit und gepflastert und quasi pferdegängig, windet sich durch ein enges, aus vulkanischem Gestein herauserodiertes Tal mit steilen Abbrüchen, schroffen Klippen und unzähligen Terrassen (dazumal von Sklaven angelegt) auf die Hochebene hinauf. Mit abwärts gerichteten, runden Stufen ausgestattet geht er sich manchmal etwas mühsam und zur Mittagszeit liegt er voll in der Sonne (lieber morgens gehen!). Die Stufen waren wohl dazu da, mit dem Schlitten runterfahren zu können, wie das in Monte bei Funchal als Touristenattraktion angeboten wird.

Uns werden sie irgendwann zu mühsam. Wir verfallen auf obskure Auswege wie Slalomlaufen, um die Schrittweite der Stufenweite anzupassen, immer zwei auf einmal nehmen (anstrengend auf die Dauer) oder abwechselnd auf Kante und Fläche treten. Heiss ist es, Wasser haben wir keins mehr und wir sehnen das Ende des Aufstiegs herbei - was uns nicht hindert, der atemberaubenden Kulisse Tribut zu zollen!

Und dann sind wir oben. Ein paar grosse Bäume mit etwas Schatten kündigen das nahe Ende des Aufstiegs an, wir passieren ein paar Obstbäume (welche, wissen wir nicht), eine pseudo-antike Säulenanlage, geniessen den Ausblick auf das strahlend blaue Meer und schwupps, sind wir plötzlich mitten in einer Art Ferienwohnungsgruppe mit dem Namen Jardim Atlantico. Und das Beste: Es gibt einen winzigen Laden, der tatsächlich offen hat und in dem wir uns gierig mit eiskaltem Wasser versorgen! Hurra!

Dann machen wir uns auf den Weg zurück - oder besser, auf die Suche danach. Diesmal ist OpenStreetMaps unser Freund und Helfer und nach einigen öden, heissen Minuten auf der Fahrstrasse zweigen wir rechts ab zum Wanderweg nach Jardim do Mar. Er ist ab hier sogar ausgeschildert (vorher nicht) :)

Der Abstieg ist nochmal für sich ein Herkommen wert: Immer steil, mit wunderschönen Blicken auf die Steilküste, die terrassierten Hänge und Jardim do Mar unter uns windet sich der Weg hinab. Wir passieren pflanzliche Tunnels, viele Grillstellen (wir wussten da noch nicht, dass Portugiesen und Madeirenser quasi für's Grillieren leben) und unzählige Kaktusfeigen. Teils ist der Weg deshalb auch etwas rutschig...

Schliesslich langen wir wieder in Jardim do Mar an. Das Wasser war wieder knapp geworden, wir waren mittlerweile von der Hitze auch recht müde und so bummelten wir nur kurz durch die Gässchen, bewunderten die Würdenträger-Trage für den eben gegangenen Caminho Real (hinter Glas, direkt am Weg) und fuhren zufrieden nach Hause.

Einige Tage später merken wir die volle Konsequenz unseres leichtsinnigen Handelns: Auch wenn die Wanderung wunderschön war und den Charakter des ungeplanten Abenteuers hatte, schält sich die sonnenverbrannte Haut auf Schultern und Oberarmen mit beunruhigender Leichtigkeit ab... Der nächste Kauf war entsprechend eine 50+-Sonnencreme... und wir fassten den Entschluss, mittags nur noch Schattentouren zu unternehmen.


Tourengänger: 1Gehirner


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