meine erste geführte Tour - auf den Großen Löffler


Publiziert von Tuppie , 1. November 2015 um 16:25.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Zillertaler Alpen
Tour Datum:13 Juli 1990
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2262 m
Abstieg: 2262 m

1990 machen wir in Finkenberg im Zillertal Urlaub, ich bin zarte 19 Jahre jung. Mein Wunsch nach einem Dreitausender ist groß und natürlich soll es der Hochfeiler, der höchste Zillertaler sein. Im Tuxer Tal machen wir den Bergführer Toni Tomann ausfindig und machen uns nach Tourenmöglichkeiten für mich schlau. Der Hochfeiler wird derzeit nicht angeboten, dafür schlägt mir Toni den mir namentlich noch unbekannten Großen Löffler vor. Der Berg sei deutlich anspruchsvoller und eine super Bergtour. Auf meine Frage, ob die Aussicht von oben gut sei, kann Toni nur lachen. Alles klar ;-) Also gebucht!

Den Bericht habe ich - fast unverändert - 1990 nach meiner Tour geschrieben. Man möge mir also die vielleicht ein oder andere naive Formulierung verzeihen. Die Bilder wurden mit einer recht einfachen Analogkamera aufgeommen und, soweit es meine Softwarekenntnisse zuließen, für den Webgebrauch aufbereitet. 1990 waren wir weit weg von digitaler > 20 MP-Auflösung und und und...

Donnerstag, den 12. Juli 1990:

Da es bis zum Treffpunkt noch einige Stunden sind, kann ich auch heute noch in Ruhe frühstücken und meinen Rucksack in aller Ruhe packen. Ganz schön knapp wird der Platz im Rucksack werden. Zu knapp, so dass ich mit Paps noch mal nach Juns ins Tuxertal fahre und mit einen größeren Rucksack ausleihe. Auch Gamaschen und andere Dinge muss ich mir leihen - meine erste Hochtour eben! Lachend verspricht mir Toni, dass wir heute Nachmittag noch ganz schön ins Schwitzen kommen werden. Na, warm ist es ja schon!

Wieder in der Ferienwohnung packe meinen Rucksack, schmiere mir dick Sonnencreme ins Gesicht und dann kann es los gehen: gegen 14:30 Uhr kommt Toni zum Treffpunkt an derTeufelsbrücke. Durch Finkenberg geht es zum Wirtshaus Jochberg und weiter über Karlsteg in den Zemmgrund. Schließlich erreichen wir die kleine Ortschaft Ginzling (995m) und können noch bis kurz vor die Tristenbergalm (1117m) fahren, von wo es nur noch zu Fuß weiter geht. Kurz vor 15 Uhr sind wir dort und ich lerne die anderen drei Tourmitglieder kennen: zum einen der 13 Jahre junge Jens mit seinem Vater Klaus, zum anderen Dieter, ein Gastwirt aus Asteeg, bei dem Jens und Klaus Urlaub machen. Für Vater und Sohn ist es auch der erste Dreitausender. Dieter war schon mit Toni auf dem Olperer.

Um 15:30 Uhr machen wir uns auf den Weg. Während wir so auf recht ebenem Weg dahinwandern, komme ich mit Klaus und Jens ins Gespräch. Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir die Steinbockalm (1380m), wo wir aber nicht einkehren, sondern zügig weiter marschieren. Dieter und Toni marschieren strammen Schrittes voran, wir "Flachländler" hinterher. So allmählich drückt der Rucksack empfindlich auf meinen jungen Schultern und so sind es weniger konditionelle Probleme als viel mehr die Rückenlast, die mich ermüdet. Später stellt sich heraus, das es den anderen (wenn ich von "den anderen" rede, meine ich meist nicht Toni) genauso ging. Auf einmal macht mich Klaus auf die Hütte aufmerksam, die man hoch über dem Talschluß sehen kann. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit!

Gegen 16:50 Uhr machen wir inmitten von Felsblöcken links der Floite, einem wilden Gebirgsbach, eine verdiente Rast. Nach zehn Minuten geht es weiter, doch schnell macht uns wieder die sengende Hitze zu schaffen, es ist wirklich irre heiß. Wir erreichen einen Wegweiser, wo die restliche Anstiegszeit mit einer Dreiviertelstunde angegeben ist. Wir befinden uns auf etwa 1800 Meter Höhe. Wir wenden uns, am hintersten Talende angekommen, von der Floite ab und steigen in steilen Kehren höher. Noch vierhundert Höhenmeter bei unbarmherziger Hitze, steilem Gelände, einem zu voll gepackten Rucksack und einem dreizehnjährigen Führer - Jens geht voran, der uns (jedenfalls mir) den letzten Schweißtropfen abverlangt!!! Ein tolles Bild von Löffler und Greizer Hütte gibt es von rebe.

Das letzte Stück geht Toni, nun mäßiger, voran. Während wir (laut) vom kühlen Bier träumen, werden die Kehren wieder weiter, bis wir schließlich die Greizer Hütte auf 2226 m erreichen. Um 18:40 Uhr haben wir es geschafft.

Die Hütte liegt in prachtvoller Lage, umrandet von Floitenkees und Gipfeln wie Schwarzenstein, Tribbachspitze und natürlich unserem morgigem Ziel: dem Löffler! Auf der anderen Talseite der steile Mörchenkamm mit der Mörchenschneidscharte, dem Übergang zur Berliner Hütte. Ermattet betreten wir die Hütte und entledigen uns der Last. Toni wird vom Hüttenwirt gleich mit einem Schnaps empfangen. Wir wollen in die Gaststube, aber einen Tag früher als geplant findet in der Hütte das Sektionstreffen der Sektion Greiz statt. In einem kleinen Privatraum können wir es uns aber dennoch gemütlich machen. Dann gibt es endlich die ersehnten Durstlöscher und später auch Abendbrot.
Nach dem Essen gehen wir vor die Hütte, um die Steigeisen für morgen anzupassen. Meine Zwölfzacker müssen nicht angepasst werden. Wenig später gehe ich nochmals vor die Tür, um das letzte Tageslicht zu genießen. Ein wunderschönes Alpenglühen sehe ich da und kann mir keinen schöneren Abschluss dieses Tages vorstellen.

Freitag, den 13. Juli 1990:

Nach einer ruhigen Nacht erwache ich gegen 5:30 Uhr, döse aber noch mal ein. Um 6:15 Uhr stehe ich auf. In unserem Separée frühstücken wir gemütlich und mir schmeckt es wirklich ausgezeichnet. Nach dem Frühstück lasse ich eine Katzenwäsche über mich ergehen. Die Hütte kann man wirklich als sauber bezeichnen. Die Rucksäcke werden gepackt und alle unnötigen Sachen lassen wir in der Hütte. Ich lasse mir meine Trinkflasche mit heißem Tee füllen, dann geht´s raus. Draußen ist es kühl und wolkenlos - ideal also. Wir sind alle in Aufbruchstimmung und um 7:30 Uhr können wir dann auch aufbrechen.

Südlich der Hütte geht es recht flach über Schrofen und Wiesenhänge, bis wir schließlich die Endmoräne des Gletschers erreichen. Über grobe Felsblöcke geht es weiter und ich bekomme allmählich Vertrauen in meine Schuhsohlen, als wir so über die Blöcke springen.

Alsbald mischen sich die ersten Schneefelder in die Felsblöcke, bis wir uns gegen 8 Uhr entscheiden, uns für den Einstieg in den Gletscher zu rüsten. Wir haben nun etwa eine Höhe von 2600 Metern erreicht und stehen vor der Gletscherzunge des Floitenkeeses. Wir packen unsere Ausrüstung aus den Rucksäcken und legen die Klettergurte an. Toni kontrolliert bei jedem den festen Sitz der Gurte und der Steigeisen. Nachdem ich mir warme Kleidung und Handschuhe übergezogen habe, werden wir ans Seil genommen. Nachdem die Vorbereitungen eine halbe Stunde gekostet haben, können wir um 8:30 Uhr in den Gletscher einsteigen. Toni geht als erster, dann folgen Klaus, Jens, ich und zuletzt Dieter. Das Steigen mit den Steigeisen ist eine ganz neue Erfahrung für mich, allerdings ist es ein schönes Gefühl, auf dem harten Gletschereis festen Stand zu haben.

Das Eis hat eine gute Härte, zumal wir noch im Schatten gehen - wir kommen gut voran. In kurzen Pausen haben wir Gelegenheit zu trinken, bis wir schließlich den sonnenbestrahlten Teil des Gletschers erreichen. Wir tauschen die warme Kleidung gegen Sonnenbrillen. Diese Aktionen müssen behutsam ablaufen: was einmal aus den Händen gleitet, ist bei diesem steilen Gelände sofort weg. Und dann passiert es doch: Dieter verliert einen seiner beiden Handschuhe, hat dafür aber nur ein Grinsen übrig.

Auch das gleißende Licht auf solch einem Gletscher ist eine völlig neue Erfahrung - jeder Eiskristall reflektiert das Sonnenlicht mit einer unglaublichen Helligkeit. Dieses Licht ist der Wahnsinn! Ab und an bleibe ich kurz stehen, damit sich das Seil zwischen mir und Jens wieder straffen kann. Auch ein straffes Seil ist in spaltenreichem Gelände wichtig, damit sich das Seil bei einem Sturz gleich spannt und den Sturz abfängt.

Bei einer Fotopause merkt Dieter, dass seine Kamera streikt. Nachdem Klaus und Jens gar keine Kamera dabei haben, liegt es nun also an mir, ein paar schöne Erinnerungsbilder zu machen. Beim weiteren Steigen macht sich die Steigeisenschnalle an den Fersen empfindlich bemerkbar, zumal meine Schuhe nicht für Steigeisen gemacht sind. Kurz nach 10 Uhr meldet unser Führer Toni, dass wir eine Höhe von 3060m erreicht haben. Da meine Fersen inzwischen ziemlich schmerzen, bitte ich Toni um eine Pause, damit sich meine Füße ein wenig erholen können. Auch eine weitere Anfrage wegen einer Pause wird abgelehnt. Na, in diesem steilen Gelände könnten sich meine Füße ohnehin nicht richtig erholen. Das erklärt mir auch Toni später bei der Rast. Der Gletscher hat nun eine beachtliche Steigung erreicht, links von mir fällt das Eis steil in die Tiefe. Trotzdem empfinde ich keinen Schwindel, während ich in der hüftbreiten Spur weiter aufsteige. Schmerzenden Schrittes geht es mühsam weiter, bis wir um 10:45 Uhr den Gletscher hinter uns lassen. Wir haben einen flachen Sattel zwischen Löffler und Tribbachspitze erreicht und befinden uns nun auf 3179m Höhe. Nun können wir die Aussicht in vollen Zügen genießen, die sich nun auch nach Süden öffnet. Besonders beeindruckend ist der Blick zum Großvenediger.

Ich schaue den mit Felsen durchsetzten Firnhang gen Gipfel hinauf und erkenne einige Männer beim Abstieg. Wir lassen die Rucksäcke auf dem Sattel zurück, tauschen die Skistöcke gegen Pickel und nehmen das letzte Stück in Angriff. Zuerst flach, dann steiler gewinnen wir rasch an Höhe, Hier und da müssen einige Felsen überklettert werden, was "dank" der Steigeisen ein etwas ungewohntes Gefühl ist. Plötzlich höre ich ein begeistertes "Wahnsinn" von oben. Die Aussicht scheint wie angekündigt vom Feinsten zu sein. Schließlich wird es wieder flacher und ich kann das prächtige Gipfelkreuz sehen. Um 11:10 Uhr stehen wir ganz oben!!!

Die Aussicht, die sich uns darbietet ist kaum mit Worten zu beschreiben. Es ist das schönste Panorama, welches ich bis dahin gesehen habe. Die gesamten zentralen Ostalpen scheinen zu unseren Füßen zu liegen. Der Blick geht über das Ortlermassiv, die Stubaier, Ötztaler und natürlich Zillertaler Alpen, über das Wettersteingebirge, den Karwendel, die Kitzbühler Alpen und die Hohen Tauern sowie das Wildgallmassiv. Weit im Süden die Karbonatriffe der Dolomiten.

Und 1150 Höhenmeter weiter unten winzig klein die Greizer Hütte. Nach den obligatorischen Gipfelfotos und einem Eintrag ins Gipfelbuch mache ich noch ein Gipfelpanorama. Dann steigen wir wieder, nach viertelstündiger Gipfelrast, auf dem Aufstiegsweg ab. Nach dem flachen Gipfelrücken erreichen wir wieder den Steilhang, den wir mit Frontalzacken-Technik absteigen. Nachdem mir Toni gut zuredet, bekomme ich allmählich Vertrauen in die vier Metallzacken, die nun mein gesamtes Gewicht tragen müssen. Wieder eine neue Erfahrung! Schnell macht es mir Spaß, wie ein "richtiger" Bergsteiger am Berg unterwegs zu sein und genieße dieses neue Gefühl.

Mit abnehmender Steigung geht es dann hinab zum Sattel, dem Oberen Floitenjoch, wo wir um 11:55 Uhr wieder die Rucksäcke erreichen. Wir trinken und essen, genießen die Aussicht und rüsten uns allmählich für den Abstieg. Für den weiteren Abstieg über den Gletscher ziehen wir Gamaschen über und werden auch den Pickel zur Hilfe nehmen.

Nach geruhsamer Rast steigen wir in umgekehrter Reihenfolge in den Gletscher ein: Dieter geht voran, dann folge ich, hinter mir Jens, Klaus und Toni. Es ist 12:30 Uhr. Durch die Sonne ist die Oberfläche doch deutlich aufgeweicht, nicht gerade ideal. In diesen ersten Minuten ist mir doch etwas mulmig, denn der Gletscher, den wir beim Aufstieg im Rücken hatten, fällt nun vor meinen Augen steil in die Tiefe. Erst jetzt wird mir die Größe und Steilheit voll bewusst.

Der Abstieg ist deutlich mühsamer als der Aufstieg. Toni zeigt uns die richtige Haltung und Technik und schon bald werden wir sicherer. Wir halten sehr oft an, weil wir auch kein einheitliches Tempo finden. Logo, wir sind halt keine eingespielte Seilschaft. Wir steigen, anders als im Aufstieg, in direkter Falllinie des Gletschers ab. Weiter unten, in wieder flacherem Gelände, nehmen die anderen die Steigeisen ab. Ich behalte meine noch vorläufig an den Schuhen, da meine Schuhe ja auch nicht ganz so gut profiliert sind wie die der anderen. Schließlich geraten wir in ein Spaltengebiet. Vorsichtig umgehen wir die größeren Spalten , während andere Spalten übersprungen werden können. Hier zeigt sich wieder, dass an einem solchen Berg niemand etwas verloren hat, der nicht über entsprechende Erfahrung verfügt. Und da haben wir mit Toni wirklich einen tollen Führer erwischt. Am Gletscherrand angekommen, es ist etwa 14 Uhr, entledigen wir uns des Seiles, packen auch die Gamaschen und Klettergurte in die Rucksäcke, tauschen Pickel gegen Skistöcke und genießen bei einer Rast einen phantastischen Blick hinauf zum Löffler, zu "unserem" Berg. Dann geht´s weiter zur Hütte. Zunächst noch über Firn latschend, dann über die großen Blöcke der Endmoräne erreichen wir den Weg, der uns schließlich zur Greizer Hütte leitet. 14:45 Uhr zeigt die Uhr.

Nach einem Schnapserl gibt´s die wohlverdiente Brotzeit und ausgiebige Rast, bei der natürlich der Löffler unser Thema ist. Klaus und ich tauschen unsere Adressen aus, da ich ja die einzigen Bilder gemacht habe. Nachdem wir die Rucksäcke wieder gepackt haben, geht´s kurz vor 16 Uhr talwärts. Ich tue mir beim packen des Rucksacks nicht allzu viel Mühe an und habe so einen unförmigen Klumpen auf dem Rücken. Klaus geht voraus und so steigen wir flotten Schrittes ab. Weiter unten wird es dann wieder flacher und angenehmer. Immer wieder blicke ich zur Hütte zurück, die nun bereits weit hinter uns liegt. Die tiefer gelegenen Tallagen sind bereits in Schatten gehüllt. Als Toni unterwegs bei einem Freund hängen bleibt, eilen wir voraus und sind um 17:40 Uhr an der Steinbockalm. Ein flotter Abstieg!

Hinter uns liegt ein wundervoller Blick ins Floitental, vor uns noch eine halbe Stunde wandern bis zur Tristenbergalm. Kurz nach sechs Uhr nehmen wir dieses letzte Stück in Angriff und wandern nun gemäßigteren Schrittes talauswärts. Ich unterhalte mich mit Klaus über die zurückliegende Tour, über die gemachten Erfahrungen und unsere Eindrücke. Um 18:40 Uhr erreichen wir den Parkplatz an der Tristenbergalm auf 1117m Höhe, es ist entgültig geschafft. Der Große Löffler liegt erfolg- und erlebnisreich hinter uns!!!

Übrigens: diese Tour wie auch andere findest Du in meinem Tourenbuch auf www.bergfieber.de.

Tourengänger: Tuppie


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